Welche Reichweite hat die Rakete wirklich?
Nach Angaben Nordkoreas ist die Rakete nach dem Start in der Provinz Nord-Pyongan 39 Minuten lang geflogen und hat dabei eine Höhe von 2802 Kilometern erreicht. Die Rakete vom Typ Hwasong-14 legte dabei eine Strecke von 933 Kilometern zurück. Das klingt - global gesehen - nicht gerade nach "Langstrecke". Doch die Flugbahn würde während eines echten Einsatzes auch völlig anders aussehen.
Um die Rakete zu Testzwecken ins nahe Japanische Meer stürzen zu lassen, haben die Ingenieure die Flugbahn extrem gestaucht. Daher flog das Geschoss zwar extrem hoch, stürzte jedoch innerhalb einer vergleichbar kurzen Distanz ins Meer. Kurz nach dem Test meldete das US-Verteidigungsministerium entgegen der Darstellung Nordkoreas, es handele sich um eine reguläre Mittelstreckenrakete. Doch die Offiziellen kannten zu diesem Zeitpunkt die enorme Flughöhe der Rakete noch nicht. Mit über 2800 Kilometern war die Rakete aus Nordkorea weit aus der Atmosphäre der Erde ausgedrungen. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation ISS bewegt sich auf einer Höhe von rund 400 Kilometern.
In einem echten Einsatz würde die extrem steile Flugkurve weit gestreckt. Die Rakete würde dann nur noch eine Flughöhe von etwa 1200 Kilometern erreichen und sich mit hoher Geschwindigkeit im Weltall dem Ziel nähern. Kurz vor Wiedereintritt in die Atmosphäre würde der sogenannte Wiedereintrittskörper von der Rakete gelöst und würde ins Ziel gelenkt. Anhand der Daten des gestern erfolgten Tests sind sich Experten des Pentagons einig, dass dieses mögliche Ziel bei der aktuell verwendeten Rakete etwa 6700 Kilometer vom Abschusspunkt entfernt liegen könne. Es gibt jedoch auch Schätzungen, die von 8000, zum Teil sogar von 10.000 Kilometern Reichweite ausgehen.
Woher kommt die Rakete?
Die Hwasong-14, oder auch KN-14 genannt, ist vermutlich eine Weiterentwicklung der Mittelstreckenrakete Hwasong-13 (KN-08), die erstmals auf einer Militärparade 2012 zu sehen war - zumindest als Attrappe. Die Rakete besitzt ein Flüssigkeitstriebwerk, bei dem der fertige Treibstoff erst in der Düse gemischt und abgebrannt wird. Raketen dieser Bauart und Größe haben in der Regel zwei Stufen, die KN-08 jedoch drei. Das machte sie nach Ansicht des Pentagons fehleranfällig. Zu diesem Fazit kommt ein Bericht der Raketenexperten Markus Schiller und Robert Schmucker aus dem Jahr 2012. Und tatsächlich schlugen zwei Tests mit diesem Raketentyp im Oktober 2016 fehl. Die KN-14 hat gegenüber dem Vorgängermodell offenbar nur zwei Stufen. Der simplere Aufbau macht sie wahrscheinlich zuverlässiger.
Der Raketenexperte Schiller sagte dem Nachrichtenmagazin "Spiegel", der Behälter für den Atomsprengkopf, der sogenannte Wiedereintrittskörper, habe eine stumpfe Bauart. Das Design sei deutlich einfacher umzusetzen und biete eine hohe Zuverlässigkeit bei dem kritischen Wiedereintritt in die Atmosphäre. Dabei wird der Flugkörper durch die immense Geschwindigkeit von mehreren tausend Stundenkilometern sehr heiß. Der Nachteil sei, dass das Geschoss mit der tödlichen Fracht recht langsam in die Atmosphäre zurückkehre und dadurch angreifbarer für Abwehrsysteme sei, so Schiller.
Wie geht es jetzt weiter?
Die militärische Schlagkraft Nordkoreas ist gewaltig: Die Armee verfügt über 1,3 Millionen aktive Soldaten und rund 4,7 Millionen Reservisten. Tausende Artilleriegeschütze nahe der Grenze haben die südkoreanische Hauptstadt Seoul als Ziel voreingestellt. Ein bewaffneter Konflikt auf der Halbinsel könnte Millionen Opfer fordern und die zwei Staaten in die völlige Verwüstung stürzen. Das wissen alle Konfliktparteien. Eine militärische Option ist daher sehr unwahrscheinlich.
Sanktionen haben die nordkoreanische Führung in der Vergangenheit jedoch auch nicht davon abhalten können, neue Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Der letzte Verbündete Pjöngjangs in der Region, China, hat sich in der Vergangenheit zudem geweigert, an einer harten ökonomischen Bestrafung Nordkoreas teilzunehmen. Zu groß ist die Angst in Peking, die Region zu destabilisieren. Kims Diktatur wirtschaftlich in die Knie zu zwingen und am Ende ein vereintes Korea zu schaffen, mag im Westen eine vielversprechende Idee zu sein. Für China wäre es ein Alptraum.
"Das letzte, was China will, ist ein US-freundliches, vereintes Korea", sagte dazu etwa der China-Experte Josef Jelinek des Washingtoner Think Tanks Frontier Strategy Group dem US-Sender CNBC. Denn es würde bedeuten, dass die USA ihre Truppen bis an die chinesisch-koreanische Grenze ziehen könnten. "Das, was wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, ist, dass Trump glaubt, Xi Jinping könne Nordkorea zügeln. Ich glaube, das ist eine Fehleinschätzung."
Sicher ist, dass die Korea-Krise auf dem kommenden G20-Gipfel in Hamburg eine große Rolle spielen wird. David Wright, Direktor des globalen Sicherheitsprogramms der NGO "Union of Concerned Scientists" sagte ebenfalls bei CNBC, eine Wiederaufnahme des Gesprächsfadens mit Nordkorea sei vielversprechend. In der Vergangenheit, als es noch Verhandlungen zwischen Nordkorea und den USA gab, habe sich gezeigt, dass Nordkorea wiederholt bereit gewesen sei, das Atomwaffenprogramm zu unterbrechen.
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