Was Sie über das NPD-Verbotsverfahren wissen müssen

  17 Januar 2017    Gelesen: 685
Was Sie über das NPD-Verbotsverfahren wissen müssen
Das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD steht vor dem Ende: Am Dienstag verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil. Wie realistisch ist ein Verbot? Welche Hürden gibt es? Die wichtigsten Fakten.
Die Richter am Bundesverfassungsgericht haben sich Zeit gelassen. Nach monatelangen Beratungen verkündet der Zweite Senat am heutigen Dienstag seine Entscheidung über ein Verbot der rechtsextremen NPD. Der Druck, der auf dem Verfahren lastet, ist groß: Zum einen sind die Hürden für ein Parteiverbot hoch. Zum anderen ist bereits ein Versuch, die NPD zu verbieten, gescheitert. Bis zuletzt ist auch in diesem Verfahren unklar, ob die vorgetragenen Beweise reichen werden.

Worum geht es?

Der Bundesrat will die rechtsextreme NPD vom Bundesverfassungsgericht verbieten lassen. Aus Sicht der Länder ist die Partei eine Gefahr für die demokratische Grundordnung. Mit ihrer Beweissammlung wollten sie belegen, dass die Nationaldemokraten von einem menschenverachtenden und rassistischen Weltbild geprägt sind.

Das Verbotsverfahren ist allerdings umstritten. Kritiker verweisen unter anderem auf den desolaten Zustand der Partei und ihre vermeintliche Bedeutungslosigkeit. Zudem argumentieren sie, dass ein Parteiverbot nichts an der Ausbreitung rechtsradikaler Ideologien ändern könne. Eine Demokratie müsse auch ihre Feinde aushalten. Viele fürchten zudem, dass ein Scheitern des Antrags zu einem Wiedererstarken der Partei führen könnte.

Es ist bereits der zweite Versuch, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen. 2003 scheiterte ein gemeinsamer Antrag von Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung am Einsatz von V-Leuten in der Partei. Die Richter am Bundesverfassungsgericht kritisierten, es sei nicht mehr genau festzustellen, welche Äußerungen der NPD und welche dem Staat zuzuordnen seien. Dieses Mal beteuerten die Innenminister, dass das Beweismaterial frei von Informationen von V-Leuten sei.

Wie lief das jetzige Verfahren ab?

Im Dezember 2013 stellten die Bundesländer den Verbotsantrag, zwei Jahre später eröffnete der zuständige Zweite Senat das Hauptverfahren. Die Richter zeigten sich davon überzeugt, dass der Verbotsantrag der Bundesländer ausreichend begründet ist und keine Hindernisse vorliegen.

Bei der mündlichen Verhandlung im März befragten die Richter unter anderem Innenminister, Verfassungsschützer und Polizisten zur NPD, auch Parteifunktionäre gaben Auskunft. Die Richter fragten mehrmals skeptisch nach: Ob es nicht konkrete Hinweise auf einen belegbaren "Zusammenhang zwischen Programmatik und Gewalt" geben müsse? Was genau ein "Klima der Angst" bedeutete? Zugleich arbeiteten sie heraus, dass Fassade eben Fassade bleibt - und dass ein rassistisches Weltbild und Verachtung für die Demokratie nach wie vor wesentliche Bestandteile der NPD sind. Auf die Gutachten zur Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP gingen die Richter hingegen kaum ein, obwohl dies eines der Kernargumente des Bundesrats ist.

In Deutschland sind die Hürden für ein Parteiverbot sehr hoch - der Staat soll sich so nicht einfach unliebsamer Gegner entledigen können. Eine Partei darf deshalb nur verboten werden, wenn sie "darauf ausgeht", die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Dass die NPD menschenverachtend, rassistisch, antisemitisch und verfassungsfeindlich ist, stellt kaum jemand in Frage. "Reine Überzeugungen genügen nicht, um eine Partei zu verbieten", sagen auch die Antragsteller. Entscheidend dürfte deshalb sein, wie bedeutend die Partei ist - anders: Ob sie ihr Programm auch verwirklichen und dem Staat so gefährlich werden kann.

Die Richter in Karlsruhe müssen auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigen. Die Straßburger Richter haben in vergangenen Verfahren strengere Kriterien für ein Parteiverbot formuliert, zum Beispiel, dass eine akute Gefahr der Verfassung vorliegen muss. Das bedeutet, dass die Partei "das reale Potenzial" haben müsste, die Macht zu ergreifen. Allerdings berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch nationale Begebenheiten und in gewissem Maße historische Gründe, die für ein Verbot der Partei sprechen.

Wie stehen die Chancen für Verbot der NPD?

Der Ausgang des Verfahrens ist kaum abzusehen. Seit der mündlichen Verhandlung im März ist aus den Beratungen kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen. Es gibt allerdings Hinweise, die auf ein Scheitern des Verbotsantrags deuten. Dabei geht es vor allem um die Frage der Bedeutung der Partei: Prozessbeobachter haben Zweifel, dass es den Bundesländern gelungen ist, nachzuweisen, dass die NPD den Staat bedroht. Auch Bundesregierung und Bundesländer gehen Berichten zufolge nicht von einem Erfolg des Antrags aus.

Die Entscheidung für das Parteiverbot muss der Zweite Senat außerdem mit einer Zweidrittel-Mehrheit treffen. Da einer der Richter, Herbert Landau, im vergangenen Jahr die Altersgrenze von 68 Jahren erreicht und aufgehört hat, entscheiden in diesem Prozess nur sieben statt acht Richter über das Urteil - zwei Nein-Stimmen würden bereits genügen, um den Antrag abzulehnen.

Wie geht es nach dem Urteil weiter?

Lehnen die Richter den Verbotsantrag ab, wäre das eine herbe Niederlage für die Länder. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung in naher Zukunft noch einmal einen Anlauf wagen. Die NPD hingegen dürfte diesen Ausgang als Erfolg feiern und versuchen, Profit daraus zu schlagen.

Im Falle eines Verbots müssten - zumindest in der Theorie - alle Geschäftsstellen der NPD geschlossen werden. Das Vermögen würde vom Staat beschlagnahmt, die Abgeordneten würden ihre Mandate verlieren. Die Funktionäre dürften keine Ersatzorganisation gründen. Allerdings hat die NPD bereits angekündigt, im Falle eines Verbots vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen. Hätte die NPD mit ihrer Klage gegen ein Parteiverbot in Straßburg Erfolg, wäre dies eine herbe Niederlage für den Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht.© SPIEGEL ONLINE


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