Cadillac CT6 - Luxus für Individualisten?

  02 November 2017    Gelesen: 546
Cadillac CT6 - Luxus für Individualisten?
Nur selten bekommt man auf deutschen Straßen einen Cadillac CT6 zu Gesicht. Warum eigentlich? Nur viel Show und nichts dahinter? Der Praxistest von n-tv.de kommt zu einem anderen, recht überzeugenden Ergebnis.
Der US-amerikanische Straßenkreuzer ist wieder da! Aber nicht der gute, alte mit Heckflosse und so, sondern eine zeitgemäße Oberklasse-Limousine, die ordentlich auftrumpft. Mit 5,18 Metern Länge überragt der Cadillac CT6 sogar die aktuelle S-Klasse. Im Praxistest muss er beweisen, ob er auch sonst in dieser Liga mitspielen darf.

Eher blass und fantasielos könnte einem die Namensgebung erscheinen, wenn man sich noch an Modelle wie "Fleetwood" oder "Eldorado" erinnert. "CT6" hat aber nichts mit Computer-Tomographie im halben Dutzend zu tun, sondern ist eine veritable Premium-Kalesche, die sich anschickt, die arrivierten Erzeugnisse der deutschen Premium-Liga zu ärgern. Reichlich Platz und reichlich Leistung, dazu Rundum-Komfort ohne nerviges Options-Geschacher in endlosen Preislisten.

Eine gewisse Sympathie für den "American way of life" kann nützlich sein, wenn man die Anschaffung eines Cadillacs in Betracht zieht. Auf jeden Fall ist man in Deutschland mit solch einem Auto äußerst individuell unterwegs, denn kaum mehr als 400 Neuzulassungen wurden bis Herbst dieses Jahres hierzulande registriert, verteilt auf acht lieferbare Modelle. Das liegt wohl vor allem am dünnen Händlernetz, denn wenn man nicht im Großraum Berlin wohnt, hat man mitunter lange Wege einzuplanen, um etwa zur Inspektion zu kommen.

Ein Antrieb, zwei Ausstattungen

Was den Antrieb betrifft, bleibt etwaigen Kunden die Qual der Wahl erspart. Ein V6-Biturbo mit 417 PS, dazu Allradantrieb und eine Achtgang-Automatik – Ende der Durchsage. Immerhin kann man zwischen zwei Ausstattungsvarianten wählen, von denen die preisgünstigere mit dem Begriff "Basis" nur unzureichend beschrieben ist. "Luxury" wird sie vom Hersteller genannt und die Steigerung dessen trägt die Bezeichnung "Platinum". So lautete auch die Konfiguration des Testwagens, und dass es bei Platinum etwas nicht gibt, gibt es nicht. Aber dazu später mehr.

Verstecken kann man sich mit dem Caddi nicht. Nicht nur die wuchtige Präsenz seiner Ausmaße, auch das kantige Styling mit den bumerangförmigen Tagfahrlichtern, dem mächtigen Grill, den 20-Zoll-Rädern und den fein gezogenen Blechfalten machen ein Abtauchen im Großstadt-Dschungel unmöglich. "Hier fahre ich, ich kann nicht anders…" möchte man das Luther-Wort abwandeln, die Karosse strahlt Kraft und Selbstbewusstsein aus.

Die aufwändige Inszenierung setzt sich im Innenraum fort. Üppige Polstersessel mit weichem Leder, hochglanzpolierte Holzvertäfelungen im Dreiklang mit Aluminium- und Karbon-Applikationen, dazu eine kirmesbunte Vielfalt an Signalen und Symbolen, wenn die Bildschirme im Cockpit nach dem Start hochfahren. Dank eines Radstandes von 3,11 Metern taugt der Fußraum hinter den Vordersitzen zur Spielwiese für Kinder im Krabbelalter. Nur der Kofferraum ist mit 433 Litern nicht ganz so gewaltig, wie man es bei einem Amischlitten dieser Größe erwarten würde. Die Luke öffnet sich in 70 Zentimetern Höhe und bei aufrechten Rücksitzlehnen kann man bis zu einer Tiefe von 1,20 Metern beladen.

Ebenso originell wie gewöhnungsbedürftig ist der Innenspiegel, der auf zwei verschiedene Arten erlaubt, das geschehen hinter dem Fahrzeug zu betrachten. Er besteht nämlich nicht nur aus einer reflektierenden Fläche wie herkömmliche Spiegel, sondern auch aus einem dahinter liegenden Monitor, der auf Knopfdruck das Bild der Kamera am Kofferraumdeckel zeigt. Deren Weitwinkelobjektiv fängt natürlich sehr viel mehr Objekte ein, als durch die Heckscheibe wahrnehmbar sind – ein Sicherheitsgewinn allemal. Nur muss man die eigenen Augen erst an die ungewöhnliche Perspektive gewöhnen.

