Zwar sind sie besser poliert als in den meisten anderen Metropolen, haben weniger Macken und die allermeisten tragen sogar noch stolz die Schaumstoffschützer an den Türen und Plastikbezüge auf den Sitzen, damit jeder glaubt, der Wagen komme gerade erst vom Händler. Aber wo überall sonst auf der Welt das SUV das Straßenbild bestimmt, hat in Seoul noch das Stufenheck das Sagen: Egal ob repräsentativer Schlitten vor dem Luxushotel oder brave Familienkutsche in den Hochhaussiedlungen der Vororte. Nach wie vor liebt der Koreaner offenbar den Kofferraum und die Limousine ist in der Zulassungsstatistik weiter vorn, als im Rest der entwickelten Welt: Landesweit liegt der Marktanteil des Stufenhecks bei mehr als 50 Prozent und in der Hauptstadt kommen auf ein SUV subjektiv mindestens zehn Mercedes S-Klassen, Kia K9, Genesis EQ900 oder Samsung SM7.
Die Vorherrschaft bröckelt
Allerdings bröckelt die Vorherrschaft des Stufenhecks und auch in Seoul macht sich so langsam das SUV breit: Das gilt natürlich vor allem für die Importgeländewagen von Audi, BMW und Mercedes. Aber in deren Windschatten fahren auch die heimischen Hersteller. Und das sind nicht nur Hyundai und Kia. Ein Auto, das man in Stadtvierteln wie Gangnam oder Songpa-Gu derzeit besonders oft sieht, ist der Samsung QM6, mit dem die Koreaner uns Europäern sogar voraus sind. Schließlich handelt es sich hierbei um den koreanischen Zwilling des neuen Renault Koleos, der erst im Sommer bei den hiesigen Autohändlern stehen wird.
Gebaut in einem erst vor 20 Jahren aus dem Boden gestampften Werk bei Busan unter der Regie eines Joint-Ventures von Renault-Nissan und dem Smartphone-Giganten Samsung wollen die Koreaner mit der Neuauflage den Anschluss ans Oberhaus finden. Mit schicken Design und edler Ausstattung buhlt man hier nicht nur um die High Society der koreanischen Hauptstadt: Aus diesem Grund streckt sich der Koloss auch auf stolze 4,67 Meter und bietet innen so viel Platz, dass man selbst in der zweiten Reihe noch erstklassig sitzt.
Zudem schmück er sich mit riesigen Leuchtsicheln neben den LED-Scheinwerfern in der Front und den markanten Lichtband des Talisman am Heck. Und vor allem bietet er eine Wohlfühlatmosphäre, in der selbst die Rushhour ihren Schrecken verliert. Und was in Seoul funktioniert, das wird auch in Stuttgart oder Salzgitter klappen.
Während man den Blick über digitale Instrumente und die wie in Espace & Co senkrecht montierte Touchscreen-Navigation mit faszinierend detaillierten Grafiken schweifen lässt genießt man die Kuschel-Sitze, bei denen selbst die kragenförmigen Kopfstützen beheizt sind, lässt sein Smartphone mit Apple CarPlay oder Android Auto spiegeln oder arbeitet sich durch das bordeigene Online-Entertainment.
Dem Verkehr muss man dabei nicht viel Aufmerksamkeit widmen – wozu gibt es schließlich eine automatische Abstandsregelung und eine Spurführungshilfe, die bei der geringsten Abweichung von der Ideallinie Alarm schlägt. Und weil in Korea alle paar Kilometer eine Radarkamera hängt, warnt das System auf den Meter genau vor Tempokontrollen: Ein Traum für jeden Raser.
Unter der Haube gibt's kein Premium
Stattlich im Format, stolz im Design, schlau bei der Elektronik und schmuck im Innenraum – bis dahin hat der Koloss aus Korea allemal das Zeug, es mit einem Ford Edge, einem Skoda Kodiaq oder womöglich gar einem Mercedes GLE aufzunehmen. Doch beim Blick unter die Haube lösen sich die Aufstiegsambitionen schnell wieder in Luft auf. Denn da erkennt man, dass der zum Franzosen umgelabelte Koreaner eigentlich ein Japaner ist und sich der Technik des Nissan X-Trail bedient.
Deshalb holt selbst der stärkere der beiden Diesel aus seinen 2,0 Litern Hubraum nur 177 PS und dem anderen müssen 1,6 Liter und 130 PS genügen. Das sollte zwar im besten Fall für Verbrauchswerte knapp jenseits von fünf Litern reichen, und weil es nirgends mehr Tempokontrollen gibt als in Korea, spielt dort die Höchstgeschwindigkeit auch keine Rolle. Aber es ist zu befürchten, dass dem Koleos bei Vollgas auf einer deutschen Autobahn sehr früh die Puste ausgehen wird.
Samsung hat Ssangyong
In Korea jedoch scheint das keinen zu stören und der QM6 gehört zu den meistverkauften Modellen des Joint-Ventures. Auch ihm ist es deshalb zu verdanken, dass sich Samsung in den kurzen zwei Jahrzehnten als Automobilhersteller mittlerweile hinter Hyundai und Kia an dritter Stelle der koreanischen Statistik etabliert und die ältere Marke Ssangyong bereits abgehängt hat.
Und über Modelle wie den Koleos-Cousin QM6 finden die Koreaner auch ihren Weg in die Welt. Doch lange wird das Konstrukt so offenbar nicht mehr halten. Denn bis zum Jahr 2020 wollen Renault-Nissan und Samsung angeblich neu über die Namensrechte und die Beteiligungsverhältnisse verhandeln, weil der Elektronikriese sein Heil partout nicht auf er Straße sehen und sich nach koreanischen Medienberichten nicht weiter mit Autos schmücken will. Fürs Marketing in der Auto-Sparte mag das ein düsteres Szenario sein. Doch für die Ingenieure ist das eine leichte Übung: Dann bestellen sie einfach ein paar Rauten-Grills mehr und verkaufen den QM6 eben auch daheim als Renault Koleos. Viel mehr als die Logos müssen sie dafür ja nicht austauschen.
Quelle: n-tv.de , hpr/sp-x
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