"Ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass Trump seine vierjährige Amtszeit nicht vollständig absolviert, ist größer als 50 Prozent", sagt Catherine Ross, Jura-Professorin an der George Washington University in der US-Hauptstadt.
Zusammen mit anderen Professoren sowie einem früheren Richter des Obersten Gerichtshof im US-Bundesstaat Montana ist Ross Mitglied der Bewegung "Impeach Donald Trump Now", die für eine sofortige Amtsenthebung des 45. Präsidenten plädiert. Anders als viele US-Medien sieht diese Initiative nicht die undurchsichtigen Beziehungen von Trump-Mitarbeitern nach Russland oder etwaige Interessenskonflikte innerhalb seines Kabinetts als Hauptgrund für eine Amtsenthebung an. Sie stört sich an seinen Geschäftsbeziehungen und den daraus resultierenden Einnahmen, die aus ihrer Sicht verfassungswidrig sind.
In der US-amerikanischen Verfassung gibt es zwei Bestimmungen, gegen die Trump seit seiner Amtseinführung verstößt, sagt Ross. Die erste ist die sogenannte "Domestic Emoluments Clause". Diese Klausel verbietet es dem Präsidenten, Einkünfte ("emoluments") aus US-Regierungsquellen zu beziehen, die nicht Teil seines vom Kongress festgelegten Gehalts sind. Als Präsident erhält Trump 400.000 Dollar im Jahr. Vor seinem Amtsantritt hatte er angekündigt, auf dieses Geld verzichten zu wollen.
"Trumps Unternehmen hat viele Beziehungen zur US-Regierung"
Der Grund für die "Emoluments Clause" sei es, der Korruption oder auch nur dem Versuch der Korruption Einhalt zu gebieten, erklärt Ross n-tv.de. Genau dagegen verstoße Trump: "Mit dem Besitz von Immobilien, die auch während seiner Präsidentschaft weiterhin zum Familienunternehmen gehören, hat die Trump Organization Beziehungen zu allen Ebenen der US-Regierung." Die "Trump Organization" ist das Unternehmen, in dem der Milliardär seine Geschäfte bündelt.
"Auch wenn er, wie er sagt, seine Geschäfte komplett an seine Söhne übergeben hat: Durch das Geschäftsfeld, in dem die Trump Organization tätig ist, hat diese andauernd mit staatlichen Ämtern zu tun - von baulichen Nutzungsbestimmung über Umweltauflagen bis hin zu Steuererleichterungen", so Ross weiter. Faktisch bezieht der Präsident damit durchaus Einkünfte aus seinen geschäftlichen Beziehungen zu Kommunal-, Landes- und Staatsregierungen, da diese seine Firma dabei unterstützen, Immobilienprojekte zu realisieren.
Zudem haben sich der Secret Service, dessen Aufgabe der Schutz des Präsidenten ist, sowie das US-Verteidigungsministerium nach Räumlichkeiten im New Yorker Trump Tower umgesehen. Im Fall einer Vermietung könnten dadurch aus Steuergeldern Einnahmen für die Trump Organization und somit den Präsidenten selbst werden. "Das wären direkte Zahlungen an den Präsidenten, die laut Verfassung verboten sind", sagt Ross. "Die Verfassungsbestimmung bezieht sich eindeutig auf den Präsidenten und selbst der Kongress kann diese Bestimmung nicht einfach außer Kraft setzen."
Ist das Trump-Hotel verfassungswidrig? Die Behörden sagen Nein
Allerdings konnte Trump vor wenigen Wochen einen kleinen unternehmerischen Sieg feiern. Die General Services Administration (GSA), die Immobilienfragen der Regierung regelt, erklärte nämlich, dass die Vermietung des alten Postamtes in Washington an Trump nicht verfassungswidrig ist.
Trump hatte im Jahr 2013 einen Mietvertrag über 60 Jahre für das Gebäude unterzeichnet, das der Regierung gehört und in dem sich Trumps neuestes Hotel befindet. Die GSA bescheinigte dem Präsidenten nun, dass die Trump Organization auch nach Trumps Wahlsieg nicht gegen die Mietauflagen verstößt – auch wenn im Mietvertrag steht, dass "kein gewähltes Mitglied der US-Regierung ... einen Anteil an dem Mietvertrag oder an daraus entstehenden Einkünften besitzen darf". Für Ross war die Entscheidung ein "absoluter Schock" sowie ein "komplettes Versagen" der GSA.
Neben der "Domestic Emoluments Clause" enthält die Verfassung auch die "Foreign Emoluments Clause", die es dem Präsidenten verbietet, Einnahmen von fremden Regierungen zu beziehen. Darunter fallen beispielsweise Übernachtungen oder Veranstaltungen von Diplomaten oder anderen ausländischen Regierungsvertretern im Trump-Hotel in Washington. Der Unterschied zwischen den beiden Klauseln ist, dass der US-Kongress die Möglichkeit hat, die Bestimmung, die sich mit Einkünften aus dem Ausland beschäftigt, außer Kraft zu setzen.
Bislang war kein Impeachment-Verfahren erfolgreich
"Im Gegensatz zu allen anderen Präsidenten der Moderne, die ihre Besitztümer in Blind Trusts (sogenannte blinde Treuhandvermögen) umgewandelt haben, ist Trump weiterhin Besitzer seiner Unternehmen", erklärt Ross. "Er hat genaueste Kenntnisse über sein Unternehmen und dessen Gewinne. Auf diese hat er zwar während seiner Amtszeit keinen Zugriff, doch sobald er das Weiße Haus verlässt, kann er darüber verfügen." Heißt konkret: Jedes Geschäft, von dem die Trump Organization profitiert, ist in Trumps Interesse.
Der republikanisch kontrollierte US-Kongress hat trotz dieser augenscheinlich verfassungswidrigen Verwicklungen des Präsidenten bislang keine Andeutungen gemacht, dass ein Impeachment-Verfahren auch nur im Raum stehen würde. Um solch ein Verfahren einzuleiten, bräuchte es eine einfache Mehrheit im US-Repräsentantenhaus. Formal wäre ein Amtsenthebungsverfahren ein Prozess, das Urteil würde von den Senatoren gefällt. Praktisch wäre es jedoch eine Abstimmung. Damit der Präsident jedoch sein Amt räumen müsste, wäre eine Zweidrittelmehrheit im Senat, der zweiten Kammer des Kongresses, nötig.
Nur zwei Präsidenten, im 19. Jahrhundert Andrew Johnson und 1999 Bill Clinton, mussten sich in der 240-jährigen Geschichte der USA vor dem Senat verteidigen. Beide wurden freigesprochen. Richard Nixon, der aufgrund des "Watergate"-Skandals vor einer möglichen Amtsenthebung stand, kam dem Kongress zuvor und trat 1973 als bislang einziger US-Präsident zurück.
Die Kommunalparlamente einzelner Städte in den USA haben die Kongress-Abgeordneten bereits dazu aufgefordert, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht groß ist, dass die erforderlichen Mehrheiten im Kongress zustande kommen, hofft Jura-Professorin Ross, dass mehr Wähler entsprechenden Druck auf ihre Abgeordneten ausüben. "Was wir aus Watergate gelernt haben, ist, dass der Kongress nichts tut, bis die Öffentlichkeit zeigt, dass sie die Situation verstanden hat und etwas getan werden muss", so Ross. "Wenn die Öffentlichkeit will, dass es passiert, dann muss die Öffentlichkeit etwas dafür tun."
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