Auf der Suche nach der richtigen Formel

  08 Februar 2017    Gelesen: 764
Auf der Suche nach der richtigen Formel
CDU und CSU haben längst nicht in allen Punkten Frieden geschlossen. Auch die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz kommt wieder auf. Und dann gibt es noch die Frage, wie Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD in Schach gehalten werden kann.
Den Führungen von CDU und CSU stehen bei der Vorbereitung eines gemeinsamen Wahlprogramms Beratungen über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes bevor. Dies ergibt sich aus der „Münchner Erklärung“, die nach der Klausurberatung von Spitzenpolitikern beider Parteien veröffentlicht wurde. In dem Text findet sich eine ursprünglich vom CDU-Generalsekretär Peter Tauber erhobene und dann in einen CDU-Parteitagsbeschluss gegossene Forderung aus dem Jahr 2015 wieder, die zunächst auf Widerspruch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder gestoßen war. Tauber fordere ein „Einwanderungsgesetz“, hieß es damals.

Im Abschnitt „Flucht und Einwanderung“ der „Münchner Erklärung“ heißt es nach Hinweisen auf die niedrige Geburtenrate in Deutschland und Fluchtbewegungen in der Welt: „Zusätzlich braucht Deutschland ein Regelwerk zur Steuerung von Einwanderung, denn Deutschland muss künftig auch verstärkt auf Fachkräfte aus dem Ausland setzen, um den Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu decken.“ Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer habe, hieß es, der Formulierung mit dem Hinweis zugestimmt, die CSU trete für ein „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“ ein. In der CDU ist hingegen von einem „Einwanderungsgesetz“ die Rede.

Seehofer und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel machten bei der Präsentation der „Münchner Erklärung“ von dieser Ankündigung keinen Gebrauch. Sie setzten ihre Auseinandersetzung über eine „Obergrenze“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen fort. „Die Frage der Ablehnung der Obergrenze ist ja eine Frage, über die ich schon oft gesprochen habe. Ich habe nicht die Absicht, hier die Position zu ändern“, sagte Merkel bei dem gemeinsamen Auftritt in der CSU-Parteizentrale, dort also, wo die Leute geradewegs das Gegenteil anstreben.

Nur mündlicher Austausch über Umgang mit Differenzen

Seehofer, der Gastgeber des „Zukunftsgipfels“, blieb bei seinen Ankündigungen vom Dezember. Gleich mehrfach hatte er in einem Fernsehinterview die „Garantie“ abgegeben, dass es zu einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen kommen werde – sofern die CSU an der nächsten Bundesregierung beteiligt sei. „Ja, wie geben die Garantie der Bevölkerung, dass in die Bundesrepublik Deutschland jährlich etwa 200000 Menschen kommen können, als Bürgerkriegsflüchtlinge, als Asylbewerber.“ Einen – den Besonderheiten eines Live-Interviews geschuldet – grammatikalisch ungereimten Satz fügte er an: „Wir garantieren der Bevölkerung für den Fall, dass wir uns an einer Regierung beteiligen können – zunächst muss ja die Bevölkerung entscheiden, ob dies möglich ist – werden wir der Bevölkerung garantieren, dass wir dafür sorgen, dass dies in die Regierungspolitik Einzug hält für die nächste Legislatur.“

Sieben Wochen lagen zwischen den beiden Aussagen. Den beiden Parteivorsitzenden und auch ihren Generalsekretären war es nicht gelungen, vor dem Treffen, welches der Ausrufung und Präsentation Merkels als gemeinsame Kanzlerkandidatin dienen sollte, eine Formel zu finden, wie die Differenz nach der Bundestagswahl aufgelöst werden könnte, wenn es um die Formulierung eines Koalitionsvertrages gehen sollte.

In der „Münchner Erklärung“ wurde der Konflikt nicht einmal erwähnt. Allenfalls aus dem Satz „Wir sind zwei eigenständige Parteien mit vielen gemeinsamen und manchen unterschiedlichen Positionen“ kann er herausgelesen werden. Doch wurde keine Formel niedergeschrieben, wie mit der Differenz im Wahlkampf umzugehen sei. Merkel und Seehofer versuchten, das mündlich zu tun. Seehofer sagte: „Nun habe ich zum Zusammenhang Regierungsbeteiligung und unserer Überzeugung eine Aussage gemacht; zu der stehe ich auch. Und ich habe aber heute schon in anderer Besetzung gesagt, das wiederhole ich jetzt nicht jeden Tag und jede Woche.“

