Das hat ihm Schröder wirklich übelgenommen.
Aber wer wüsste besser als der Altkanzler, dass selbst große Politiker nicht frei von Fehl und Tadel sind. Und so bekam Gabriel eine zweite Chance: Nicht nur in der SPD, deren damaliger Vorsitzender Franz Müntefering ihm 2005 zum Comeback als Bundesumweltminister verhalf - sondern auch bei Schröder.
Mehr als ein Jahrzehnt ist seitdem vergangen. Und es sieht so aus, als wären sich die Niedersachsen Schröder und Gabriel in diesen Jahren wieder sehr nahe gekommen.
Gabriel hat seine zweite Chance genutzt. Er ist SPD-Chef, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister. Nun steht er vor dem nächsten Schritt seiner Karriere: der Kanzlerkandidatur. Einiges spricht dafür, dass Gabriel sich längst dazu entschieden hat. Oder zögert er doch? Erst Ende Januar soll die Entscheidung in der K-Frage verkündet werden.
Gabriel weiß, dass er nicht unumstritten in der SPD ist, kennt seine mauen Popularitätswerte, die Vorbehalte. Und er sieht, wie viel besser Martin Schulz - Noch-Präsident des Europäischen Parlaments - Umfragen zufolge bei den Bürgern als alternativer SPD-Kanzlerkandidat ankommt.
Aber auf einen könnte sich Gabriel jederzeit verlassen, falls er die direkte Auseinandersetzung mit CDU-Amtsinhaberin Angela Merkel wagt: Gerhard Schröder.
Schröder soll ihm zur Kanzlerkandidatur geraten haben
Der 72-Jährige hat ihm, so berichtete die "Bild"-Zeitung, im persönlichen Gespräch zur Kandidatur geraten. Er traut ihm zu, gegen Merkel zu bestehen - und ihren Job zu machen: "Sigmar Gabriel ist dem Amt des Bundeskanzlers physisch und psychisch gewachsen". So zitieren ihn die Gabriel-Biografen Christoph Hickmann und Daniel Friedrich Sturm in ihrem kürzlich erschienen Buch. Schröder sagt: "Wenn er kandidiert, werde ich ihn selbstverständlich dort unterstützen, wo das gewünscht ist."
Öffentlich gibt Schröder seine Präferenz nicht zu erkennen. Vielleicht hat er daraus gelernt, was vor fünf Jahren passierte, als sich erst der damals noch lebende Altkanzler Helmut Schmidt und dann Schröder für die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück aussprachen. Am Ende wurde die K-Frage übereilt entschieden, die Steinbrück-Kampagne startete chaotisch und endete erfolglos.
Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Schröder hat Gabriels Talent früh erkannt und setzte bald auf ihn. Schon mit 38 durfte er die SPD-Landtagsfraktion in Hannover anführen, nach seiner ersten Rede in dieser Rolle, einem fulminanten Auftritt, soll Schröder intern gesagt haben: "A star is born". In Gabriel, 15 Jahre jünger als Schröder, erkannte dieser wohl eine Menge von sich selbst: politische Rauflust, Freude an der Zuspitzung, eine gewisse Ruchlosigkeit. Man könnte es auch Machtwillen nennen. Zudem ähneln sich die Biografien, wobei Schröder aus noch kleineren Verhältnissen als Gabriel stammt.
Schröder hat es sich nicht nehmen lassen, die Gabriel-Biografie vor einigen Wochen höchstpersönlich vorzustellen. "Mein Vertrauen hat er", sagte er bei diesem Anlass.
Das Wort des Altkanzlers zählt immer noch eine Menge
Dagegen scheint es vielen Bürgern an Vertrauen in Gabriel zu mangeln, auch das zeigen Umfragen. Deshalb könnte ihm Schröder für den Wahlkampf gegen Merkel eine große Hilfe sein. Trotz seiner zweifelhaften Geschäftsaktivitäten wird der Altkanzler von den Deutschen hochgeschätzt, sein Wort zählt etwas im Lande. Erst vor wenigen Tagen riet er seiner Partei in der "Wirtschaftswoche", sich die rot-rot-grüne Option für die Bundestagswahl offenzuhalten: Gabriel würde es enorm helfen, wenn Schröder den Deutschen im Wahlkampf die Angst vor einem Linksbündnis nimmt - wohl die einzige Option, um Merkel abzulösen.
Der Vizekanzler sucht schon seit geraumer Zeit den Rat Schröders vor wichtigen Entscheidungen. Die beiden treffen sich in unregelmäßigen Abständen, telefonieren häufig. Unlängst hat der Altkanzler Wirtschaftsminister Gabriel sogar richtig aus der Patsche geholfen: Erst die Schlichtung durch Schröder und den Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, brachte die festgefahrenen Verhandlungen über die Rettung der Arbeitsplätze bei Kaiser`s Tengelmann zu einem guten Ende.
Gabriel hat wiederum dafür gesorgt, dass Schröder und seine Partei sich wieder annähern: Im vergangenen Dezember sprach der Altkanzler zum ersten Mal seit acht Jahren auf einem Bundesparteitag. Seitdem trat Schröder vermehrt auf SPD-Veranstaltungen auf, zuletzt mit Gabriel auf einem Industriekongress in Düsseldorf.
Schröder könnte Gabriels bester Mann sein. Jetzt muss der SPD-Chef nur noch antreten.
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