Bartsch spielt damit auf die Möglichkeiten von Artikel 67 des Grundgesetzes an – auf ein konstruktives Misstrauensvotum. Der Bundestag kann mit einfacher Mehrheit der Bundeskanzlerin das Misstrauen aussprechen, wenn er zugleich einen Nachfolger wählt. Zwischen Antrag und Wahl müssen 48 Stunden liegen, der Zeithorizont von "nächster Woche" ist also realistisch. Doch ist das Vorhaben abgesehen von den Formalien wirklich denkbar?
Der Gedanke Bartschs ist nicht ganz neu. Vor zwei Tagen schrieb der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Schlecht, in einem Gastartikel für das "Neue Deutschland": "So ließe sich im Jahr vor der Bundestagswahl durch konkretes Regierungshandeln demonstrieren, wie segensreich ein Bündnis für die Menschen sein kann." Dies sei aus seiner Sicht die einzige Chance, "damit Rot-Rot-Grün auch aus der Bundestagswahl 2017 als Sieger hervorgeht", argumentiert Schlecht.
Tatsächlich fehlte einem solchen rot-rot-grünen Putsch die Legitimität. In allen Umfragen hätten SPD, Linkspartei und Grüne keine Mehrheit, wenn am Sonntag gewählt würde. Und so räumt auch Bartsch in der "Rheinischen Post" ein: Erst einmal müssten die Wähler "numerisch die Chancen für ein Mitte-Links-Bündnis geben". Auch er weiß: Aktuell seien diese Chancen zwar im Bundestag gegeben, jedoch durch keine Umfrage gedeckt.
"Nicht alles an der Agenda 2010 war schlecht"
Und so sind die wenigen Reaktionen, die es gibt, auch eher zurückhaltend. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter will nichts ausschließen, aber: "Wir Grünen bereiten uns auf Schwarz-Grün vor, wir bereiten uns auf Rot-Rot-Grün vor. Wir wissen, dass es immer schwierige Partner gibt - in einem Fall die CSU, im anderen Fall Teile der Linkspartei", sagte er n-tv. Und der SPD-Konservative Johannes Kahrs kommentiert bei Twitter einen Artikel zu Bartschs unmoralischem Angebot mit: "Doch nicht mit diesen Linken!"
Offensichtlich brauchen alle Beteiligten noch ein wenig Zeit und inhaltliche Annäherung, bevor es ernsthaft zu einem Bündnis kommen kann. Nur wenige Tage ist es her, dass sich rund 100 Bundestagsabgeordnete und Parteifunktionäre zu einem großen Kennenlernen zusammengesetzt haben. Allgemein wurde die gute und konstruktive Atmosphäre gelobt. Doch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann machte noch am selben Wochenende klar, dass "inhaltlich was passieren" müsse bei den Linken. Es gebe "zu Recht große Zweifel" an der Verlässlichkeit der Linken. Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte die Linken für "regierungsunfähig", solange sie nicht ihre Haltung zu Nato, Uno und durch internationale Mandate gedeckte Militäreinsätze kläre.
Bartsch bewegt sich in dieser Frage, so wie viele seiner Genossen, nicht: "Wo haben denn Bomben und Soldaten zu dauerhaftem Frieden geführt?", sagt er der "Rheinischen Post". An anderer Stelle macht er jedoch Zugeständnisse: "Nicht alles an der Agenda 2010 war schlecht", sagt er. Und erklärt, dass seiner Ansicht jedoch das "demütigende Hartz-IV-System" geändert werden müsse.
Dennoch: Der Satz ist ein Symbol. Die Reformen der Schröder-Ära haben die SPD damals gespalten, die Gründung der WASG und die Vereinigung mit der PDS wurden durch die Agenda 2010 befördert. Dass eine überwältigende Mehrheit der Linken und der SPD diese schmerzhafte Zeit nun verwunden hat, ist mehr als zweifelhaft.
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