Studie: Inklusion an deutschen Schulen kommt zu langsam voran

  21 September 2015    Gelesen: 672
Studie: Inklusion an deutschen Schulen kommt zu langsam voran
In Deutschland sitzen immer mehr behinderte und nicht behinderte Schüler zusammen in einer Klasse, zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Dennoch klappt die Inklusion in einigen Schulformen wesentlich schlechter. Und auch zwischen den Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede.
Jeder soll von jedem lernen – egal ob behindert oder nichtbehindert: So lautet das Prinzip der Inklusion. Seit 2009 gilt in Deutschland eine UN-Vereinbarung, derzufolge Kinder das Recht haben, trotz einer Behinderung auf eine reguläre Schule zu gehen.

Vor allem Grundschulen und Kitas setzen diesen Grundsatz inzwischen um, zeigt nun eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Ihr zufolge stieg die Inklusionsquote innerhalb von fünf Jahren bis zum Schuljahr 2013/2014 um über 70 Prozent. Damit gehen heute bereits mehr als 31 Prozent der Schüler mit Förderbedarf auf eine Regelschule. Das ist der höchsten Wert seit Inkrafttreten der UN-Konvention.

Grundschulen weiter als Gymnasien

Dennoch, so zeigt die Studie, hat sich die Situation für Kinder und Jugendliche mit Handicap noch längst nicht durchgängig verbessert. Der Schüleranteil an Förderschulen ist kaum gesunken. Zudem sind im bundesweiten Vergleich die Chancen auf auf Inklusion enorm unterschiedlich.

Je nach Schulform differiert sie besonders stark. Vor allem in der Sekundarstufe wird Inklusion noch immer kaum umgesetzt. "Inklusion in Deutschland macht Fortschritte", sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, "zum gemeinsamen Lernen ist es aber noch ein weiter Weg."

Während der Inklusionsanteil in deutschen Kitas 67 Prozent und in den Grundschulen knapp 47 Prozent beträgt, fällt er in der Sekundarstufe auf knapp 30 Prozent. Von den rund 71.000 Förderschülern in den Schulen der Sekundarstufe geht der Großteil jedoch auf Hauptschulen und Gesamtschulen. Vor allem bei zwei Schulformen ist das Tempo bei der Inklusion wesentlich geringer: Lediglich jeder Zehnte besucht eine Realschule oder das Gymnasiun.

Deutschland bleibt Flickenteppich

Die Ungleichheit setzt sich auch regional fort: Bremen etwa zählt mit einem Inklusionsanteil von rund 69 Prozent zu den Spitzenreitern bei der Teilhabe am regulären Unterricht. In Hessen dagegen liegt er bei unter 22 Prozent. "Mit Blick auf die Inklusion gleicht Deutschland einem Flickenteppich", sagt Dräger. Um so wichtiger seien die positiven Beispiele von Schulen, die zeigen, dass gemeinsamer Unterricht machbar ist und für alle Beteiligten etwas bringt - auch, um zweifelnde Lehrer zu überzeugen.

Die Bertelsmann-Stiftung plädiert darum für ein größeres finanzielles Engagement der Bundesländer. "Zu oft scheitert gemeinsames Lernen an mangelhafter Infrastruktur und unzureichender Ausbildung der Lehrer", sagt Dräger. Dies gelte umso mehr, weil bei immer mehr Schülern in Deutschland ein sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert wird.

Nicht nur bei der Inklusion gibt es noch Nachholbedarf. Zahlreiche Menschenrechtsverbände hatten im Juni die Bundesregierung scharf kritisiert, weil sich allein Deutschland mittlerweile gegen eine EU-weite Richtlinie gegen Diskriminierung jeglicher Art sperrt. Indem sie die von der Europäischen Union geplante Richtlinie blockiert, nehme die Bundesregierung hin, dass etwa Menschen mit Behinderungen in vielen Ländern Europas der Zugang zu Geschäftsräumen verwehrt werden kann, so die Kritiker.

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