Eigentlich wollte May durch die vorgezogene Wahl ihre absolute Mehrheit im Unterhaus ausbauen und sich Rückendeckung für ihre harte Linie bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU holen. Bislang hatten die Tories mit 330 Sitzen die absolute Mehrheit im Unterhaus.
Die britischen Liberaldemokraten schlossen bereits eine Koalition aus. "Wir bekommen eine Menge Anrufe, um ganz klar zu sein: Keine Koalition, keine Deals", hieß es auf der Twitter-Seite der Liberaldemokraten. Dagegen zeigte sich die Partei der nordirischen Protestanten der DUP (Democratic Unionist Party) zu Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen bereit. Das deutete der DUP-Politiker Jeffrey Donaldson an. "Natürlich werden wir mit ihnen (den Konservativen) über ihren Wunsch sprechen, eine Regierung zu bilden", sagte Donaldson.
Eine Koalitionsregierung gab es in der britischen Nachkriegsgeschichte bislang erst einmal: Von 2010 bis 2015 schlossen sich die Tories unter Mays Amtsvorgänger David Cameron mit den Liberaldemokraten zusammen. In Großbritannien üblicher ist eine Minderheitsregierung. Angesichts der bevorstehenden Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens wäre es allerdings riskant, wenn die Regierung sich wechselnde Mehrheiten suchen müsste.
Labour könnte ebenfalls auf Partnersuche gehen und versuchen, eine Mehrheit zu schmieden. Sie könnte mit den schottischen Nationalisten und den Liberaldemokraten paktieren. Diese haben sich gegen einen Brexit ausgesprochen. Damit wäre auch nicht ausgeschlossen, dass es ein zweites Referendum zu dieser Frage gibt.
May: Land braucht Stabilität
Der Chef der Labour Pary, Jeremy Corbyn, forderte die Regierungschefin zum Rücktritt auf. May habe "Wählerstimmen, Unterstützung und Vertrauen verloren", sagte der Labour-Chef am frühen Morgen. Sie müsse abtreten und Platz machen für eine "wirklich repräsentative Regierung".
Auch die Politologin Paula Surridge von der Bristol University hält einen Rücktritt für möglich. May sei geschwächt. "Das ist eine Katastrophe für Theresa May. Ihre Führung würde in Frage gestellt werden und sie könnte zum Rücktritt gedrängt werden, falls sich die Ergebnisse bestätigen", sagte der Politikprofessor Iain Begg von Hochschule London School of Economics. Sein Kollege Tony Travers erklärte: "Das ist genau das Gegenteil dessen, was sie mit der Wahl erreichen wollte."
May sagte am frühen Morgen zunächst nur, sie wisse, dass das Land eine Periode der Stabilität brauche. Wenn die Prognosen richtig seien und ihre Konservativen die meisten Stimmen gewinnen würden, würden die Tories Stabilität liefern.
May hatte im April überraschend die Neuwahl angekündigt. Zu dem Zeitpunkt hatten die Konservativen in Umfragen einen Vorsprung auf Labour von etwa 20 Prozent. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten zwar auf einen geringeren Vorsprung hingedeutet, allerdings nicht auf einen Verlust der absoluten Mehrheit. Regulär hätte in Großbritannien erst 2020 gewählt werden müssen.
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