Ist die Explosion von Sankt Petersburg Teil einer Destabilisierungs-Strategie?

  04 April 2017    Gelesen: 766
Ist die Explosion von Sankt Petersburg Teil einer Destabilisierungs-Strategie?
Zehn Tote und mindestens 47 Verletzte nach einer Explosion in der U-Bahn von Sankt Petersburg. Wladimir Putin ordnete eine gründliche Untersuchung an. Experten vermuten einen terroristischen Hintergrund. Totale Sicherheit in der U-Bahn gibt es nicht.
von Ulrich Heyden, Moskau

Solche Bilder hatte Russland seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Nach einer Explosion in einem U-Bahn-Waggon in Sankt Petersburg irrten Passagiere durch verrauchte U-Bahn-Tunnel.



Blutverschmierte Passagiere, die auf dem Bahnsteig lagen, wurden von unverletzten Menschen versorgt.

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Es gab auch Menschen, die nach Hilfe riefen oder beherzt versuchten, Verletzte aus dem durch eine Explosion zerstörten U-Bahn-Waggon zu retten. Viele Menschen begannen, mit ihren Handys zu filmen.



Am Montag um 14.30 Uhr Moskauer Zeit war es in einem U-Bahn-Waggon, der gerade zwischen der Sankt Petersburger U-Bahn-Station Sennaja Ploschschad (Heuplatz) und dem Technologischen Institut fuhr, zu einer Explosion gekommen. Augenzeugen berichten von einem lauten Knall und einem beißenden Geruch. Man habe sich in eine Ecke des Waggons geflüchtet, dabei sei es zu panischem Gedrängel gekommen.

Die Entscheidung des Zugführers, weiterzufahren, sei richtig gewesen, um das Evakuieren der Verletzten zu ermöglichen, erklärte die Vertreterin des russischen Ermittlungskomitees, Swetlana Petrenko.

Die 1963 gebaute U-Bahn-Station Sennaja Ploschschad liegt in 55 Metern Tiefe im Zentrum der Stadt, südlich des Newski-Prospektes. Die Station, von der aus man auf zwei andere Stationen umsteigen kann, wird in einem Monat im Schnitt von elf Millionen Passagieren benutzt.

Karte der U-Bahn von Sankt Petersburg:



Die Kapazitäten der Krankenhäuser in Sankt Petersburg reichen aus

Wie die russische Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa mitteilte, wurden zehn Menschen getötet und mehr als 47 Menschen verletzt. Eine Notwendigkeit, die Verletzten in andere Städte zu überführen, gäbe es nicht. Der Großteil der Verletzten wurde in das Dschanelidse-Institut, das Marinski-Krankenhaus sowie drei andere Krankenhäuser gebracht, erklärte die Ministerin.

Kurze Zeit nach der Explosion wurden alle Metro-Stationen in Sankt Petersburg geschlossen. Auf einigen Linien gab es kostenlosen Bus-Ersatzverkehr. Sehr viele Autofahrer erklärten sich bereit, Passagiere nach Hause zu fahren. Angesichts des völligen U-Bahn-Ausfalls entwickelten sich in Sankt Petersburg zahlreiche Verkehrsstaus.

Aus Deutschland, Italien und Indien und vielen anderen Ländern trafen Beileidstelegramme in Moskau ein. Die Stadtverwaltung von Sankt Petersburg kündigte eine dreitägige Trauer an.

In den Einrichtungen der Strom- und Wärmeversorgung von Sankt Petersburg wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, meldete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Auch in den U-Bahnstationen von Moskau, Nischni Nowgorod und Kasan sowie auf mehreren Flughäfen Russlands verschärften die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen.

Zweiter Sprengsatz gefunden

Am Montagnachmittag veröffentlichte der Fünfte Fernsehkanal von Sankt Petersburg das Foto eines weiteren Sprengsatzes, der in der Sankt Petersburger U-Bahn-Station Ploschschad Wostanije - Platz des Aufstandes - sichergestellt wurde.



Der Sprengsatz sei mit gefährlichen Teilen gefüllt gewesen, welche die Wirkung erhöhen sollten, teilte der russische Inlandsgeheimdienst FSB mit.

