Der Sonderkoordinator der OSZE, Ignacio Sanchez Amor, beklagte ein "schnelles Abnehmen der Auswahl an Medien". Er bezog sich damit unter anderem auf die Polizeieinsätze in Ankara und Istanbul gegen kritische TV-Sender. Amor verwies auch auf Angriffe auf Parteimitglieder sowie die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Auch aus den USA kam deutliche Kritik. Das Weiße Haus sei "tief beunruhigt, dass Medienhäuser und einzelne Journalisten, die der Regierung kritisch gegenüberstehen, unter Druck gesetzt und eingeschüchtert wurden", sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in einem Telefonat hingegen "zur friedlichen Durchführung" der Wahlen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte. Die Kanzlerin habe positiv bewertet, dass der Ministerpräsident noch in der Wahlnacht erklärt habe, "die Polarisierung und Spannung in der türkischen Gesellschaft überwinden zu wollen".
Bei der Wahl errang Erdogans islamisch-konservative AKP die absolute Mehrheit im Parlament und kann nun wieder allein regieren. Das Ergebnis gilt als Erfolg für den Präsidenten, der seine Befugnisse per Verfassungsreform ausweiten will - dafür braucht er aber eine Zweidrittelmehrheit, also auch Unterstützung aus anderen Parteien. Er hatte die Neuwahl angesetzt, weil seine Partei nach der Parlamentswahl im Juni ihre absolute Mehrheit verloren hatte und keine Regierungskoalition zustande gekommen war. Bei einem Besuch in Istanbul sagte Erdogan am Montag, er habe stets eine Botschaft gehabt: "Eine Nation, eine Flagge, ein Land, ein Staat."
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu rief die Opposition auf, zusammen mit der AKP eine neue Verfassung auszuarbeiten. Die islamisch-konservative Regierungspartei strebt die Umstellung auf ein Präsidialsystem an, das Erdogans Vollmachten beträchtlich ausweiten würde.
Davutoglu warb in seiner Siegesrede für eine "zivile Verfassung, um die Putschverfassung zu überwinden". Die derzeitige Verfassung stammt noch aus der Zeit nach dem Militärputsch von 1980. Davutoglu stellte den Oppositionsparteien im Zuge der Beratungen ein reformiertes Wahlsystem in Aussicht. Derzeit gilt in der Türkei eine im internationalen Vergleich sehr hohe Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament.
Die prokurdische HDP schnitt bei der Wahl am Sonntag deutlich schlechter als Juni ab, kam aber erneut knapp über die Zehn-Prozent-Hürde. Bei der vorigen Wahl hatte die Partei, die es damals zum ersten Mal ins Parlament schaffe, der AKP entscheidende Sitze abgenommen. Die säkularistische Partei CHP erreichte am Sonntag als stärkste Oppositionskraft gut 25 Prozent, die nationalistische MHP kam auf zwölf Prozent.
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