Vor Putins Besuch bei Macron: „Krise der atlantischen Weltordnung“

  23 Mai 2017    Gelesen: 472
Vor Putins Besuch bei Macron: „Krise der atlantischen Weltordnung“
Obwohl Emmanuel Macron den proatlantischen Teil des französischen Establishments vertritt, kann er nicht die Beziehungen mit Russland ignorieren. In diesem Sinne kommentiert die russische Onlinezeitung vz.ru den in Kürze erwarteten Frankreich-Besuch von Wladimir Putin.
Vz.ru schreibt, der neue Präsident Macron sei ein proatlantischer Wahlkandidat gewesen: „Für ihn sind London, Berlin, Brüssel und Washington wichtiger. Das bedeutet allerdings nicht, dass er Moskau ignorieren will. Erst recht kann er es sich nicht leisten, die Meinung der Mehrheit von Frankreichs Elite und des Wahlvolks zu ignorieren, die sich ziemlich klar für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern aussprechen.“

Macron habe sich im Wahlkampf Marine Le Pen entgegengestellt, bei der eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland ein wichtiger Schwerpunkt im Wahlprogramm gewesen sei. Dabei habe er versprochen, keinem „Diktat von Putin“ nachzugeben. Macron habe aber auch Verhandlungen mit Russland als wichtig eingestuft – besonders in Sachen Ukraine und Syrien, so der Kommentar.

„Für Putin ist diese Reise nach Paris von rein angewandter Bedeutung. Er will Macron kennenlernen, mit dem man innerhalb der nächsten fünf Jahre zu tun haben wird. Moskau ist zu einem normalen sachlichen Gespräch mit Macron bereit“, kommentiert die russische Onlinezeitung.

„Für Macron wären persönliche Beziehungen zu Putin wichtig, um seine Unabhängigkeit zu demonstrieren und sein eigenes Image als leerer und haltungsloser Politiker zu widerlegen. Was am wichtigsten ist: In einem sehr großen Teil der französischen Elite ist tatsächlich die Meinung verbreitet, dass es nötig wäre, das französisch-russische Verhältnis zu verbessern. Die Vorteile, die Frankreich aus den Sanktionen zieht, sind gleich null. Da die USA keinen harten Druck mehr ausüben, um die Sanktionen aufrechtzuerhalten, bekommt Paris eine Möglichkeit, auf den allmählichen Ausstieg aus dem Handelskrieg-Modus hinzuarbeiten“, so vz.ru weiter.

Macrons Position im französisch-russischen Verhältnis werde wohl auf die Meinung der französischen Elite und die Haltung der USA zurückgehen: „Zwar vertritt er den proatlantischen Teil des französischen Establishments, doch alle Vorgänge, die seit einem Jahr im Westen stattfinden, demonstrieren eine äußerst ernsthafte Krise der atlantischen Weltordnung.“

„Der innenpolitische Kampf in den USA, der Brexit, die Krise des ganzen EU-Projekts, der Versuch einiger nationaler Eliten im Westen, zu ihren eigenen Gunsten jene Kompetenzen neu zu verteilen, die jetzt nationsübergreifenden Gremien gehören – all dies bringt den Herrn im Élysée-Palast in eine sehr komplizierte Situation“, stellt vz.ru fest.

Es sei keine Option für Macron, eine Fortsetzung von Hollande zu sein und darauf zu verzichten, die französische Souveränität zu verteidigen. Denn in diesem Fall werde Le Pen in fünf Jahren garantiert gewinnen: „Er wird Losungen im Sinne einer Festigung der nationalen Macht übernehmen müssen. Das tut er bereits. Dasselbe gilt auch für die internationale Politik: Macron wird in Richtung größerer Selbständigkeit für Frankreich driften.“

Vz.ru beschäftigt sich auch mit der Frage, ob Putins baldiger Frankreich-Besuch eine Art „Deckung“ für ein anderes Treffen sein könnte: „Bei aller Wichtigkeit des russisch-französischen Verhältnisses stehen derzeit vor allem die Beziehungen zwischen Russland und den USA im Brennpunkt der Aufmerksamkeit. (…) Nach dem G7-Gipfel auf Sizilien wird Donald Trump nach Washington fliegen. Oder kommt er unterwegs bei jemandem vorbei?“

Quelle. sputniknews.com

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