Das Sankt Petersburger Internet-Portal Fontanka.ru veröffentlichte zudem das Foto eines Mannes, nach dem angeblich gefahndet wird.



Der Mann soll zwanzig Minuten vor der Explosion die U-Bahn-Station Petrogradskaja betreten haben. Von dieser Station ist es nicht mehr weit bis zur Station Technologisches Institut.

"Versuch, die Situation zu destabilisieren"

Wie es zu der Explosion kam, ist bisher nicht klar. Einen Terror-Akt wollte Wladimir Putin, der sich heute in Sankt Petersburg aufhielt, nicht ausschließen.

(Minute 0:38)



Der Präsident drückte den Angehörigen der Toten und Verletzten sein tiefstes Beileid aus. Die Stadtverwaltung von Sankt Petersburg – und wenn nötig auch die föderale Macht – würden alles für die Verletzten und Hinterbliebenen tun, erklärte der russische Präsident.

Sollte die Tat einen terroristischen Hintergrund haben, müsste man sich fragen, warum dieser gerade jetzt stattfindet. Ein eindeutiger politischer Anlass ist nicht sichtbar. Auch fehlt bisher ein Bekennerschreiben.

Igor Schewtschuk, ein ehemaliges Mitglied der Anti-Terror-Einheit Alfa, erklärte gegenüber Radio Sputnik, man müsse man von einem Terroranschlag ausgehen.

Andere Versionen ziehe ich nicht in Betracht.

Ein kriminelle Spur sei unwahrscheinlich, da die Metro nicht zur Einflusssphäre krimineller Gruppen gehöre. Man müsse abwarten, bis die Video-Aufnahmen aus den Metro-Stationen ausgewertet worden seien, dann werde man den Tätern auf die Spur kommen, erklärte der Alfa-Veteran.

Schewtschuk erklärte, der russische Geheimdienst habe in den letzten zwei Jahren sehr aktiv gearbeitet. Es seien dadurch viele ähnliche Aktionen verhindert worden. Weiter erklärte der Sicherheits-Experte, Russlands so genannte westliche Partner seien sehr daran interessiert, dass "die soziale, politische und wirtschaftliche Situation nicht stabil" ist.

Deshalb beobachten wir Attacken von verschiedenen Seiten, unter anderem solche mit terroristischer Richtung, um die Situation im Land zu destabilisieren.

Welche innenpolitischen Destabilisierungsversuche es außerdem gibt, sagte Schewtschuk nicht.

Die letzten großen Terrorakte in U-Bahn-Stationen gab es 2010

Die letzten großen Terrorakte dieser Art gab es im März 2010 in der Moskauer Metro, als in den U-Bahnstationen Lubjanka und Park Kultury Bomben explodierten. Damals starben 41 Menschen, 88 wurden verletzt. Die Explosion der Lubjanka-Station wurde von einer Selbstmordattentäterin aus Dagestan herbeigeführt. Die Verantwortung für beide Anschläge übernahmen islamistische Radikale aus der im Kaukasus gelegenen russischen Teilrepublik.

Nach der Explosion in Sankt Petersburg erklärten Sicherheitsexperten, die Überwachung in der U-Bahn von Sankt Petersburg habe nicht funktioniert. In Moskau waren in den letzten Jahren in allen U-Bahn-Stationen Sicherheitsschleusen und Geräte zum stichprobenartigen Durchleuchten von Gepäck aufgestellt worden. Auch wird jetzt an den Eingängen aller großen russischen Flughäfen das Gepäck der Passagiere obligatorisch durchleuchtet.

Der russische Senator Viktor Oserow erklärte, man müsse das Gepäck stärker kontrollieren. Doch wie das zu bewerkstelligen ist, sagte der Senator nicht. Das Problem ist, dass allein in Moskau täglich neun Millionen Menschen die U-Bahn benutzen. Nur wenn man alle Menschen und deren Gepäck vor dem Betreten der U-Bahn durchleuchten würde, wäre eine komplette Sicherheit möglich. Doch eine Technik, welche eine solche Total-Kontrolle von Millionen Menschen täglich möglich machen würde, wurde bisher noch nicht entwickelt.

Quelle:rt deutsch

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