Die Chancen von Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier auf das höchste Amt im Staat steigen daher. Laut SPD-Kreisen hat sich der Außenminister bereit erklärt, im dritten Wahlgang notfalls in eine Kampfabstimmung zu gehen. Nach der Absage von Lammert gilt auf Unionsseite Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als möglicher Gegner Steinmeiers.
"Steinmeier wäre ein guter Präsident", sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki dem SPIEGEL. "Wenn Schäuble der Unionskandidat ist, dann wähle ich auf jeden Fall Steinmeier", sagte Kubicki. Er könne sich nur schwer vorstellen, so der FDP-Vize, dass Schäuble eine Mehrheit der liberalen Stimmen in der Bundesversammlung bekomme. Die FDP verfügt in der Bundesversammlung über 33 Stimmen.
Auch in der Linkspartei - mit 94 Sitzen in der Bundesversammlung vertreten - teilen nicht alle die Ansicht von Parteichef Bernd Riexinger, der Steinmeier "unwählbar" genannt hatte. "Steinmeier ist nicht unser Kandidat", sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Er fügte jedoch hinzu: "Im Fall einer Kampfkandidatur kann ich mir vorstellen, im dritten Wahlgang eher einen Sozialdemokraten als einen Konservativen zu wählen."
Steinmeier bräuchte im dritten Wahlgang die Stimmen der Grünen und von Teilen der FDP und der Linken, um einen Kandidaten der Union zu besiegen. Selbst bei CDU und CSU gibt es viele, die sich Steinmeier gut als nächsten Präsidenten vorstellen können. Dennoch gibt es in der Union die grundsätzliche Erwartungshaltung, dass die CDU-Vorsitzende angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung einen Bewerber aus dem eigenen Lager vorschlägt. Müsste sie einem Kandidaten der Konkurrenz den Vortritt lassen, wäre es für Merkel ein denkbar schlechter Start ins Bundestagswahljahr.
Kampfabstimmung wäre keine Katastrophe
Allerdings wird eine Kampfabstimmung auch von Teilen der Union nicht als Katastrophe gesehen, selbst wenn Steinmeier daraus als Bundespräsident hervorgehen würde. "Die Politik muss sich nicht schämen angesichts der genannten Kandidaten Lammert, Schäuble und Steinmeier", sagte der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok dem SPIEGEL. "Es ist zweitrangig, ob der neue Bundespräsident als parteiübergreifender Kandidat aus der Bundesversammlung hervorgeht oder ob er das Ergebnis einer Kampfabstimmung wird."
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte ebenfalls erklärt, dass er sich eine Kampfabstimmung in der Bundesversammlung vorstellen kann. Zwar werde weiterhin nach einem überparteilichen Kandidaten gesucht. "Aber der Preis dafür darf nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein", sagte Oppermann der "Süddeutschen Zeitung". "Bevor es so kommt, sollten die Parteien besser jeweils ihre eigenen Kandidaten benennen." Eine Entscheidung erst im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit für einen Bewerber reicht, wäre "kein Schaden für die Demokratie".
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