Ab Werk alles drin

Womit auch schon die Sonderausstattungen an der Reihe sind, die in der Platinum-Version diese Bezeichnung nicht führen. Warum? Weil alles inklusive ist: Ultraschall-Einparkhilfe vorn und hinten, Einparkhilfe, Spurhalteassistent und Spurhalteunterstützung, Frontkollisionswarner, Toter-Winkel-Assistent, Querverkehrswarnung, Stauassistent, Fußgängererkennung, automatische Fernlichtregulierung, Head-Up-Display und Nachtsichtsystem. Für das Wohlbefinden der Passagiere sorgen elektrisch verstell- und beheizbare Sitze vorn und hinten, Lendenwirbelstütze und Massagefunktion ebenfalls auf allen Plätzen, belüftete Sitze vorn, Medien-Steuerungssystem in der Armlehne hinten, Seitenscheiben-Jalousien hinten, Vier-Zonen-Klimaautomatik, beheizbares Lenkrad, Licht- und Regensensor.

War’s das? Nein! Die 360-Grad-Kamera zur Darstellung des Fahrzeugs in Vogelperspektive hilft beim Manövrieren, das Navigationssystem bei der Routenplanung und das mit zwei Bildschirmen versehene Rücksitz-Entertainment-System dabei, die Fond-Fahrgäste bei Laune zu halten. Auch das Panorama-Glasdach wird ab Werk mitgeliefert. Selbstverständlichkeiten wie Abstandstempomat oder diverse USB-Buchsen müssen hier aus Platzgründen unerwähnt bleiben. Nur bei der Verarbeitung scheint es noch Luft nach oben zu geben, denn bei einem wenige tausend Kilometer alten Testwagen sollten sich noch nicht die Nähte am Lenkradkranz lösen.

Sehr gern würde man in diesem Luxus-Ambiente das sonore Grummeln eines V8-Triebwerks vernehmen und natürlich auch erwähnen. Doch das schien den Entwicklern wohl nicht mehr zeitgemäß, weshalb mit zwei Zylindern weniger aus drei Litern Hubraum auszukommen ist. An Potenzial fehlt es dem Motor dennoch nicht. Die 417 PS werden von 555 Newtonmetern Drehmoment unterstützt, die ab 2500 Umdrehungen verfügbar sind. Das reicht für einen energischen Angriff auf die 100-km/h-Marke, die in 5,7 Sekunden gefallen ist. Wohl um auch im Datenblatt die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Premium-Limousinen zu dokumentieren, wurde die in der ersten Serie auf 240 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h angehoben.

Sanft auf der Langstrecke

Zwei Faktoren machen den CT6 so mess- und fühlbar dynamisch. Die Fuhre ist längst nicht so massig, wie ihre Optik es vermuten lässt. Man kann nur anerkennend mit der Zunge schnalzen, wie leicht den US-Ingenieuren die Karosserie geraten ist. Denn trotz der sehr umfangreichen Ausstattung soll die stattliche Limousine laut deutscher Zulassung nicht mehr als 2025 Kilogramm wiegen. Für eine echte Überraschung sorgte dann die Fahrt auf die Waage: 1990 Kilogramm zeigte sie für den Testwagen an. Das agile und wendige Fahrgefühl wird zudem von der mitlenkenden Hinterachse unterstützt.

Auch wenn ihm die sportliche Attitüde nicht fremd ist, liegt die wahre Bestimmung des CT6 im sanften Gleiten auf der Langstrecke. Gelassen und für die Insassen entspannt werden die Kilometer abgespult. Die Tauglichkeit als Chauffeurs-Limousine wird dadurch unter Beweis gestellt, dass der Fondpassagier dank WLan-Hotspot seine Geschäfte online erledigen kann. Einstellbare Fahrmodi sorgen dafür, dass Abroll- und Dämpfungskomfort stets im Wellnessbereich bleiben. Selbst an der Tankstelle gibt sich der große Viertürer bescheiden: Statt 9,6 Liter (wie auf dem Rollenprüfstand) verlangte er nach mehreren hundert Kilometern Testfahrt nur 1,2 Liter Aufschlag, was gemessen an Leistungspotenzial und Beförderungskomfort mehr als respektabel ist. Die automatische Zylinderabschaltung bei geringer Last hat daran gewiss ihren Anteil.

Fazit: Dem Vergleich mit Premium-Limousinen deutscher Provenienz hat der Cadillac CT6 in jeder Hinsicht bestanden. Mag sein, dass ein Cadillac vor der Tür nicht so viel Prestige verspricht wie eine S-Klasse, aber es ist ein Signal. Der Halter gibt damit kund, dass er individuellen Lösungen zugetan ist, wenn Preis und Leistung eine gelungene Symbiose eingegangen sind.

Quelle: n-tv.de

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