n-tv.de: Welche Rolle spielt Nordkorea für China?
Helena Legarda: China ist der wichtigste Verbündete Nordkoreas. Aber die Führung in Peking weiß auch, dass es eine Krise vor ihrer Haustür gibt. Es gibt zwei Lager unter chinesischen Experten. Die einen betonen die historische Verbundenheit mit Nordkorea und vermuten, dass Südkorea und die USA die Sorgen über Nordkoreas Atomprogramm als Vorwand benutzen, um Chinas strategische Einflusssphäre zu verringern. Das andere Lager betont eher die Gefahr, die von Nordkorea ausgeht, und befürwortet eine engere Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft. Die Regierung steht irgendwo in der Mitte, sie verhält sich da nicht eindeutig.
Wird Nordkorea noch immer als geostrategischer Puffer für China gesehen?
In Peking stehen Frieden und Stabilität in der Region ganz oben auf der Liste. Dazu gehört auch, dass die koreanische Halbinsel atomwaffenfrei wird. Deshalb ist Nordkorea momentan ein Problem für China und kein strategischer Partner. Es gibt nun mehrere Szenarien, die von chinesischen Kommentatoren diskutiert werden: Sollte es wegen der Sanktionen eine humanitäre Krise geben, wird China vermutlich mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um sie zu lösen. Bei einer militärischen Eskalation hängt es davon ab, wer sie auslöst. Greift Nordkorea die USA an, wird sich China wohl zumindest neutral verhalten, wenn nicht sogar gegen Pjöngjang agieren. Bei einem Angriff der USA sähe das anders aus, dann würde China vermutlich an der Seite seines Verbündeten stehen.
Ist an der Zusammenarbeit mit den USA in der Nordkorea-Krise eine Neuausrichtung der internationalen Politik Chinas zu beobachten?
Unter Präsident Xi Jinping betreibt China eine aktivere Außenpolitik, um international eine wichtigere Rolle einzunehmen. Der Grund dafür ist, dass immer mehr chinesische Firmen im Ausland aktiv sind, sei es über Investitionen staatlicher Firmen oder privater Unternehmer. Dies geschieht häufig in instabilen Staaten, und die dortigen chinesischen Investitionen und Arbeitskräfte müssen geschützt werden. Dafür braucht es stärkere diplomatische Verbindungen. Viele dieser Aktivitäten finden in China unter der Überschrift "Neue Seidenstraße" statt. Hinter diesem Begriff stecken gewaltige internationale Infrastrukturprojekte, die in ihrer Gesamtheit mehr über den Wandel der Außenpolitik aussagen als die Kooperation mit den USA in der Nordkorea-Krise.
Wann wurde dieser Wandel eingeleitet?
Spätestens im Jahr 2013, als Xi an die Spitze des Staates rückte.
Auch militärisch? China ist neben Asien etwa in Südamerika und Afrika diplomatisch und wirtschaftlich sehr aktiv. Andere Weltmächte wie die USA oder früher Russland haben ihren globalen Einfluss auch immer mit Waffen abgesichert.
China bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Xi ist es gelungen, das Militär zu reorganisieren. Dieser Prozess ist noch immer im Gange. Wegen der Neuen Seidenstraße gibt es ein viel höheres Sicherheitsbedürfnis auf internationaler Ebene, das sich auch in militärischen Kooperationen ausdrückt. Schon seit 2008 beteiligt sich China am internationalen Anti-Piraten-Einsatz am Golf von Aden. Am 1. August diesen Jahres hat die Volksbefreiungsarmee in Dschibuti ihre erste Militärbasis in Übersee eröffnet, offiziell aus logistischen Gründen.
Welche Umstrukturierungen hat Xi im Militär durchführen können?
Es gibt einen Wechsel der Militärdoktrin, weg von der reinen Landesverteidigung und hin zum Anspruch, dass bewaffnete chinesische Kräfte auch im Ausland aktiv sein können. Xi hat die Armee also auf die globale Ebene gehoben, wo sie jetzt agieren kann. Bislang hat China kaum Truppen ins Ausland entsandt. Die politischen und strukturellen Änderungen haben aber die Voraussetzungen geschaffen, dies zu tun, wenn nötig. Xi hat dafür die Kommandostruktur geändert, Führungskräfte ausgetauscht und neues militärisches Gerät anschaffen lassen. Es gibt zudem konkrete Pläne, das Heer zugunsten von Marine und Luftwaffe zu verkleinern.
Quelle: n-tv.de
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