Usbekischem Journalisten droht Abschiebung aus Russland

  07 Auqust 2017    Gelesen: 871
Usbekischem Journalisten droht Abschiebung aus Russland
Ali Ferus, Journalist der kremlkritischen "Nowaja Gazeta", soll in sein Geburtsland Usbekistan abgeschoben werden, wo dem Homosexuellen Gefängnis und Folter drohen. Auswärtiges Amt und deutsche Botschaft sind involviert.
Ali Ferus, der für die regierungskritische Zeitung "Nowaja Gazeta" schreibt, ist in Moskau unterwegs, als ihn Polizisten anhalten. Sie wollen seine Papiere kontrollieren. Doch der Journalist hat seit Jahren keinen gültigen Ausweis. Der sei ihm vor fünf Jahren gestohlen worden, sagt er.

Die Beamten nehmen Ferus mit. Aus dem Polizeiauto meldet er sich per Video auf Facebook: "Ich bin festgenommen worden, sie fahren mich zu einer Polizeistation im Bezirk Basmannyj."

Es ist der 1. August. Am Abend wird Ferus, der eigentlich Hudobeidi Nurmatow, heißt, einem Richter des Bezirksgerichts vorgeführt. Der entscheidet, der Journalist müsse in sein Geburtsland Usbekistan abgeschoben werden. Noch im Gerichtssaal versucht sich der 30-Jährige nach Angaben seines Anwalts Daniil Chajimowitsch, mit einem Kugelschreiber die Pulsadern zu öffnen. Er habe so seiner Abschiebung zuvorkommen wollen. Ferus wird in ein Abschiebezentrum gebracht, auf dem Weg dahin soll er geschlagen und mit einem Elektroschocker misshandelt worden sein.

Wie es ihm nun geht, ist schwierig einzuschätzen. Chajimowitsch sagt im Gespräch mit dem SPIEGEL, sein Mandant sei stabil.

Am Montag um 11 Uhr beginnt nun das Berufungsverfahren vor einem Moskauer Gericht. Der Ausgang ist ungewiss, auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden hat, Russland dürfe Ferus bis auf Weiteres nicht abschieben. Doch dies ist allenfalls ein kleiner Etappensieg.

Ferus braucht ein Land, das ihn aufnimmt. Ginge es nach seinen Unterstützern, könnte dies Deutschland sein.

Nach SPIEGEL-Informationen bemühen sich die Deutsche Botschaft in Moskau und das Auswärtige Amt um eine Lösung. Die Göttinger Universität hat den usbekischen Journalisten eingeladen, an einer Feldstudie mitzuarbeiten, die Boris-Nemzow-Stiftung hat sich bereit erklärt, Ferus finanziell zu unterstützen. Entsprechende Papiere liegen den Behörden vor.

Offiziell kommentieren will man das aber weder in Moskau noch in Berlin.

Ferus' Fall ist verfahren, die Lage verworren. Ob er Russland verlassen kann, ist unklar.

"Fast tödliche Kombination"

Seit Jahren lebt Ferus mit der Angst, nach Usbekistan zurückzumüssen, berichten Kollegen und Freunde. Das zentralasiatische Land ist für Homosexuelle ein gefährliches Land, Ferus drohen Haft und Folter. Er hatte sich 2013 zu seiner Homosexualität bekannt, sich dann von seiner Frau scheiden lassen.

Der Journalist berichtet für seine Zeitung über die Rechte von Schwulen und Minderheiten. Auch über Migranten aus Zentralasien hat er geschrieben, er spricht deren Sprachen. Zu Zehntausenden arbeiten sie in Russland - etwa auf Baustellen, als Taxifahrer oder in den Küchen der Restaurants, vor allem in Sankt Petersburg und Moskau.

Eine Rückkehr von Ferus in sein Geburtsland wäre lebensbedrohlich, sagt auch Denis Kriwoschejew, stellvertretender Leiter von Amnesty International für Europa und Zentraleuropa. "Ferus ist Menschenrechtler, Journalist und Homosexueller." Dies sei eine "fast tödliche Kombination für jemanden, der kurz davorsteht, nach Usbekistan abgeschoben zu werden, wo Homosexualität als Verbrechen gilt und Folter verbreitet ist", so Kriwoschejew.

Hinzu kommt, dass Ferus nach Angaben der "Nowaja Gazeta" 2008 vom usbekischen Geheimdienst verhaftet und verhört wurde. Er sollte, so heißt es, islamische Freunde bespitzeln. Als er sich geweigert habe, als Informant tätig zu sein, sei er gefoltert worden. Ferus habe schließlich eingewilligt, habe fliehen können und sei erst nach Kirgistan, dann Kasachstan und schließlich 2011 nach Russland gegangen.

Kein Flüchtlingsstatus

Das russische Innenministerium hat ihm trotz mehrerer Versuche und Einsprüche kein Asyl gewährt. Dabei hat er im heutigen Russland sein Abitur gemacht, im russischen Kasan studiert, spricht gutes Russisch, seine Mutter und Geschwister sind russische Staatsbürger. "Ja, er hat seinen usbekischen Pass verloren. Daran hat er Schuld. Das stimmt alles, seit drei Jahren versucht er, neue Dokumente zu bekommen", sagt Dmitrij Muratow, Chefredakteur der "Nowaja Gazeta".

Muratow findet, Ferus habe das Recht auf einen Flüchtlingsstatus, auf russische Papiere. Der Journalist hat sich sogar an Präsident Wladimir Putin gewandt. Der Kreml, was in solchen Fällen eher selten ist, reagierte sogar öffentlich. Sprecher Dimitrij Peskow ließ verlauten, die Situation sei "sehr kompliziert".

Wohl auch, weil es für Moskau darum geht, das Verhältnis zu Usbekistan nicht zu belasten. Der Kreml braucht eine gesichtswahrende Lösung. Dabei kann vielleicht helfen, dass in der ersten Gerichtsentscheidung nicht explizit erwähnt wird, wohin Ferus eigentlich abgeschoben werden muss.

Die "Nowaja Gazeta" bemüht sich seit Wochen mit Unterstützern, Ferus in ein EU-Land zu bringen. Bereits im März war er von Polizisten mitgenommen und stundenlang verhört worden.

Deutschland sei bereit, den Journalisten aufzunehmen, schrieb der Chefredakteur bereits in einem Brief an Putin. Das Rote Kreuz werde, so heißt es im Umfeld der Zeitung, ein Laissez-Passer ausstellen - einen Passierschein, der es Menschen wie Ferus ermöglicht, ohne Papiere das Land zu verlassen.

Sein Anwalt Chajimowitsch will das auf Nachfrage nicht kommentieren. "Ich kann dazu noch nichts sagen. Ich konzentriere mich auf das Verfahren hier in Russland."

Quelle : spiegel.de

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