Unterdessen zeichnet sich ab, dass die Evakuierungsmission in den weitgehend zerstörten Rebellengebieten Ost-Aleppos noch Tage dauern könnte. Das Drama um Aleppo überschattete den EU-Gipfel, bei dem unter anderem auch Beschlüsse zur Steigerung der Verteidigungsausgaben und längere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise fielen.
Während Merkel dem UN-Sicherheitsrat Versagen vorwarf, forderte Frankreichs Präsident François Hollande: "Die Zivilbevölkerung muss Aleppo verlassen können, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen. Es sind noch 50.000 eingeschlossen." Hollande machte auch deutlich, dass für ihn auch Sanktionen gegen Russland wegen seiner Rolle im Syrien-Konflikt denkbar sind.
Bürgermeister Ost-Aleppos beim EU-Gipfel
Der Bürgermeister des umkämpften Ostteils der Stadt, Brita Hagi Hasan, warnte die Staats- und Regierungschefs vor den Folgen unterlassener Hilfe für die eingeschlossenen Menschen: "Sie sind kurz davor massakriert zu werden." Angesichts der Kriegsgräuel will die EU nach eigenem Bekunden alle verfügbaren diplomatischen Kanäle nutzen, um die Not der Menschen zu lindern.
"Uns ist das Leiden nicht egal", sagte Ratspräsident Donald Tusk. Ziel seien humanitäre Korridore nach Ost-Aleppo, freier Zugang für Helfer und eine Evakuierung unter internationaler Aufsicht. Tusk gestand allerdings ein, dass "wir nicht so effektiv sind, wie wir es gerne wären". Er hatte den Bürgermeister von Ost-Aleppo zum Gipfel geladen, um "die Stimme der Menschen von Aleppo zu hören, zumindest auf diese symbolische Weise". Merkel nannte dessen Bericht sehr deprimierend.
Bundespräsident Joachim Gauck hat der internationalen Gemeinschaft schwere Versäumnisse vorgeworfen und ihr eine Mitverantwortung an den Gräueln des syrischen Bürgerkriegs gegeben. Die "Mechanismen der internationalen Ordnung" hätten kläglich versagt, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Sie müssten aber "jetzt und künftig greifen, wenn wir nicht zusehen wollen, wie immer wieder Zivilisten massakriert, verletzt, vertrieben werden". Dazu gehöre auch, dass "alle, die solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie in Syrien begangen haben, sich für ihre Taten verantworten müssen".
Evakuierung läuft schleppend
Laut Augenzeugen warteten am Freitagmorgen Tausende bei Wintertemperaturen auf Busse, die sie aus der Stadt bringen sollen. "Das Problem ist, dass nicht viele Busse kommen", sagte Ibrahim al-Hadsch von der Rettungsorganisation Weißhelme.
Über die Zahl der Menschen, die schon evakuiert wurden, gibt es unterschiedliche Angaben. Laut dem russischen Verteidigungsministerium haben in den letzten 24 Stunden mehr als 6000 Menschen Ost-Aleppo verlassen. Darunter seien auch 3000 Aufständische, berichtet die Agentur RIA. Der Abzug der Rebellen halte an.
Vom türkischen Außenministerium hieß es, fast 8000 Zivilisten hätten die bisher von Rebellen gehaltenen Stadtteile inzwischen verlassen. Am Donnerstag hatte es noch aus syrischen Militärkreisen geheißen, dass allein an diesem Tag 15.000 Menschen die Stadt verlassen sollten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte erklärt, die Evakuierung könne noch Tage dauern.
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