International Emmy für deutsche Neonazi-Serie

  21 November 2017    Gelesen: 587
International Emmy für deutsche Neonazi-Serie
Zwei Neonazis, eine Sechsjährige aus Eritrea und ein trauriger Adolf Hitler: Die deutsche Mini-Serie "Familie Braun" holt einen International Emmy. Das ZDF wiederholt die Serie am Donnerstag.
Thomas Braun und Kai Stahl staunen nicht schlecht, als plötzlich die sechsjährige Lara vor der Haustür ihrer Neonazi-WG steht. Die beiden Männer machen daheim aus ihrer politischen Gesinnung keine Mördergrube, überall stehen und hängen in der der ZDF-Miniserie "Familie Braun" nationalsozialistische Devotionalien herum. Und nun wird ihr Leben um ein junges Mädchen bereichert, dessen Mutter aus Eritrea stammt und mit der Thomas einen One-Night-Stand hatte.

Die kuriose Geschichte, erzählt in acht kurzen Episoden, kam nicht nur bei der deutschen Kritik an. Am Montagabend wurde sie in New York mit einem International Emmy ausgezeichnet, nachdem sie bereits zuvor mit dem Deutschen Comedypreis gewürdigt wurde.

Beim International Emmy setzte sich „Familie Braun" gegen Konkurrenten aus Kanada, Argentinien und Brasilien durch. Die humoristische Darstellung von Neonazis in „Familie Braun“ sei keineswegs verharmlosend, sagte Produzentin Beatrice Kramm nach dem Sieg - im Gegenteil: „Man muss gegen Neonazismus kämpfen, wie man auch immer es kann.“ Gerade mit Humor könne man bei diesem Thema sehr viele Menschen erreichen.

Warum schaut Adolf Hitler so traurig?

Lara - gespielt von Nomie Laine Tucker - wird bei Neonazi Thomas (Edin Hasanovic) abgegeben, weil ihre Mutter (Karmela Shako) nach Eritrea abgeschoben werden soll. In einer Szene steht das Mädchen mit dem Krauskopf in der WG und betrachtet das übergroße Poster einer Briefmarke mit dem Konterfei von Adolf Hitler. "Wer ist das und warum schaut er so traurig?", fragt die Sechsjährige. "Der Führer schaut nicht traurig sondern nachdenklich, klar!", versuchen Thomas und sein Mitbewohner Kai anfangs noch entgegenzuhalten, doch der Widerstand gegen den Charme des jungen Mädchens hält zumindest bei ihrem Vater nicht lange. Interessant an der Vergabe des International Emmys an das ZDF ist, dass damit erneut ein Stoff aus Deutschland ausgezeichnet wurde, der sich kritisch mit der deutschen Vergangenheit beziehungsweise dessen Fortsetzung in der Gegenwart beschäftigt. Im Vorjahr hatte unter anderem die Serie "Deutschland 83" um einen DDR-Grenzsoldaten ging einen International Emmy geholt.

Die große Herausforderung an "Familie Braun" sei die Kürze der einzelnen Folgen gewesen, die jeweils nur zwischen vier und sechs Minuten lang sind, sagte ZDF-Redakteurin Lucia Haslauer nach der Preisvergabe. Insgesamt kommt die Produktion - das Drehbuch schrieb Manuel Meimberg, Regie führte Maurice Hübner - so auf eine Länge von 42 Minuten. Die Serie war vor der Ausstrahlung im Februar 2016 im ZDF bereits auf Youtube zu sehen. Sie ist weiterhin über die ZDF-Mediathek abrufbar. Das ZDF wiederholt die Dramedy-Serie an diesem Donnerstag (23. November) um 0.45 Uhr.

Die International Emmys sind der weltweite Ableger des wichtigsten Fernsehpreises der Welt. Auch die für nichtamerikanische Produktionen vergebenen Ehrungen sind sehr begehrt, haben aber nicht den Glanz der in Los Angeles vergebenen US-Preise. Mit insgesamt vier Preisen in den elf Kategorien ging Großbritannien dieses Jahr als stärkstes Land aus der Verleihung

Ebenfalls nominiert für einen International Emmy in der Kategorie Beste Darstellerin war die Schauspielerin Sonja Gerhardt für ihre Rolle in der ZDF-Serie „Ku'damm 56“. Diese Ehrung ging jedoch an die Britin Anna Friel für ihre Darstellung in der Serie „Marcella“. (mit dpa)

Quelle : tagesspiegel.de

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