Obdachlose werden immer wieder Opfer von Gewalt. Das zeigt auch ein kurzer Überblick über die Fälle aus dem Jahr 2016: Sie wurden ins Gesicht getreten, mit einem Hammer geschlagen, angezündet, mit einem Baseballschläger gegen den Kopf geschlagen und mit Silvesterraketen beschossen. "Es ist ein weites Spektrum an Gewalttaten", sagt der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W), Thomas Specht. "Extrem grausam" seien die Taten.
Die BAG W wertet jährlich Presseberichte aus und führt mit den so gewonnenen Daten eine Statistik über Gewalttaten, die sich gegen Obdachlose richten. 52 Fälle von Körperverletzung hat sie 2016 gezählt, acht Obdachlose starben in dem Jahr sogar durch Gewalt. Die Werte sind ähnlich hoch wie in den Jahren zuvor. "Für manche Menschen sind Obdachlose Freiwild", sagt Specht.
Feindliche Einstellung
Der Grund seien oft Ressentiments gegen die Obdachlosen: "Sie sind eine der am wenigsten angesehenen Gruppen der Gesellschaft." Sozialwissenschaftler sprechen von "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Eine aktuelle Untersuchung zeigt: 19,4 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, die meisten Obdachlosen seien "arbeitsscheu". Dass bettelnde Obdachlose "aus den Fußgängerzonen entfernt werden" sollen, fand mehr als ein Drittel richtig.
Ein eindeutiges Täterprofil kann die BAG W aber nicht erkennen. Meistens seien die Gewalttäter männlich und unter 30 Jahren alt, in der Regel seien es Einzeltäter, sagt Geschäftsführer Specht. Nachdem im Dezember in Berlin junge Flüchtlinge einen Obdachlosen angezündet hatten, wurde Gewalt gegen Obdachlose zum Teil zu einem durch Flüchtlinge verursachtes Problem gemacht.
"Das ist völliger Blödsinn", widerspricht Statistiker Specht. Was sich aber mit Zahlen belegen lässt: Immer wieder werden Obdachlose Opfer rechter Gewalt. So waren von den 179 Menschen, die laut der Amadeu Antonio Stiftung seit 1990 von Neonazis umgebracht worden sind, 25 obdachlos.
Irgendwo sicher schlafen
Dadurch, dass sie meist ungeschützt auf der Straße schlafen, werden Obdachlose aber auch leichter Opfer von gewöhnlicher Kriminalität und Raubüberfällen. "Der Räuber kommt schneller an sein Geld, wenn er nicht erst in ein Haus einbrechen muss", sagt Specht.
Die permanente Gefahr bedeutet für die Obdachlosen Stress, erzählt der Hamburger Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff. Er sucht für die Diakonie Menschen ohne Wohnung an ihren Schlafplätzen auf und hört sich ihre Sorgen an. Vor allem nachts seien die Obdachlosen gefährdet, weswegen sie nur selten durchschlafen würden: "Man hat meistens ein Auge auf und zuckt bei jeder Bewegung zusammen", sagt Graßhof.
Um geschützt vor Übergriffen zu sein, würden Obdachlose ihren Schlafplatz mit Bedacht wählen. Einerseits bedeute Publikumsverkehr, dass man gestört werden kann. Andererseits sei es besonders gefährlich, an dunklen Ecken zu schlafen: "Die sicherste Platte ist die, auf der man in Ruhe gelassen wird und trotzdem nicht unbeobachtet ist."
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