Merkel sagte: „Zu diesem Dissens haben wir festgelegt, dass wir die Positionen respektieren, aber wir haben den auch nicht zugekleistert. Ich finde, das ist auch richtig und würde auch nicht gelingen, und insofern müssen wir mit dieser Situation umgehen, aber eben gleichzeitig auch die vielen Gemeinsamkeiten zeigen, die es unbestrittenerweise, wenn man die gestrige Diskussion von über fünf Stunden verfolgt, gibt.“

Vorgänge des Jahres 2015 dürften sich nicht wiederholen
Als prozedurale Lösung ist nun vorgesehen, dass die Angelegenheit im gemeinsamen Wahlprogramm der beiden Parteien auf den Hinweis reduziert wird, die Vorgänge des Jahres 2015 dürften sich nicht wiederholen. Seehofer sagte, das sehe auch Merkel so. Merkel bestätigte das. „Ich habe auf unseren Beschluss in der CDU hingewiesen, dass wir, die CDU, ja genauso der Meinung sind, das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen“, sagte sie.

In den beiden Parteiführungen wurde darauf verwiesen, auch bei der vergangenen Bundestagswahl habe es Differenzen zwischen CDU und CSU gegeben – vor allem über die Forderung der CSU, eine Autobahnmaut für Ausländer einzuführen. Die hatte Seehofer und sein damaliger Generalsekretär Alexander Dobrindt verlangt. Merkel widersprach. Die „Maut für Ausländer“ kam dann in einen sogenannten Bayernplan, den die CSU wegen der bayerischen Landtagswahl formuliert hatte, die kurz vor der Bundestagswahl abgehalten wurde. Merkels Diktum lautete: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“

Bei seinen Garantie-Erklärungen nun kürzlich im Dezember hatte Seehofer ausdrücklich einen Vergleich zwischen „Obergrenze“ und „Maut“ gezogen. „Wie bei der Maut, ja“, sagte er zufrieden, weil diese ins Bundesgesetzblatt kam und über die es nun sogar eine Übereinstimmung mit der Europäischen Kommission gibt. Merkel wollte den Vorwurf, sie sei bei der Maut eingeknickt – mit der Schlussfolgerung, das werde ihr auch bei der Obergrenze widerfahren – nicht auf sich sitzen lassen. Sie habe damals, kurz vor der Bundestagswahl, auch gesagt, eine Maut müsse Europa-kompatibel sein und dürfe nicht zu einer Mehrbelastung der deutschen Autofahrer führen. Beide Voraussetzungen seien erfüllt worden.

Erstarken der SPD spielt in Umfragen bei Unionsberatungen keine Rolle
„Orientierung geben – Zukunft sichern – Erfolgreich für die Menschen in Deutschland“ lautet der Titel der „Münchner Erklärung“. Der fünf Seiten lange Text ist kein Wahlprogramm; nicht einmal dessen Kurzfassung. In allgemein gehaltener Form wurden geistige Grundlagen der Unionsparteien aufgeschrieben. „CDU und CSU sind Volksparteien. Uns verbindet das christliche Menschenbild, das gemeinsame Wertefundament und das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Unsere Wurzeln sind christlich-sozial, liberal und konservativ.“ Und: „Wir wollen, dass Angela Merkel weiter Bundeskanzlerin bleibt.“

Koalitionspolitische Präferenzen enthält der Text nicht. Doch könnte je nach Verlauf des Wahlkampfes könnte dieser Satz in der gemeinsamen Erklärung politisches Gewicht bekommen: „Durch unsere gemeinsame Stärke können wir die Bildung einer rot-rot-grünen Bundesregierung verhindern.“ Freilich wird in der Union auch gesagt, ein „rot-rot-grünes Bündnis“ stelle in der Bevölkerung nicht mehr das „Schreckgespenst“ vergangener Jahre dar. In seinem Eingangsstatement am Montag in München trug Seehofer die Formel vor. Merkel tat das in ihrem Eingangsstatement nicht.

Dem Vernehmen nach spielte das Erstarken der SPD in den Umfragen bei den Beratungen der Union keine größere Rolle. Angesichts der Beliebtheit des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz sagte Kauder in der ARD: „Er ist wohl eine Chance für die SPD, die ja in einer tiefen Depression gesessen haben muss mit Gabriel nach dem, was man jetzt erlebt.“ Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der Wortführer der CSU-Minister im Bundeskabinett, äußerte sich auf launige Weise: „Wenn der Kandidat Schulz in den Starnberger See steigen würde, würde sich das Wasser auch nicht teilen.“


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