Trump und Israel: Frischer Wind für alte Freundschaft

  21 November 2016    Gelesen: 601
Trump und Israel: Frischer Wind für alte Freundschaft
Die Wahl Donald J. Trumps zum US-Präsidenten wird verbesserte Beziehungen der USA zu Israels Regierung zur Folge haben. War das Verhältnis zwischen Netanjahu und Obama noch extrem angespannt, wird Trump Israel zumindest nach außen den Rücken stärken.
Israel zählt zu jenen Ländern, in denen das Interesse am Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen am größten war und dessen Medien teilweise sogar den Eindruck erweckten, den Wahlen in den Vereinigten Staaten sogar noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken als der eigenen Innenpolitik.

Auf den ersten Blick mag dies auch kaum überraschen: Der jüdische Staat zählt seit Jahrzehnten zu den engsten und vor allem verlässlichsten Verbündeten der USA in der Welt. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig.
Sie beginnen mit den zahlreichen Verbindungen zwischen jüdischen Familien aus Europa, die infolge von Kriegen, Verfolgungen und des Holocaust in die USA geflohen waren, und jenen, die es geschafft haben, die Alija in die traditionellen jüdischen Heimstätten Palästinas oder später in den 1948 gegründeten Staat Israel zu vollziehen.

Sie setzten sich mit dem Kalten Krieg fort, als die USA mit Sorge die politische Hinwendung nationalistisch und sozialistisch regierter arabischer Staaten zur Sowjetunion wahrnehmen mussten und im Gegenzug Israel als deren gemeinsames Feindbild zum geopolitischen Partner machte.

Jerusalem erwies sich in weiterer Folge auch als sehr treuer Verbündeter. Im UN-Weltsicherheitsrat und in der UN-Generalversammlung, die erbitterte Gegner des umkämpften Staatswesens regelmäßig als Forum für Scherbengerichte gegen Israel nutzten, verhinderte Washington, wo immer dies möglich war, Verurteilungen, Sanktionen oder andere Maßnahmen gegen das Land. Im Gegenzug schraubte Israel die in den ersten Jahren seines Bestehens vorrangigen Beziehungen zu Frankreich zurück, die insbesondere im Bereich der militärischen Zusammenarbeit eine große Bedeutung hatten, und bauten stattdessen jene zu den USA aus.

Hatten die USA noch unter Präsident Eisenhower ihre Beziehungen zu Israel eher unter der Grasnarbe vonstattengehen lassen - insbesondere vor dem Hintergrund, die arabischen Länder nicht gegen sich aufbringen zu wollen -, wurde es zunehmend zum parteiübergreifenden Konsens in den Staaten, sich zum engen Bündnis mit Jerusalem zu bekennen. Gleichzeitig war das mythenumwobene amerikanisch-israelische Verhältnis weniger irgendwelchen Verschwörungen oder Lobby-Aktivitäten, sondern vor allem der Tatsache geschuldet, dass die wechselseitigen Interessen auf internationaler Ebene in den meisten Fällen deckungsgleich waren.

Mit Wahltaktik hatte dies lange wenig zu tun. Die jüdische Community in den USA, die sich auf einige wenige Bundesstaaten verteilt, war mehrheitlich stark säkularisiert, neigte progressiven Auffassungen zu und wählte mit großer Mehrheit die Demokraten. Dies gilt bis heute – ungeachtet der Tatsache, dass sich die jüdische Bevölkerung in Israel selbst in den letzten Jahrzehnten politisch eher nach rechts entwickelt hat.

Je größer in den USA jedoch die Bedeutung der weißen Evangelikalen für die Republikaner wurde - und zuletzt wählten mehr als 80 Prozent von ihnen Donald Trump -, umso bedeutsamer wurde eine stark israelfreundliche Politik auch für sie. Die Motive für diese sind, und das erklärt, warum sich der Zuspruch für die Republikaner in der jüdischen Community immer noch in Grenzen hält, jedoch regelmäßig solche, die gerade in dieser für Argwohn sorgen.

