Vom Guantanamo-Häftling zum IS-Attentäter

  23 Februar 2017    Gelesen: 401
Vom Guantanamo-Häftling zum IS-Attentäter
Eine Million britische Pfund soll Ronald Fiddler erhalten haben - dafür, dass er unschuldig in Guantanmo einsaß. In Großbritannien galt er als Opfer. Für den IS ist er nun zum Täter geworden.
Mit einem umgebauten SUV fährt Abu-Zakariya al-Britani, so sein Kampfname, am Montag vor einen Stützpunkt der irakischen Armee im Südwesten Mossuls. Das Fahrzeug ist mit Stahlplatten an der Front gepanzert, damit der Fahrer trotz gegnerischen Beschusses möglichst nah an sein Ziel kommt. Dann löst al-Harith aus und der Sprengstoff in dem Wagen zündet. Er ist Teil einer Kamikaze-Angriffswelle der Terrormiliz IS in Tel Kaysum, die am Ende zwei irakische Panzer zerstört.

Wenig später verbreiten die Propaganda-Sprachrohre des IS den Namen des Attentäters. Denn er war nicht irgendein Terrorist.

Eine Ledercouch, ein Kamin, Einbauküche, gepflegter Rasen, Wintergarten - ein typisches Mittelklasse-Haus im britischen Manchester. Die Boulevardzeitung "The Sun" hat Bilder des Hauses veröffentlicht, in dem mal ein Mann wohnte, der Ronald Fiddler hieß. Der Sohn jamaikanischer Einwanderer ging in Manchester zur Schule und machte eine Ausbildung zum Webdesigner. Rund 220.000 britische Pfund soll das Haus gekostet haben. Geld, das Fiddler hatte. Denn der Staat machte ihn reich.

Wie der britische "Guardian" berichtet, konvertierte Fiddler Mitte der 1990er Jahre zum Islam und benannte sich um in Jamal Udeen Al-Harith. 2001 unternimmt er eine Rucksackreise nach Pakistan. Als die US-Armee in das Land einfiel, versuchte er sich per Anhalter mit einem LKW in den Iran abzusetzen. Der Wagen wurde von Taliban gestoppt und Fiddler kam wegen des britischen Passes in den Verdacht, ein ausländischer Spion zu sein. Er wurde verhaftet und in ein Gefängnis der Taliban gebracht.

Zwei Jahre Guantanamo

Im Jahr darauf fanden US-Spezialkräfte den damals 36-Jährigen in dem Gefängnis. Er kam wieder in ein Gefängnis. Dieses Mal jedoch auf der anderen Seite der Welt, in einer Bucht auf Kuba. Die US-Soldaten brachten ihn ins Militärgefängnis Camp X-Ray auf dem Stützpunkt Guantanamo auf der Karibik-Insel. Dort wurde er unter der Nummer 490 zusammen mit Terrorverdächtigen aus aller Welt inhaftiert. Die US-Armee versprach sich von ihm Erkenntnisse über die Taliban. Die lieferte er und wurde 2004 entlassen. In einem Flugzeug mit weiteren ehemaligen Häftlingen aus Guantanamo wurde er in seine Heimat geflogen - nach Großbritannien.

Er habe nie etwas mit Terror zu tun gehabt, sei nur mit dem Rucksack auf Reisen gewesen, sagte Fiddler später aus, als er zu der Lagerhaft befragt wurde. In Guantanamo habe er verfaultes Essen bekommen und sei an den Händen und den Füßen gefesselt worden. Die Regierung in London sah es als notwendig an, Fiddler für die Zeit in dem Militärgefängnis zu entschädigen. Eine Million Pfund sollen geflossen sein, berichten britische Boulevardmedien. Geld, von dem Fiddler dann das Haus in Manchester gekauft hat.

Seine Schwester berichtete, er habe Schwierigkeiten gehabt, Arbeit zu finden, da er offiziell wegen Terrorismusverdacht in Guantanamo festgehalten wurde. Ganz grundsätzlich habe er Schwierigkeiten gehabt, zurück in sein altes Leben zu finden. Vergeblich versuchte er mit anderen ehemaligen britischen Insassen die USA wegen der Haft in dem Militärgefängnis zu verklagen.

Wurde Fiddler die Opferrolle abgenommen?

2014 dann verlässt er sein Mittelklassehaus in Manchester, die Ledercouch, den grünen Rasen und den Wintergarten und reist nach Syrien. Er schließt sich der Terrormiliz IS an und benennt sich ein weiteres Mal um, in Abu-Zakariya al-Britani. Am Montag endet sein Leben in einer gewaltigen Explosion vor einem Stützpunkt der irakischen Armee im Südwesten Mossuls. Der Mann, der zwei Jahre in Guantanamo verbrachte - offenbar unschuldig -, nach Großbritannien zurückkehrte und mit einer großzügigen Summe entschädigt wurde, war zum islamistischen Selbstmordattentäter geworden.

In Großbritannien stellt man sich nun die Frage, wie das passieren konnte. Eine Mitschuld der britischen Behörden an dem Geschehenen sieht der Stratege des britischen Anti-Terror-Programms Prevent, Arthur Snell. "Es ist offensichtlich, dass alle Behörden - und ich trage da ganz klar eine Mitschuld - sich nicht darüber bewusst waren, was Fiddler vorhatte", so Snell gegenüber dem "Guardian". Was in den zehn Jahren nach Fiddlers Rückkehr aus Guantanamo alles passiert ist, sei nicht mehr genau zu rekonstruieren. "Aber es gab ein Problem, und es wurde nicht sachgerecht damit verfahren."

Eine Mitschuld bei all jenen, die Fiddler seine Geschichte als Opfer geglaubt hätten, sieht hingegen Afzal Ashraf, ein ehemaliger Berater der US-Armee im Irak. Er sagte der BBC, einige der Gruppen, die sich nach Fiddlers Rückkehr für dessen Rehabilitation eingesetzt hätten, müssten sich nun die Frage gefallen lassen, ob sie mit der Ideologie des IS zu eng verbunden seien.

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