DFB-Elf erfolgreich wie mit Berti Vogts

  15 November 2017    Gelesen: 679
DFB-Elf erfolgreich wie mit Berti Vogts
Erstmals seit 1997 beendet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ein Länderspieljahr wieder ungeschlagen. Der Abschluss gegen Frankreich wird noch einmal zu einem Tempo-Spektakel mit allerdings gescheiterten Abwehrexperimenten.
Um was ging's?

Um Leidenschaft. Um Emotionalität. Um Tempo. Um schnelles und cleveres Umschaltspiel. Scho au (Löw'scher Sprech) ein bisschen ums Fehlermachendürfen. Um einen Test auf Augenhöhe. Und um den erfolgreichen Abschluss eines Spitzenjahres – denn erstmals seit 1997, seit, jaja, seit Berti Vogts, wären Deutschlands Fußballer (mindestens ein Remis vorausgesetzt) in einem kompletten Kalenderjahr (15 Spiele) wieder ungeschlagen geblieben. All das (außer dem Vogts-Rekord) hatte Bundestrainer Joachim Löw seinen DFB-Spielern vor dem letzten Länderspiel 2017 gegen die jung-wilden Franzosen ins Prä-WM-Aufgabenheftchen geschrieben. In Kurzform wollte er damit im wohl fünftletzten Spiel vor Anpfiff der Mission Titelverteidigung am 10. Juni 2018 in Russland noch einmal all das sehen, was er im sechstletzten Test am vergangenen Freitag im Londoner Wembley-Stadion gegen England (0:0) vermisst hatte.

Hat's geklappt?

Durchaus. Auch wenn das Spiel im schon winterlich-kalten Köln nicht gewonnen wurde. Aber das 2:2 (1:1) nach Toren von Alexandre Lacazette (34./71.) sowie Timo Werner (56.) und den spät eingewechselten Lars Stindl (90.+2) gegen den französischen Talente-Wahnsinn hatte sehr großen Unterhaltungsfaktor. Was in Halbzeit eins an den wuchtigen Gästen und in Durchgang zwei an nie aufsteckenden und kombinationsfreudigen Gastgebern lag.

Die Highlights im Spielfilm

12. Minute: Immer wieder spektakulär diese copyrightgeschützte Heldengrätsche von Abwehrboss Mats Hummels. Besonders spektakulär wenn er sie im Volltempomodus gegen Volltempostürmer Kylian Mbappe im Strafraum auspackt.

28. Minute: Özil schießt – und Sekunden später kontern die pfeilschnellen Anthony Martial (am Ball) und Mbappe für Frankreich. Weil die beiden aber, alleine gegen Niklas Süle, soooo viel Zeit für eine listige Idee haben, laufen sie sich so dusselig zusammen, dass sie plötzlich unmittelbar neben einander stehen - und Passempfänger Mbappe sogar knapp im Abseits.

TOOOOOR FÜR FRANKREICH, 0:1, 34. Minute: Martial fragt: "Aimez-vous danser, Niklas?" Süle antwortet: "Oh, oui!" Blöd nur (aus deutscher Sicht), dass so das 0:1 fällt. Und so ist's genau passiert: Seitenverlagerung von Blaise Matuidi, Volleyflanke von Lucas Digne, lässiges Tänzchen von Martial, der dann bestens gelaunt für den freistehenden Lacazette auflegt.

39. Minute: Gönnen wir der deutschen Offensive auch ein Highlight: Julian Draxler steckt von der Mittellinie für Werner durch, der vergisst die Ballannahme, ebenso wie Keeper Steven Mandanda, gut für ihn, dass Raphael Varane mitgelaufen war...

53. Minute: Übersteiger-Akkordler Draxler hat mit seinem Charakter-Dribbling gegen Digne Erfolg, seine Hereingabe aber drückt der gerade eingewechselte Antonio Rüdiger tatsächlich neben den Pfosten. Er ist halt Innenverteidiger.

TOOOOOR FÜR DEUTSCHLAND, 1:1, 56. Minute: So will der Bundesumschaltprofessor das sehen: Ballgewinn Özil, Antraben Özil, Pass Özil - Sprint Werner, Schuss Werner, Tor Werner.

70. Minute: Kroos lässt's krachen, aus gut 20 Metern, per Freistoß, ans innere Lattenkreuz.

TOOOOOR FÜR FRANKREICH, 1:2, 71. Minute: Statt 2:1, 1:2. Warum? Weil Lacazette plötzlich frei von Trapp steht und ihn wie weiland Werner tunnelt.

TOOOOOR FÜR DEUTSCHLAND, 2:2, 93. Minute: Aufbruchstimmung im Stadion, Jubelstimmung bei Lars Stindl. Mit einem Wuchtschuss von der linken Fünfmeterraumkante, vorbereitet von Comebacker Mario Götze, rettet der Gladbacher spät die erste Makellos-Bilanz seit 1997.

