Eine kleine Rating-Agentur stützt die Eurozone

  23 Oktober 2016    Gelesen: 354
Eine kleine Rating-Agentur stützt die Eurozone
Das Wachstum stockt, die Staatsverschuldung wächst, eigentlich braucht Portugal ein neues Hilfspaket. Doch eine kleine Rating-Agentur aus Kanada hält das Land am Leben - und bewahrt so die Eurozone vor dem nächsten Schock.
DBRS ist vor allem jenen ein Begriff, die sich für die finanzielle Lage der Universität Ottawa interessieren oder für die Bonität der kanadischen Provinz Saskatchewan. Sie ist also fast niemandem ein Begriff. Und doch ist es ausgerechnet diese kleine Rating-Agentur mit Sitz in Kanada, die Portugal den Zugang zum Kapitalmarkt offen- und ein zweites Rettungspaket vom Leib hält. Und die Eurozone so vor einer erneuten Krise bewahrt.

In dieser Freitagnacht war es wieder so weit: Die DBRS verkündete ihre neue Bewertung portugiesischer Staatsanleihen. Und die neue Bewertung blieb die alte. Im Gegensatz zu den großen Rating-Agenturen gewährt DBRS Portugal trotz hoher Schulden erneut den Investment-Status. Die wichtigste Nachricht, die dahinter steckt: Die Europäische Zentralbank (EZB) darf durch das Rating auch weiterhin portugiesische Staatsanleihen kaufen.

Massenhafter Ankauf von Anleihen

Die Agenturen Standard & Poor`s, Moody`s und Fitch haben die Bewertung portugiesischer Staatsanleihen schon vor fünf Jahren unter die Schwelle "investment grade" gesenkt. Nur die DBRS weigert sich, die Papiere als Schrottanleihen einzustufen. Das könnte reichlich egal sein - wenn die EZB die DBRS nicht so wichtig nähme.

Seit Anfang 2015 kauft die EZB massenhaft Staatsanleihen der Euroländer, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das entlastet auch die Staatshaushalte. Denn die größere Nachfrage nach den Anleihen lässt die Zinsen sinken - und damit die Kosten des Schuldenmachens.

Die EZB hat aber Bedingungen für die Käufe aufgestellt: Mindestens eine der vier anerkannten Rating-Agenturen muss die portugiesischen Anleihen mit dem Investment-Status beurteilen - und diese eine ist seit fast fünf Jahren DBRS. Gleiches gilt für den Fall, dass Banken Anleihen als Sicherheit bei der EZB hinterlegen, wenn sie sich dort Geld leihen: Auch hier braucht es den Investment-Status mindestens einer Agentur. Das Rating von DBRS hält Portugal am Kapitalmarkt und die portugiesischen Banken am Leben.

Portugals Wirtschaft verliert an Fahrt

Würde die kanadische Agentur ihre Bewertung senken, so stiege wohl die Verzinsung portugiesischer Staatsanleihen; es würde teurer für den Staat, sich am Markt zu finanzieren - womöglich zu teuer. Portugal bräuchte dann ein weiteres Rettungsprogramm, das zweite nach dem 78-Milliarden-Hilfspaket aus dem Sommer 2011. Die Banken des Landes, die massenhaft Staatsanleihen und notleidende Kredite in ihren Bilanzen haben, müssten Nothilfekredite bei der Zentralbank beantragen.

"Das wäre ein psychologischer Schlag", sagt Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank und jetzt Direktor des Flossbach von Storch Research Institutes. "Bisher wird Griechenland als der traurige Ausnahmefall verkauft. In Portugal könnte sich zeigen, dass der Schwelbrand jederzeit auch anderswo wieder aufflammen kann. Dann müsste sich die Politik eingestehen, dass ihre Eurorettungspolitik so nicht funktioniert."

In ihrem letzten Bericht aus dem Frühjahr begründete die DBRS ihr Rating Portugals mit der verbesserten außenwirtschaftlichen Leistungsbilanz; die Wirtschaft des Landes erhole sich, das Haushaltsdefizit schwinde. Doch die kanadische Agentur warnte auch: Das Wachstum müsse sich endlich beschleunigen, die Staatsverschuldung sinken.

Kurswechsel der neuen Regierung

Ein halbes Jahr später scheint es, als sei das Gegenteil eingetreten. Die Wirtschaft verliere an Schwung, urteilte der Internationale Währungsfonds (IWF) Ende September. Nach einem Wachstum von 1,5 Prozent im vergangenen Jahr dürfte der Wert dieses Jahr lediglich bei 1,0 Prozent liegen, für das kommende Jahr prognostizieren die Experten auch nur 1,1 Prozent. Die Exporte legen weniger stark zu als erwartet, auch weil der wichtige Abnehmer Angola unter dem niedrigen Ölpreis leidet.

Zudem hat sich die sozialistische Regierung zu einem Kurswechsel entschieden: Anders als ihre Vorgängerinnen setzt sie auf einen weniger radikalen Sparkurs und versucht mit Steuersenkungen und Lohnerhöhungen Konsum und Wachstum anzuregen. Die höheren Ausgaben will sie zum Beispiel mit einer Abgabe auf Softdrinks ausgleichen und mit einer neuen Steuer auf Immobilien, die mehr als 600.000 Euro wert sind.

Nach Jahren der verhassten Austeritätspolitik mögen sich viele Portugiesen über die Ausgabenlust ihrer Regierung freuen. Verfechter des Sparkurses sehen dagegen die Reformerfolge der vergangenen Jahre in Gefahr. "Es ist fraglich, ob die Regierung mit ihrer neuen Politik glaubwürdig bleibt", sagt Wirtschaftsexperte Mayer.

All das bringt die DBRS in eine seltsame Position: Sie ist ein guter Teil des Risikos geworden, das sie bewerten soll.

Auch wenn die Agentur stets ihre Unabhängigkeit betont - der politische Druck auf sie ist enorm. Daher verwundert es nicht, dass sie sich um eine eindeutige Entscheidung drückt. In ihrem jüngsten Bericht von Freitagnacht bewertet die DBRS portugiesische Staatsanleihen zwar weiter mit "BBB low". Auch den Ausblick behielt die Agentur bei "stabil". Als Grund nannte sie die Bemühungen Portugals, an den Regeln des gemeinsamen Euro-Währungsraums festzuhalten. Allerdings schreibt sie auch, Portugal stehe vor enormen Herausforderungen, etwa aufgrund der hohen Verschuldung des Landes und des niedrigen Wirtschaftswachstums.

Es bleibt also erst einmal bei der kuriosen Situation: Eine kleine, unbekannte Ratingagentur sichert die Stabilität der Währungsunion. Oder die Illusion davon.


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