Viele Evangelikale sind Endzeitchristen, die jederzeit damit rechnen, dass sich biblische Prophezeiungen über das Ende der Welt, wie sie etwa in den Evangelien oder der Offenbarung des Johannes enthalten sind, erfüllen werden. Sie interpretieren tagespolitische oder geopolitische Entwicklungen in deren Lichte. Demnach lehnen nicht wenige von ihnen jede Friedenslösung im Nahostkonflikt ab, weil sie eine solche für einen Eingriff in den göttlichen Schöpfungsplan halten. Sie erwarten, dass ein großer Krieg in der Region die Schlacht von Armageddon heranrücken lassen könnte und dies zur Folge hätte, dass der Messias wieder zur Erde zurückkehrt, alle Juden ihn als solchen annehmen und damit am Ende der Welt zu Christen werden würden.

Da die politischen Erfolge der Republikaner stark davon abhängen, dass es ihnen gelingt, die Evangelikalen zur Wahlurne zu bringen, ist eine möglichst kompromisslose Unterstützung der Politik Israels für sie unabdingbar. Vizepräsident Mike Pence gehört der evangelikalen Community an und auch wenn er selbstverständlich nicht zu deren radikalen Endzeitpredigern gehört, betrachtet er die bedingungslose Unterstützung Israels nicht nur als politische, sondern auch als religiöse Pflicht.

Der religiös vergleichsweise weniger musikalische Präsident Donald J. Trump - er gewann die Stimmen der Tiefreligiösen nicht mit dem Versprechen, selbst ein glaubenstreuer Präsident zu sein, sondern deren Rechte zu schützen - nimmt den Nahostkonflikt hingegen vor allem als ein politisches Problem wahr. Seine Ambitionen gehen zum einen vor allem dahin, seinen Wählern im Wort zu sein und dies auch zu bleiben, zum anderen jedoch auch dahin, sich selbst außenpolitisch ein Denkmal als großer Erneuerer zu setzen.

Den Nahostkonflikt zu lösen und einen dauerhaften Frieden zu schaffen, das war ein Unterfangen, an dem George W. Bush ebenso gescheitert war wie später Barack Obama. Trump, der bereits zu "wirken" beginnt, bevor er überhaupt offiziell in sein Amt eingeführt wurde, hat jedoch mindestens vier und höchstens acht Jahre Zeit, um den Verhandlungsprozess wieder ins Laufen zu bringen.

Er wird dabei wie auch in den meisten anderen Bereichen eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers vollziehen. Mit diesem Ansinnen rennt er bei Premierminister Benjamin Netanjahu, den mit Obama ein Verhältnis tiefster wechselseitiger Abneigung verband, offene Türen ein.
Wie sich Beamte aus dem Umfeld Netanjahus gegenüber Medien wie "Al-Monitor" äußern, sieht Israels Regierungschef vor allem Gründe, die in der Person des scheidenden US-Präsidenten liegen, als ausschlaggebend für das zuletzt schlechte Verhältnis an, nicht einen entscheidenden Interessensgegensatz. Netanjahu misst dem ersten offiziellen Treffen mit Trump eine wesentliche Bedeutung bei – und er ließ verlauten, dass er glaube, zu Trump ein gutes Verhältnis entwickeln zu können.

Vieles an der zu erwartenden künftigen Außenpolitik Trumps mit Blick auf den Nahen Osten ist noch unklar. Es ist davon auszugehen, dass seine Politik des "America first" dazu führen wird, dass auch Israel seine Sicherheit vor allem in Eigenregie finanzieren soll, auf der anderen Seite wird Trump die Staatlichkeit Palästinas nicht anerkennen, bevor kein Frieden zwischen den Konfliktparteien geschlossen wurde.

Internationalem Druck auf Israel in Richtung der Anerkennung einer Zwei-Staaten-Lösung und Beendigung der Siedlungspolitik auf völkerrechtlich umstrittenem Boden wird sich der neue US-Präsident entgegenstellen. Auch wird er vieles daransetzen, selbst die Schirmherrschaft über mögliche Verhandlungen zu übernehmen und diese nicht europäischen Staaten zu überlassen, die sowohl er als auch die israelische Führung für unfähig und voreingenommen halten. Es gilt auch als sehr wahrscheinlich, dass Trump die Botschaft der USA in Israel nach Jerusalem verlegen wird, das Israels Regierung spätestens seit 1980 als unteilbare Hauptstadt betrachtet.

