„Der Arbeitsmarkt hat sich im Oktober gut entwickelt“, sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Durch die Herbstbelebung sei die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken. Die Zahl der Beschäftigten sei gleichzeitig weiter gestiegen und auch die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern habe nochmals zugelegt. Der Rückgang der Erwerbslosenzahlen im Herbst hat vor allem saisonale Gründe: Ausbildungsabsolventen finden oft erst nach den Sommerferien eine feste Stelle. Schulabgänger beginnen ein Studium und viele Firmen stellen erst nach den Werksferien neue Mitarbeiter ein.
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Doch im Oktober sank auch die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Erwerbslosenzahl. Im Vergleich zum September ging sie um 13.000 auf 2,662 Millionen Erwerbslose zurück. Das lag über den Erwartungen von minus 1000. Im Westen waren es knapp 6000 Jobsucher weniger, im Osten knapp 8000. Die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern ist nach wie vor hoch. Im Oktober waren 691.000 offene Stellen bei der BA gemeldet. Das waren 79.000 mehr als vor einem Jahr.
Ein Beleg, dass die Arbeitsmarktzahlen eine nachhaltige Entwicklung zeigen, ergibt ein Blick auf die Erwerbstätigkeit und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Diese sind im Vergleich zum Vorjahr weiter gewachsen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Erwerbstätigen (nach dem Inlandskonzept) im September saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 29.000 gestiegen. Mit 43,78 Millionen Personen fiel sie im Vergleich zum Vorjahr um 371.000 höher aus. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat nach der Hochrechnung der BA von Juli auf August saisonbereinigt um 34.000 zugenommen. Mit 31,46 Millionen Personen lag die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr um 474.000 im Plus.
Zu den 2,54 Millionen offiziellen Arbeitslosen gesellen sich jedoch knapp 966.000 Menschen, die sich in sogenannter Unterbeschäftigung befinden. In der Unterbeschäftigung werden zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des Sozialgesetzbuches gelten, weil sie Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung oder kurzfristig erkrankt sind. Kritiker bemängeln, dass die Statistik damit eigentlich eine weit höhere reale Arbeitslosigkeit ausweist. Sowieso spielt die Auslegung der Arbeitsmarktzahlen eine wichtige Rolle. Am 1. Januar 2005 in Kraft getreten, sorgt die Fusion von Arbeitslosenhilfe und Teilen der Sozialhilfe auch über zehn Jahre später noch für hitzige Debatten. Hartz-IV hat von Beginn an polarisiert. Es ist das letzte von vier Gesetzen, mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zum großen Befreiungsschlag am Arbeitsmarkt ausholte. Diese basierten auf den Vorschlägen einer von Schröder eingesetzten Kommission unter Leitung des damaligen Volkswagen-Personalvorstands Peter Hartz.
Die arbeitsmarktpolitische Auswirkung von Hartz IV bleibt ebenso umstritten. Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Institut stellt fest: Der Tenor der makroökonomischen Studien ist ein Beschäftigungseffekt, „der mal mehr, mal weniger positiv ausfällt“. Die Forscher sind jedoch geneigt, die Hartz-Reformen insgesamt als „großen Wurf zu bezeichnen, der den Arbeitsmarkt fast zur Gänze durchgerüttelt hat“. Die Forscher der Arbeitsagentur vom IAB stellen dank der Reformen eine „bessere Funktionalität des Arbeitsmarktes“ fest. Die Rendite der Reformen sei mittlerweile jedoch eingefahren. Zu den „Schattenseiten" gehöre die Frage nach der Qualität der Beschäftigung mit Blick auf den großen Niedriglohnsektor.
Die Frage nach der Qualität des deutschen Arbeitsmarktwunders hat in den vergangenen Jahren in der Tat hohe Wellen geschlagen. Neue Daten aus dem Sommer 2016 legen nun den Schluss nahe, dass die Warnungen von einer zunehmenden Prekarisierung unter den Beschäftigten nicht zutrifft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts, erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis im Jahr 2015 um rund 317 000 Personen auf 24,8 Millionen. Der Anteil dieser Beschäftigten an allen Erwerbstätigen legte um 0,4 Punkte auf 68,7 Prozent zu. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es lediglich 65,4 Prozent gewesen.
Unter einem Normalarbeitsverhältnis verstehen die Statistiker eine unbefristete Vollzeitstelle sowie Teilzeitarbeit mit einem Volumen von mehr als 20 Wochenstunden. In Abgrenzung dazu führt das Bundesamt auch die Entwicklung der atypischen Beschäftigung auf. Dazu zählen geringfügige Beschäftigung (Minijobs) genauso wie Zeitarbeit und geringe Teilzeit unter 20 Stunden in der Woche. Als Treiber für den Zuwachs der Normalarbeitsverhältnisse macht das Statistikamt vor allem den Zuwachs an Teilzeitarbeitsplätzen (mehr als 20 Stunden) aus. Von 2014 auf 2015 nahm die Zahl um 5,7 Prozent auf 3,4 Millionen zu. Davon sind 3 Millionen Frauen. Bei den Vollzeitstellen dominieren dagegen weiterhin die Männer. Die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse ist mit 7,5 Millionen nahezu gleich geblieben.
Die IG-Metall kritisiert dennoch den Drehtüreffekt, da fast jeder zweite in Arbeit vermittelte Hartz-IV-Bezieher nach spätestens sechs Monaten wieder zurück im Jobcenter war. Dort liegt heute die größte Herausforderung: Denn trotz Rekordbeschäftigung stagniert die Zahl der Langzeitarbeitslosen bei etwa 1 Million.
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