Teams & Tore

Deutschland: Trapp – Can (83. Stindl), Hummels (46. Rüdiger), Süle, Plattenhardt – Khedira (75. Rudy), Kroos – Özil, Gündogan (65. Götze), Draxler – Werner (85. Wagner); Coach: Löw.
Frankreich: Mandanda – Jallet (64. Pavard), Varane, Umtiti, Digne (82. Kurzawa)– Rabiot – Tolisso, Matuidi (64. N'Zonzi) – Mbappe, Martial – Lacazette (75. Griezmann); Coach: Deschamps.
Tore: 0:1 Lacazette (34.), 1:1 Werner (56.), 1:2 Lacazette (71.), 2:2 Stindl (90.+3)
Schiedsrichter: Cakir (Türkei)
Zuschauer: 36.948 im RheinEnergie-Stadion

Das war gut

Das Umschaltspiel. Denn das war genau so, wie Löw sich das vorstellt. Und vermutlich wird er seinen Jungs deswegen auch beim nächsten Wiedersehen im März vor dem Länderspiel noch einmal die Videos der Franzosen vorspielen. Erst resolut in der Balleroberung, dann über Matuidi, Mbappe, Martial und Doppeltorschütze Lacazette wuchtig, zielstrebig und voller Überzeugung Richtung Tor. Dort aber stand ihnen meistens Kevin Trapp im Weg. Der durfte ja einigermaßen überraschend mal wieder Spielminuten sammeln und kann für seinen Lebenslauf und somit auch die Bewerbung für ein WM-Ticket mindestens vier Topparaden verbuchen sowie darauf verweisen, dass er bei beiden Gegentoren von seiner Abwehr in ziemlich frustrierende Eins-gegen-eins-Situationen gezwungen wurde. Eine davon kreierte die deutsche Mannschaft beim Ausgleich durch Werner ebenfalls. Ihre stärksten Momente hatte die Mannschaft aber, wenn sie den Ball in höchstem Tempo durch die Mitte und über die Flügel in den Strafraum kombinierte. Was zwar oft ergebnislos blieb, aber erkenntnisreich war. Und das war ja ohnehin der Output, den sich Löw erhofft hatte.

Das war nicht so gut

Immer wenn die Franzosen mit der ihnen eigenen Wucht in den Strafraum bretterten, sah Niklas Süle nicht besonders gut aus. Zwei Minuten vor dem 0:1 ließ das Bayern-Talent sich von bis zu einhundertachtzigmillioneneuro-Bubi Mbappe stumpf auswackeln und nicht minder steif sah er aus, als ihn Martial sehr ansehnlich ausfummelte. Allerdings: Außer Hummels, der nur bis zur Pause spielte, hatten alle deutschen Abwehrspieler, vor allem auch Emre Can als Kimmich-Ersatz immer wieder Probleme bei Abstimmung und Timing. Ein fatales Beispiel: Beim zweiten Gegentor hob Linksaußen Marvin Plattenhardt das Abseits gegen Lacazette auf.

Die Überraschung des Spiels

Die Aufstellung von Professor Löw. Der hatte sich für die letzte Testreihe des Jahres wieder einmal etwas erdacht, mit dem so niemand gerechnet hatte. In seiner Versuchsanordnung sortierte er Can für Joshua Kimmich auf die rechte Seite, und Plattenhardt für den in Wembley solide debütierenden Marcel Halstenberg auf die linke. Den Platz vor Can besetzte der Bundesakademiker mit Ilkay Gündogan, der bei seinem DFB-Comeback gegen England auf der ungewohnt bestückten Doppelsechs mit Özil ja in der Spieleröffnung überzeugt, bei der Defensivarbeit aber doch einige Male geschludert hatte. Oder sagen wir so: Er hatte noch nicht wieder das richtige Timing (klingt besser). Neben den bereits am Montag angekündigten Versuchskonstanten Trapp im Tor, Kroos und Sami Khedira im zentralen Mittelfeld, überraschte der Bundestrainer aber vor allem mit einer Nicht-Nominierung: So durfte Dortmunds Nationalmannschaftscomebacker Götze erneut nicht DFB-comebacken. Zumindest nicht von Beginn an (er wurde in der 65. eingewechselt). Überrascht? Nun, das soll nicht sein. Denn Löw sieht es so: "Wir sind so ein bisschen Visionäre und überlegen uns manchmal verrückte Dinge, und wenn sie noch so absurd erscheinen."

Die Randnotiz des Tages

In Minute 28 landete der erste Papierflieger auf dem Rasen des Kölner Stadions. Bis Abpfiff folgten weitere sieben. Zum Vergleich: In Wembley schafften es 13 Segler aufs Feld, trotz flacherer Tribünen, sprich weiterer Wege. Aber da war das Spiel ja auch langweiliger und bot folglich mehr Zeit fürs Basteln und Werfen.

Die Enttäuschung des Spiels

Das Interesse der Zuschauer an deutschen Testkicks. Gerade einmal 36.948 waren da – dabei eine durchaus anständige Menge aus Frankreich, wie die zahlreichen kleinen, geschwenkten Trikolore-Flagge belegen. Knapp 10.000 mehr hätten es sein können. Und gerne auch seien sollen. Denn bis zum Anpfiff hatten die deutschen Spieler auf Last-Minute-Begeisterung gehofft. So hatte Julian Draxler noch am Montag mitteilen lassen: "Ich denke, dass an der Abendkasse noch die eine oder andere Karte weggeht, 30.000 wäre vielleicht ein bisschen enttäuschend." Recht hatte er, enttäuschend war's trotz dem Plus von 6948 dennoch, auch wenn der Stadionsprecher bemüht war, die Zahl lautstark schön zu reden: "Vielen Dank, dass so viele von euch gekommen sind."

Quelle: n-tv.de


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