Trump hat bereits angekündigt, dass er mit Blick auf die Politik gegenüber dem Iran vor allem Israels Sicherheitsbedenken im Auge haben wird. Es ist davon auszugehen, dass er die Unterschrift der USA unter den Atomdeal, die Obama erteilt hatte, zurückziehen wird – allerdings kann er nicht in Eigenregie die Aufhebung der gegen den Iran verhängten Sanktionen rückgängig machen. Trump wird jedoch zusammen mit Israel an Strategien arbeiten, um zu verhindern, dass der Iran in den Besitz atomarer Waffen gelangt. Außerdem steht der designierte Präsident hegemonialen Ambitionen Teherans äußerst kritisch gegenüber.

Die konservative Publizistin Caroline Glick schrieb in einem Beitrag für die Plattform "Townhall", es sei davon auszugehen, dass Trump eher einen "Hands off"-Ansatz wählen wird, wie er die Reagan-Präsidentschaft kennzeichnete, im Gegensatz zur "Hands on"-Politik des scheidenden Amtsinhabers Obama. Trump sei als Geschäftsmann zwar ein erfahrener und geschickter Verhandler, seine fehlende politische Erfahrung werde jedoch dazu führen, dass Kabinettssekretäre und Berater starken Einfluss auf seine Nahostpolitik haben werden.

Donald J. Trumps Herangehensweise an den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenservertretungen wird sich bereits vom Narrativ her fundamental von jener unterscheiden, die man vonseiten Westeuropas, der Regierung Obama und deren Verbündeten in der Region von der Türkei bis hin zu den arabischen Staaten kennt - und die auch Israels Linke bevorzugt.

Deren Ansatz ging dahin, Israel und dessen Politik als die hauptsächliche Ursache für das Scheitern jedwedes Friedensplans auszumachen. Die Intifada und andere gewalttätige oder terroristische Bestrebungen aufseiten von Palästinensergruppen seien demnach lediglich eine Reaktion auf den Siedlungsbau und auf hartes Vorgehen israelischer Sicherheitskräfte. Die Palästinafrage sei entsprechend ein Schlüsselfaktor für die Stabilität der Region, und deren Lösung würde auch dem Terror den Boden entziehen.

Dieser Narrativ verniedlicht aus Sicht Israels jedoch die regelmäßigen terroristischen Übergriffe, denen sich die Bewohner des Landes tagtäglich ausgesetzt sehen. Willkürliche Messerattacken, Amokfahrer, die in Menschenmengen rasen und Raketenbeschuss durch Hamas-Splittergruppen werden aus Sicht vieler Menschen im jüdischen Staat in westlichen Medien verniedlicht und vonseiten palästinensischer Organisationen verherrlicht. Die Palästinensische Autonomiebehörde würde beispielsweise den Angehörigen von Terroristen, die bei Anschlägen gegen israelische Ziele getötet worden seien, besondere Sozialleistungen für Hinterbliebene von "Märtyrern" zukommen lassen. Radikale Islamisten sprechen Israel bis heute jedes Existenzrecht ab.

Das Kabinett Trump wird hingegen die Gewalt und den Terrorismus radikal-islamischer Gruppen und palästinensischer Extremisten als die Wurzel des Problems ansehen. Die islamistischen Extremisten würden sich mit einer Zweistaatenlösung nicht begnügen, sondern Israel insgesamt beseitigen wollen – wogegen Jerusalem das Recht habe, sich zu wehren. Der Lösungsansatz sei daher die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und des vom Iran als Staat gesponserten Terrors, der nicht nur Israel, sondern auch moderate arabische Staaten bedrohe.

In der Siedlungspolitik sei damit zu rechnen, dass Trumps Kabinett stillschweigende Übereinkommen mit Jerusalem treffen werde, um den Bau zu kanalisieren und Expansionen außerhalb bestehender Siedlungsblocks einzuschränken. Gleichzeitig würde die US-Regierung ihre Vorbehalte gegen die Siedlungspolitik nicht mehr so offen artikulieren wie zu Zeiten Obamas. Auf UN-Ebene würde Washington wieder gegen jedwede Initiativen stimmen, die Israels Politik verurteilen sollen.

Trump wird voraussichtlich eine Israelpolitik verfechten, die vor allem das Ziel verfolgt, den ihm politisch gewogenen Benjamin Netanjahu und dessen Koalitionsregierung nicht zu unterminieren. Gleichzeitig werden pro-israelische Vorfeldorganisationen wie AIPAC versuchen, im Kongress Unterstützer ihrer Sache zu finden. Dass dort die Republikaner ihre Mehrheiten verteidigen konnten, kommt ihnen entgegen.


Tags:


Newsticker