Von Havanna in Richtung Mekka

  21 Februar 2017    Gelesen: 655
Von Havanna in Richtung Mekka
(AJE). Santa Clara, Kuba. „Dokumentendruck“ steht auf einem handgeschriebenen Schild im ersten Stock eines Haus am Rande von Santa Clara, einer Universitätsstadt in der Mitte Kubas. Der 43-jährige Hassan Jan betreibt einen improvisierten Copyshop im Vorderraum seines Hauses. Die einstmals luftige Villa ist heute in vier kleine UNTERKÜNFTE geteilt und umgeben von Wohnblocks im Sowjetstil. Vorne, getrennt durch einen Vorhang, steht Hassans Drucker. Die offenen Fenster tun wenig, um die Hitze draußen zu halten.
Diese Art der hausgemachten Kleinstbetriebe ist jetzt häufig, nachdem Kuba 2009 seine Gesetze zur Selbstständigkeit gelockert hatte. Oft dient ein Vorderraum als Werkstatt für Telefone, als Friseursalon und alles, was die Nachbarschaft so braucht. Sein geringer Verdienst reicht gerade, um seine Frau Shabana und ihre beiden Kinder zu versorgen.

Hassan, mit dunklem Bart und klaren, blauen Augen, trägt eine Dischdascha und eine weiße Kopfbedeckung. Neben einer antiken Wanduhr aus dem 19. Jahrhundert hängt ein Bild von Mekka über dem Computer, mit dem er sein Einkommen verdient. Hassan und Shabana gehören zu einer kleinen, aber wachsenden Anzahl von Kubanern, die den Islam angenommen haben.

Es wird davon ausgegangen, dass in dem offiziell laizistischen, aber traditionell katholischen Staat einige, wenige tausend Muslime leben. Die Mehrheit sind ausländische Studenten und Arbeiter. Hadsch Isa, ehemals Jorge Elisa Gil Viant, ist Künstler und ehemaliger Bibliothekar bei der arabisch-kubanischen Union, einer Kulturorganisation in Havanna. Er beziffert die Größe der Gemeinschaft auf rund 1.000 Personen – sowohl „Konvertiten“ als auch Nachkommen muslimischer Einwanderer.

Muslimische Studenten aus Afrika, dem Jemen, Palästina und anderen arabischen Ländern spielten, so Viant, in den 1990ern eine große Rolle. „Später kamen viele aus Pakistan.“ Das habe dazu geführt, dass die kleinen Gemeinschaften auf der ganzen Insel unterschiedliche Eigenschaften hätten. Geprägt seien sie von ihren Gründern und örtlichen Umständen.

Je größer aber die Zahl der Kubaner werde, die ihren Islam bezeugen, desto mehr Leuten werde bewusst, dass dies eine Religion sei, die auch von ihren Landsleuten praktiziert werde. Kleine Geschäfte wie das von Hassan bringen mehr Menschen in Kontakt mit Muslimen und helfen beim Aufbau der Gemeinde.

Hassans Weg zum Islam war ein unerwarteter. Geboren als Froilan Reyes, ist er gänzlich ohne religiösen Bezug aufgewachsen. „Ich wurde im kubanischen System aufgezogen“, sagte er. „Und ich war niemals in einer Kirche.“

Als umtriebiger Partygänger arbeitete er als Tontechniker an der medizinischen Fakultät der Universität Santa Clara und jobbte gelegentlich auch als DJ. Alles änderte sich 2010 während des Fastenmonats Ramadan, als er mit einer Gruppe von pakistanischen Medizinstudenten arbeiten musste. 2005 tötete ein Erdbeben im pakistanisch-verwalteten Teil Kaschmirs mehr als 86.000 Menschen und ließ Unzählige obdachlos zurück. Innerhalb einer Woche entsandte Kuba mehr als 2.000 Ärzte und andere Spezialisten, um den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen. Im folgenden Jahr wurden 1.000 Stipendien für junge Leute aus ganz Pakistan angeboten. Beinahe 300 von ihnen wurden in der Universität untergebracht, an der Hassan arbeitete.

Ursprünglich mied er sie. „Die Leute sprachen schlecht über Muslime, nannten sie ‘Terroristen’“, erinnert er sich. Schließlich erhielt er die Aufgabe, sich um die Lautsprecheranlage zu kümmern, die sie für die Nachtgebete im Ramadan brauchten. „Anfänglich war das schon ungemütlich. Ich hatte Angst. Sie luden mich zu ihrem Fastenbrechen ein, aber ich weigerte mich“, sagt er, während er seinen Kopf bei der Erinnerung schüttelt.

Hassan erinnert sich an den dritten Tag dieses Ramadan. Er habe sie alle beten sehen und sich gefragt: „Was mache ich hier eigentlich?“ Er habe sich auf vollkommen unbekanntem Terrain befunden. Das ging so weiter, bis er eines Tages die Einladung angenommen hat. Er, so Hassan weiter, habe gesehen, dass die Studenten viel riskiert hätten, um ihren Glauben in Kuba fortzuführen. „Ich fragte mich dann: ‘Wenn sie angeblich so schlecht sind, warum behandeln sie mich dann so gut?’ Und so redete ich mehr mit ihnen und erkannte, dass Islam vollkommen anders ist, als die Kubaner ihn bis dahin dargestellt haben.“

Am Ende jenes Ramadans nahm er seinen normalen Job wieder auf, aber erhielt den Kontakt zu diesen Studenten aufrecht. Er begann, im Qur’an zu lesen und mit ihnen darüber zu diskutieren. Sieben Monate später nahm er den Islam an und änderte seinen Namen. „Allah zeigte mir durch ihr Verhalten, dass Islam etwas anderes ist. (…) Der Wille Gottes. (…) Es war ein Geschenk für mich“, berichtet er mit einem breiten Lächeln. Seine Frau Shaban Jan folgte seiner Entscheidung kurze Zeit später. (Von Sylvia Hines)

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