"Sterben für Japan" – Wiederbelebung eines kaiserlichen Erziehungsedikts wegen Korea-Krise

  21 April 2017    Gelesen: 1202
"Sterben für Japan" – Wiederbelebung eines kaiserlichen Erziehungsedikts wegen Korea-Krise
Ein nach dem Zweiten Weltkrieg verbotenes kaiserliches Erziehungsedikt ruft zu Gehorsam bis in den Tod auf und soll wieder, angesichts eines möglichen Kriegseintritts mit Nordkorea, eingeführt werden. Ein Video, in dem Kindergartenkinder es rezitieren, machte öffentlich, dass das Edikt schon wieder in Gebrauch ist.
Während des Zweiten Weltkriegs sollte ein Edikt aus dem alten Kaiserreich der Meiji-Periode Japans den Kampfgeist von Volk und Militär befeuern. Das "Kaiserliche Erziehungsedikt" ("Kyōiku ni Kansuru Chokugo" 教育ニ関スル勅語) wurde im Jahr 1890 vom japanischen Kaiser Meiji unterzeichnet. Dieser sollte die Regierungsrichtung in den Prinzipien der Erziehung festhalten.

Das Dokument besteht aus 315 Schriftzeichen und wurde bei allen wichtigen Ereignissen in Schulen vorgelesen. Die Schüler wurden angehalten dieses zu studieren und zu verinnerlichen. Das Edikt fußt auf dem Prinzip des "kokutai" (Regierungskörpers), der sich aus gütigen Regierenden und einem loyalen Volk zusammensetzt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verboten die Amerikaner das Lesen des Edikts in den Schulen Japans, da es mit der neuen Konstitution Japans nicht mehr zu vereinen war. Japan folgte nach seiner Kapitulation der Forderung und schaffte es im Jahr 1948 an. Die Schlagwörter des Texts waren "Loyalität" (chu) und "Respekt gegenüber den Eltern“ (ko).

Das Edikt schien in Vergessenheit geraten, bis ein Video auftauchte, in dem eine Gruppe von Kindergartenkindern, gekleidet im traditionellen "Sailor-Outfit" den Gehorsam für ihr Vaterland kundtaten. Die Kindergärtnerin kündigte stolz ihren niedlichen Nachwuchs dem Publikum an. Nach Trillerpfeifen begannen sie mit dem enthusiastischen Rezitieren der unabdingbaren Liebe und Devotion zum Vaterland.



Auch ein Besuch der Frau des japanischen Premierministers Shinzo Abes preiste die landestreuen Musterschüler. Der japanische Professor Kenji Ishikawa der Tokio Universität gegenüber den singapurianischen "Strait Times":

Das Edikt fungierte als ein Mittel, um die Rechte des Einzelnen zu beschneiden.

Kritiker sehen es nicht mehr vereinbar mit den Werten einer modernen Demokratie, die die Rechte des Einzelnen wahrt.

Aber mit den Spannungen in der Region durch die Drohgebärden zwischen Nordkorea und den USA, sowie der Streit um territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer, erscheint das verbotene Papier der Regierung Abes als wieder zeitgemäß. Die Gefahrenlage bietet Japan auch eine Chance, eine gewichtigere internationale Rolle zu spielen Japan hat seine Glanzzeiten hinter sich gelassen.

Das "Land der aufgehenden Sonne" strauchelt wirtschaftlich und versucht noch immer, die Schäden des Fukushima-Desasters zu beheben. Die Verfassung verbietet es Japan, Rüstungsexport zu betreiben, Produkte betreffend, die unmittelbar zum Krieg eingesetzt werden können, und den Kriegseintritt. Aber schon diskutierte die Regierung Abes, ob ein Erstschlag gegen Nordkorea nicht auch ein Akt der Verteidigung sein könnte, um ihn mit der Verfassung vereinbar zu machen.

