Noch vier Mal schlafen, dann ist Wahltag. FAZ.NET bringt Sie bis dahin weiter jeden Morgen auf den Stand der Dinge, in unserem täglichen „White House Briefing“.
Was gerade wichtig ist:
Am Donnerstag stand vor allem das späte Wahlkampf-Comeback einer Frau im Mittelpunkt, die seit einem unglücklichen Auftritt Mitte Juli zuletzt so gut wie gar nicht mehr in Erscheinung getreten war: Melania Trump, die Ehefrau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Ihre mit Spannung erwartete Ansprache in Pennsylvania, die erste seit ihrer Plagiatsrede auf dem Nominierungsparteitag in Cleveland, riss niemanden vom Hocker, richtete aber auch keinen größeren Schaden an.
Dass sich allerdings die Gattin eines Mannes, der via Twitter bisher noch jeden beleidigt hat, der ihm in die Quere kommt, ausgerechnet als Anwältin von Cybermobbingopfern in Szene zu setzen versuchte, wirkte dann doch ein wenig scheinheilig. „Wir müssen uns gegenseitig mit Respekt und Freundlichkeit begegnen, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind“, rief Melania Trump ihrem Publikum zu. Vielleicht waren diese gefühlvollen Worte ja eine versteckte Standpauke in Richtung Ehemann.
Dieser strahlt in den Tagen des Wahlkampf-Endspurts übrigens eine Energie aus, die selbst politische Gegner neidlos anerkennen müssen. Ausgesprochen munter jettet Trump von einem Auftritt zum nächsten, im Sport würde man von einer „zweiten Luft“ sprechen. Keine Frage: Die jüngsten Probleme seiner Kontrahentin (Rückkehr der E-Mail-Affäre, Zoff mit dem FBI etc.) scheinen bei ihm neue Kräfte freigesetzt zu haben.
Clinton dagegen scheint, obwohl sie bekanntermaßen auch über große Ausdauer verfügt, inzwischen mit letzter Kraft den Wahltag herbeizusehnen. Immerhin: Sie kann sich weiter auf namhafte Unterstützer verlassen, die fleißig für sie trommeln. Besonders lautstark dabei: Präsident Obama – was wiederum auch Trump nicht unbemerkt blieb. „Verlasse gerade Miami und sehe die Air Force One“, so der republikanische Kandidat via Twitter. „Wer kann das nur sein: Unser Präsident, der hier für die korrupte Hillary Wahlkampf macht.“ So viel zum Thema Respekt und Freundlichkeit.
Freitag ist traditionell „Enthüllungstag“ in diesem turbulenten Wahlkampf. Sollte es also noch irgendeine schmutzige Geschichte geben, die die eine Kampagne zum Schaden der anderen ans Tageslicht bringen will, wäre heute der ideale (und fast schon letzte) Zeitpunkt dafür. Gerüchte, dass beide Lager noch den ein oder anderen Pfeil im Köcher haben, halten sich beständig, müssen aber natürlich noch lange nicht stimmen.
Ansonsten bleibt interessant zu sehen, ob Trump es weiter schafft, „on message“ zu bleiben, also vor allem über Inhalte zu reden und sich nicht von Clinton und ihren Leuten provozieren zu lassen. Alle Versuche seiner Gegnerin in den vergangenen Tagen, zum Beispiel seine Sexismus-Skandale wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken, scheiterten mehr oder weniger deutlich.
Gegenwind für Trump kommt von anderen Seiten. Die Tatsache, dass ihn der Ku-Klux-Klan und andere rassistische Gruppen offen unterstützen, versucht seine Kampagne verzweifelt unter den Teppich zu kehren, dürfte aber durchaus weiter für Aufregung sorgen – zumal Trumps Sohn Eric am Donnerstag in sehr deutlichen Worten gegen die ehemalige KKK-Größe David Duke polterte: „Der Typ verdient eine Kugel“.
Die „New York Times“ nimmt sich derweil weiter Trumps Steuererklärungen und Geschäftsbilanzen vor. Neu enthüllte Zahlen zeigen offenbar, dass Trump hier und da mit Gewinnen prahlte, die gar nicht der Realität entsprachen.
Immer deutlicher kristallisiert sich etwa heraus, dass vor allem das Abstimmungsergebnis in North Carolina (wo die Umfragen derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhersagen) entscheidende Bedeutung haben könnte. Das führt dazu, dass sich die Kandidaten und ihre Unterstützer dort im Wahlkampfendspurt regelrecht die Klinke in die Hand geben. Viele im demokratischem Lager bezeichnen North Carolina schon als „checkmate state“, also den Staat, in dem Clinton Trump am Dienstag schachmatt setzen könne.
Das große Rechnen hat längst begonnen. Fest steht: Wenn Trump North Carolina nicht gewinnen kann, hat er so gut wie keine Chance auf den Gesamtsieg. Es sei denn, er holt gleich mehrere große Staaten, in denen er derzeit recht deutlich hinten liegt (Pennsylvania UND Wisconsin zum Beispiel). Natürlich könnte man aber auch Florida (derzeit Gleichstand) und Ohio (derzeit knappe Führung für Trump) als „Schachmatt-Staaten“ für Trump bezeichnen.
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