Deutschlands Kantersieg über San Marino

  11 Juni 2017    Gelesen: 616
Deutschlands  Kantersieg über San Marino
Das Publikum in Nürnberg hat den 7:0-Erfolg der DFB-Elf über Fußballzwerg San Marino gefeiert und mit Sandro Wagner einen neuen Liebling auserkoren. Die sportliche Relevanz dieses Spiels ging allerdings gegen null.
Das "Sandrooooo" des Stadionsprechers stieg in den Nürnberger Abendhimmel, das abschließende "Ooooo" schien dort oben über dem Stadion zu schweben und gar nicht mehr aufzuhören, noch ein zweites Mal, ein drittes Mal, "Sandrooooo" aus 30.000 Kehlen.

Man könnte denken, Deutschland hätte an diesem Abend einen neuen Fußballhelden zur Welt gebracht. Aber es war dann doch nur Sandro Wagner, und der Gegner beim 7:0 hieß auch nur San Marino. Die vermutlich schlechteste Nationalmannschaft, die Europa derzeit zu bieten hat.

Der guten Laune, die die DFB-Elf eine Woche vor dem Confed Cup in Russland verbreiten sollte, tat dies allerdings wenig Abbruch: Die Stimmung im nur mäßig gefüllten Nürnberger Stadion war ausnehmend wohlwollend, in Franken ist man etwas entwöhnt, was hochklassigen Fußball angeht. Die vergangenen Länderspiele, die der DFB nach Nürnberg vergeben hatte, waren Partien gegen Kasachstan und Gibraltar. Und der FCN hat eine unansehnliche Zweitligaspielzeit hinter sich gebracht.

Der Wunsch, sich gegen den hoffnungslos unterlegenen Gegner mal wieder zu amüsieren, einte Publikum und Mannschaft. Wahrscheinlich wäre an diesem Abend auch Helene Fischer nicht ausgepfiffen worden, wenn sie in der Pause aufgetreten wäre. Es war Fußball fürs Volk.

Herzerfrischend altmodischer Fußball

Und in so eine aufgeräumte Stimmung kommt ein Sandro Wagner genau richtig. Der Stürmer aus Hoffenheim ist nicht nur Sprüchemacher und polarisiert die Anhängerschaft, er spielt zudem einen so herzerfrischend altmodischen Fußball, dass man sich lange an einen solchen Mittelstürmer in der Nationalmannschaft zurückerinnern muss. Und man dann irgendwann womöglich gar bei Horst Hrubesch oder Klaus Fischer landet. Hohe Flanke, Kopfball, Tor. Dann macht es Bumm.

"Er hat seine Sache schon sehr gut gemacht", sagte Bundestrainer Joachim Löw anschließend und bemühte sich um eine angemessen relative Beurteilung. Auch der Stürmer selbst, ansonsten nie verlegen, die eigenen Vorzüge herauszustellen, wusste anschließend sehr gut einzuordnen, wie diese Leistung zu bewerten ist. Sein erstes Tor nach einer guten Viertelstunde habe sich "gut angefühlt, auf den Moment habe ich lange gewartet." Jedoch: "Gegen San Marino erwartet man aber auch von einem Stürmer Tore."

So wie von Serge Gnabry, der im Hinspiel im November drei Mal bei seinem Debüt für Deutschland getroffen hatte - und jetzt nicht einmal mehr dem Kader angehört. Wagner wird auch das im Hinterkopf haben. Von all den "Wagner-Festspielen", die noch am Abend bei Twitter herumgeisterten, sollte sich niemand blenden lassen, auch Wagner selbst nicht. "Bei anderen Gegnern müssen wir mehr auf Konter spielen, da brauche ich dann eher schnelle Spieler", machte Löw auch gleich schon mal deutlich, dass das Dreierpack von Nürnberg kein Freifahrtschein für die Startaufstellung beim Confed Cup bedeutet.

Mannschaft hat große Lust auf Fußball

Wenn man überhaupt versuchen kann, aus einer solchen Partie ein Resümee zu ziehen, dann war es dies: Hier war eine muntere Mannschaft am Werk, die Lust hatte, Fußball zu spielen. Mit Spielern, die es sich nicht leisten können, nur ihren Stiefel herunterzuspielen. Also genau die richtige Besetzung für so einen Abend. Eigentlich ist es eine gute Idee von Löw gewesen, auf so viele etablierte Kräfte zu verzichten. Den Stellvertretern kann jedenfalls niemand vorhalten, sie hätten die Einstellung vermissen lassen.

Ansonsten werden sich Wagner oder auch der auffällige Joshua Kimmich, der vier Treffer vorbereitete, nicht viel darauf einbilden, gelobt zu werden. San Marino war einfach viel zu schwach, das Team kam nicht ein einziges Mal in die Nähe des deutschen Strafraums. Jedes Testspiel gegen eine U17-Auswahl des DFB hätte mehr Erkenntnisgewinn gebracht. Torwart Marc-André ter Stegen hätte auch im nahen Valznerweiher spazieren können. Die milde Abendluft wäre schön dafür gewesen. So hatte er den wohl beschäftigungslosesten Arbeitstag des Jahres.

Das wird ab dem kommenden Sonntag anders werden. Dann spielt die Löw-Elf "gegen Top-Nationen", wie der Bundestrainer noch einmal betonte. Australien, Chile, Kamerun, "die sind auf ihren Kontinenten absolute Spitze".

Ob das die DFB-Mannschaft mit diesem Aufgebot derzeit ist, wird man dann sehen. Kapitän Julian Draxler sagte zwar nach dem Spiel, "wir sind glücklich über das Ergebnis, denn vor einer Woche wussten wir ja noch gar nicht, wo wir stehen". Sehr viel mehr weiß man jetzt allerdings auch noch nicht.

Quelle : spiegel.de

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