Kritiker Abes sehen in seiner Politik die Gefahr einer nationalistischen Bewegung. Sie soll Abes Anhänger beruhigen, die sich noch immer in den Händen der Alliierten fühlen, unter dem Vorwand, ihnen ein neues Nationalgefühl zu geben. Alljährlich huldigen Nationalisten am Tokioter Yasukuni-Schrein Kriegsverbrechern. Es kommt zu Protesten zwischen Linken und Rechten Lagern. Nationalisten in Japan träumen von der Nostalgie des ehemals so mächtigen Militärs.

Schüler mussten sich einst vor einem Schrein in der Schule, in dem eine Kopie der Schrift aufbewahrt wurde, verbeugen. Schulleiter nahmen sich aus Scham das Leben, wenn sie glaubten, die Schrift falsch gehuldigt zu haben. Der Inhalt aber müsste sich an die Gegebenheiten des modernen Japans anpassen. Der japanische Kaiser Akihito, gemeinhin "Tenno" genannt (seine Majestät), hat nicht mehr die Macht über das Volk. Kaiser Akihito, der aufgrund seines vorangeschrittenen Alters und schlechten Gesundheitszustandes abdanken will, hat sich für seine Amtszeit dem Kredo "Frieden überall“ verschrieben. Nach 1945 verloren die japanischen Kaiser den Status der Gottesgleichheit, wie auch die Rolle des Staats- und Regierungsoberhauptes.

Seit der Amtsübernahme Shinzo Abes im Jahr 2012 hat der japanische Premierminister versucht, die Konstitution anzupassen, um einen neues Japan zu erschaffen. Die Unterstützung Trumps für eine erneute Militarisierung Japans und ein drohender Krieg helfen Abe in seinen nationalistischen Zielen. Der Erziehungsminister Hirokazu Matsuno sagte, dass es den Schulen selbst überlassen sei, wie sie die Schrift nutzen werden.

Die deutsche Übersetzung des kaiserlichen Erziehungsedikts:

Wir geben euch hiermit zu wissen:

Unsere Kaiserlichen Vorfahren haben das Reich auf breiter und ständiger Basis errichtet und die Tugend fest und tief eingepflanzt. Unsere Untertanen sind in unverbrüchlicher Treue gegen den Herrscher und in kindlicher Liebe zu den Eltern stets eines Sinnes gewesen und haben von Geschlecht zu Geschlecht diese schöne Gesinnung in ihrem Tun bekundet. Dies ist die edle Blüte unseres Staatsgebildes und zugleich auch der Urquell, aus dem unsere Erziehung entspringt. Ihr Untertanen! Liebet und ehret denn eure Eltern, seid ergeben euren Geschwistern, seid einig als Gatte und Gattin, und treu als Freund dem Freunde!

Haltet auf bescheidene Mässigung für euch selbst, euer Wohlwollen erstrecke sich auf alle! Pfleget des Wissens und übet die Künste, auf dass ihr eure Kenntnisse und Fertigkeiten entwickelt und eure sittlichen Kräfte vervollkommnet! Bestrebet euch ferner, das öffentliche Wohl und das Allgemeininteresse zu fördern! Achtet auf die Reichsverfassung und befolget die Gesetze des Landes! Sollte es je sich nötig erweisen, so opfert euch tapfer für das Vaterland auf! Erhaltet und mehret also das Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie! Dann werdet ihr nicht nur Unsere guten und getreuen Untertanen sein, sondern dadurch auch die von den Vorfahren überkommenen Eigenschaften glänzend dartun.

Dieser Weg ist wahrlich ein Vermächtnis, das Uns Unsere Kaiserlichen Vorfahren hinterlassen haben, und das die Kaiserlichen Nachkommen sowie die Untertanen allesamt bewahren sollen: untrüglich für alle Zeiten und gültig an allen Orten. Es ist daher Unser Wunsch, Uns sowohl wie euch, Unsern Untertanen, dies stets in aller Ehrfurcht am Herzen liege, und dass wir alle zu derselben Tugend gelangen mögen.

Erschienen auf rt deutsch

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