Dutzende in Tschetschenien verschleppt

  04 April 2017    Gelesen: 372
Dutzende in Tschetschenien verschleppt
Tschetschenische Behörden sollen mehr als 100 Männer wegen Homosexualität festgesetzt und einige von ihnen getötet haben. Ein Regierungssprecher dementiert jedoch: In dem Land gebe es keine Homosexuellen.
In Tschetschenien haben Sicherheitskräfte mehr als 100 Männer mitgenommen und mindestens drei getötet. Das berichtet die russische Zeitung "Nowaja Gaseta" und beruft sich auf Aussagen von Aktivisten und Quellen aus Behörden, Geheimdienst und Innenministerium. Der Grund für die Verhaftung soll deren mögliche "nicht traditionelle sexuelle Orientierung" gewesen sein.

Unter den Männern befinden sich dem Bericht zufolge auch zwei bekannte Fernsehmoderatoren und muslimische Würdenträger. Einige wurden aus "Mangel an Beweisen" wieder freigelassen, wie die Zeitung schreibt. Sie sind demnach inzwischen außer Landes geflohen. Die Zeitung vermutet noch weitere Gewaltopfer.

Alwi Karimow, Sprecher des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow, spricht von "Lügen" und "Desinformation" und dementiert die Festnahmen. Diese seien auch gar nicht erforderlich. "Man kann niemanden verhaften oder unterdrücken, den es in der Republik gar nicht gibt." Und weiter: Sollten solche Leute in Tschetschenien existieren, müssten sich die Sicherheitsbehörden keine Sorgen um sie machen, denn "ihre Verwandten würden sie schon an einen Ort geschickt haben, von dem sie nie wiederkehren könnten".

In der Tat dürften sich in Tschetschenien nur die wenigsten Homosexuellen offen zu ihrer Orientierung bekennen. "Das käme einem Todesurteil gleich", heißt es in der "Nowaja Gaseta". Offenbar hatten die tschetschenischen Sicherheitskräfte über das soziale Netzwerk "V-Kontakte" Schwule ausfindig gemacht. Dabei spiegelten sie den Männern vor, auf der Suche nach Dates zu sein.

Proteste gegen Homosexuellen-Paraden

Auslöser der Aktion könnte das Engagement der russischen Aktivistengruppe GAyRussia.ru sein. Diese hatte Homosexuellen-Demonstrationen in mehreren Städten im Nordkaukasus beantragt - allerdings keine davon in Tschetschenien. Es kam zu Massenprotesten gegen die Veranstaltungen, der Organisator der Paraden wurde bedroht. Und Tschetschenien habe, so die "Nowaja Gaseta", daraufhin mit einer "vorsorglichen Säuberungsaktion" reagiert.

Unter den Homosexuellen in der Kaukasusrepublik herrscht nun offenbar Panik. Kaum einer dürfte in dem Land, in dem auch die Opposition harscher Verfolgung ausgesetzt ist, die Verschleppungen bei den Behörden zur Anzeige bringen. Außerdem ist die Angst vor "Ehrenmorden" groß: Schließlich gilt Homosexualität in etlichen Familien dort noch immer als Schande.

Inzwischen hat die russische Partei "Jabloko" Aufklärung über die Morde gefordert. Das Gesetz müsse die Rechte aller gegen Diskriminierung garantieren, heißt es in einer Mitteilung von Parteimitgliedern aus Nowosibirsk. Auch russische Menschenrechtler äußerten sich besorgt. Hilfsorganisationen versuchten, schwule Männer aus der Gefahrenzone zu bringen, sagte Igor Kotschetkow vo einem russischen Netzwerk für Lesben und Schwule in St. Petersburg. In Deutschland bat der Grünen-Abgeordnete Volker Beck die Bundesregierung, alles zum Schutz der verfolgten Homosexuellen zu tun.

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