Mohammad will eine Bombe bauen

  20 Februar 2017    Gelesen: 636
Mohammad will eine Bombe bauen
Zum zweiten Mal verhandelt ein deutsches Gericht den Fall eines minderjährigen IS-Anhängers. Akademikersohn Mohammad kommt mit seinen Eltern als Flüchtling ins Land – und radikalisiert sich in kürzester Zeit.
"Wie baue ich eine Bombe?", möchte der junge Mann wissen. Bilal antwortet und schickt dem 16-Jährigen Bauanleitungen und gibt Tipps, wo Sprengsätze maximalen Schaden verursachen können. Mohammad J. sitzt zu dieser Zeit oft stundenlang mit seinem Handy und einem Ersatzakku in der Ditib-Moschee in Köln-Porz und chattet. "Bilal aus Palästina", so nennt sich sein Gegenüber, ist mutmaßlicher IS-Anwerber und befindet sich irgendwo im Ausland, vermutlich im Nahen Osten. Er warnt Mohammad davor, dass die Unterhaltungen vermutlich überwacht werden, er solle aufpassen. Mohammad bleibt in der Moschee, die überwiegend von Türken besucht wird, nicht unbeobachtet. Andere Betende sind besorgt und rufen letztlich die Polizei. Der Junge wirke "wie eine lebende Bombe".

Der 16-Jährige kann sich noch an ein anderes Leben erinnern. Krieg, Flucht, die engen Flüchtlingsheime prägten seine Jugend, nicht seine Kindheit. Aufgewachsen ist Mohammad in einem Akademikerhaushalt in Syriens Hauptstadt Damaskus. Die Stadt war vor Ausbruch des Krieges ein Kleinod des Nahen Ostens, eine kleine Weltstadt. Die Eltern sollen ein solides Leben in der Damaszener Mittelschicht geführt haben. Als Mohammad 10 Jahre alt war, kam der Krieg. Seine Eltern entschließen sich irgendwann, das Land zu verlassen und Frieden in Deutschland zu suchen. Doch ihr Sohn hat keinen Frieden im Sinn.

Heute beginnt in Köln der Prozess gegen den 16-Jährigen. Die Anklage lautet auf Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Schwere Vorwürfe, für die der Junge bis zu fünf Jahre hinter Gitter kommen könnte. Es ist nach Safia S. das zweite Mal, dass sich ein minderjähriger mutmaßlicher IS-Anhänger vor einem deutschen Gericht verantworten muss. Safia S., die einem Polizisten in Hannover ein Messer in den Hals rammte, wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Doch was Mohammad plante, geht noch darüber hinaus.

70 Nähnadeln, Batterieträger, Butangaskartuschen

Als der Anrufer aus der Moschee in Porz die Polizei anruft und von dem auffälligen Jungen berichtet, haben die Sicherheitsbehörden Mohammad schon auf dem Radar. Mitbewohner der Flüchtlingsunterkunft hatten bereits zuvor Sorgen geäußert. Er habe nur noch Obst gegessen, weil alle anderen Speisen unrein seien, sei Nächte lang unterwegs gewesen und habe sich isoliert. Gebetet habe er regelmäßig - aber in eine andere Himmelsrichtung als die übrigen Muslime. So wie es bei Anhängern des IS üblich ist. Polizisten fahren zu dem Heim und beschlagnahmen Mohammads Handy. Was sie darauf finden, löst zwei Tage später einen SEK-Einsatz aus.

Der Junge wird am 20. September von schwer bewaffneten SEK-Polizisten abgeführt. Bei der Durchsuchung seiner Unterkunft finden die Ermittler Gegenstände, die jederzeit zum Bau einer Bombe hätten genutzt werden können: 70 Nähnadeln, Batterieträger, Butangaskartuschen. Auf dem Handy hatten die Ermittler brisante Unterhaltungen gefunden. "Die Person die sich `Bilal aus Palästina` nannte, hatte ihn von den Vorstellungen des IS überzeugt", sagt der Sprecher des Kölner Landgerichts, Achim Hengstenberg. Anschließend wurde es konkret. "Er hat explizit darum gebeten, eine Anleitung zum Bombenbau zu bekommen", sagt Hengstenberg. Und die habe er bekommen, inklusive Einkaufsliste: Handys mit Taschenlampe oder Uhren mit Wecker, Drähte, Feuerwerkskörper. Anschließend gab Bilal Anweisungen zum Platzieren der Bombe: "In ihren Versammlungshäusern".

Doch Mohammad äußert Zweifel: Dürfe er denn Menschen töten, die selbst nicht getötet haben?, fragt er. "Mann, töte sie. Allah soll sie brennen lassen", hält Bilal dagegen. Mohammad aber besteht auf eine Antwort. Er will einen Beweis, dass der Koran das Töten von Unschuldigen legitimiert. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft fasst er am 15. September den festen Entschluss, seine Pläne in die Tat umzusetzen. An diesem Tag soll er auf seinem Smartphone ein Bekennerbild hergestellt haben, so die Anklage.

Reichen die Beweise für eine Verurteilung?

Schon zuvor hatte er seinem in den Niederlanden lebenden Cousin per Facebook eine Bildmontage geschickt, die seinen Kopf auf dem Körper eines IS-Kämpfers zeigt und er schrieb ihm, dass er sich der Terrormiliz anschließen wolle. Auf dem Handy finden die Ermittler das ganze Arsenal der IS-Propagandamaschine: Hinrichtungsvideos, Fotos von Sprengstoffgürteln, militante Webseiten.

Der Kölner Anwalt Michael Murat Sertsöz, der den 16-Jährigen in dem Prozess vertritt, sagte dem "Kölner Stadtanzeiger" jedoch, er sehe keinen hinreichenden Tatverdacht. "Die Chatdiskussionen erreichten nie ein relevantes Vorbereitungsstadium, es gab keine Ausspähaktionen und der Junge hatte zum Zeitpunkt der Festnahme überhaupt nichts in der Hand, das ihn zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hätte befähigen können", so Sertsöz. Es gebe nichts, was eine Konkretisierung der Tat "nur ansatzweise begründen könnte".

Sertsöz beruft sich in seiner Argumentation auf Paragraf 89a des Strafgesetzbuches, in dem es heißt, dass für eine Verurteilung der feste Entschluss bestanden haben muss, die Tat zu begehen. Dass Mohammad darüber nachgedacht hat – selbst konkret – würde demnach nicht für eine Verurteilung ausreichen. Die Staatsanwaltschaft wird in dem Prozess versuchen, anhand der Inhalte von Mohammads Handy zu beweisen, dass er bereits den festen Entschluss gefasst hatte, in Deutschland einen Anschlag zu verüben.

Tags:


Newsticker