Berliner Alex-Wache soll Wunder bewirken

  16 Dezember 2017    Gelesen: 963
Berliner Alex-Wache soll Wunder bewirken
Mit der neuen Polizeiwache auf dem Alexanderplatz soll alles anders werden. An kaum einem Ort in Berlin ist es so gefährlich wie zwischen Fernsehturm und Weltzeituhr. Die nun verstärkte Präsenz der Behörden könnte Straftaten künftig verhindern, muss es aber nicht.

"Polizeiliche Präsenz macht brav", verkündet Dieter Roman bei der Eröffnung des neuen Berliner Prestigeprojekts. Dabei hatte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums zu Jahresbeginn noch arge Zweifel, ob die neue Wache auf dem Alexanderplatz tatsächlich jemals eröffnet wird. Nun nehmen die Beamten in dem blau-weißen Quader mitten im Herzen der Hauptstadt ihre Arbeit auf. Die musikalische Begleitung des Brandenburger Polizeiorchesters prophezeit Großes und beschallt den Platz mit Tim Bendzkos "Nur noch kurz die Welt retten".

Die Wache ist ein Gemeinschaftsprojekt der Berliner Polizei mit der Bundespolizei und dem Berliner Ordnungsamt. Umso stolzer sind Innensenator Andreas Geisel, Polizeipräsident Klaus Kandt und Stephan von Dassel, Bürgermeister des Bezirks Mitte, die Wache nach 99 Tagen Bauzeit fristgerecht in Betrieb zu nehmen und an die Einsatzkräfte zu übergeben. Dennoch müsse man die Erwartungen dämpfen, mahnt Geisel. "Wir dürfen nicht glauben, dass wir heute die Alex-Wache eröffnen und morgen alles gut ist." Der SPD-Politiker geht sogar von einem Anstieg der registrierten Kriminalfälle aus, denn auf der Wache sollen künftig vor allem Strafanzeigen aufgenommen werden.

"Die Wache ist als Anzeigenaufnahmestelle konzipiert und daher auch nur mit dem Nötigsten ausgestattet", sagt Daniela Polti. Die Polizistin wird gemeinsam mit einem Kollegen die Wache am Alexanderplatz leiten und erklärt die Vorteile des Baus: "Wir erhoffen uns ein erhöhtes subjektives Sicherheitsempfinden." Zudem könne man Einsätze der 25 Beamten auf dem Platz besser koordinieren und enger mit den Kollegen des Ordnungsamtes zusammenarbeiten. Drei Polizisten werden künftig rund um die Uhr in dem Fertighaus anzutreffen sein und die Beschwerden der Bürger aufnehmen. Weitere Polizisten patrouillieren zwischen Weltzeituhr und Fernsehturm. Vermehrte Touristenfragen fürchtet Polti nicht. "Unsere Beamten werden auch jetzt schon ständig von Touristen angesprochen", sagt sie.

Auch ein möglicher Terroranschlag auf das Haus ängstigt die Chefin der Wache nicht. "Es gibt eine abstrakte Gefährdungslage, aber diese ist nicht höher als bei jedem anderen Objekt in der Stadt." Ein Tourist, der den Presseauflauf rund um die neue Polizeistation beobachtet, sieht das anders. "Das hier reicht nicht, um Terroristen abzuhalten", sagt Michael Dillner aus der Schweiz. "Wenn ich jemanden erschießen will, erschieße ich ihn. Da hält mich auch kein Sicherheitsglas ab."

"Freundlicher Ort" mit wenig Charme

Eine Million Euro hat der 70 Quadratmeter große Block gekostet. Probleme beim Bau verursachten vor allem die darunterliegende U-Bahn, das weit verzweigte Leitungsnetz und der denkmalgeschützte Bodenbelag auf dem Alexanderplatz, erklärt Sven Lemis, Geschäftsführer des Berliner Immobilienmangements (BIM), das für die Errichtung zuständig war. Innen versprühen weiße Wände, ein Tresen wie in einer Arztpraxis und Schwarz-Weiß-Fotografien einen klinischen Charme. Polizeipräsident Kandt spricht dennoch von einem "repräsentativen Objekt mit Ausstrahlung". Die Wache sei ein freundlicher Ort, der Menschen zum Reinkommen einlade.

7820 Straftaten wurden im vergangenen Jahr auf dem Gelände rund um den Alexanderplatz registriert. Die meisten davon sind Taschen- und Ladendiebstähle. Dennoch kommt es immer wieder zu Vorfällen, die mit schweren Verletzungen oder gar tödlich enden. Im Juni dieses Jahres wurde ein 38-Jähriger die Treppe zur U8 hinuntergestoßen, im Oktober 2012 wurde der 20 Jahre alte Jonny K. nahe dem Fernsehturm bei einer Schlägerei getötet. Dennoch sind die Initiatoren bei der Eröffnungsfeier der Alex-Wache überzeugt von dem Projekt. "Es ist ein weiterer Baustein zu mehr Sicherheit", sagt BIM-Chef Lemis. Innensenator Geisel erklärt: "Wir wollen unseren Platz zurückgewinnen." Um Straftäter schneller verfolgen zu können, gebe es sogar die Idee, eine Staatsanwaltschaft eigens für den Alexanderplatz einzurichten.

Bei einigen Berlinern kommt die neue Polizeipräsenz gut an. "Ich finde die Wache gut und fühle mich jetzt sicherer", sagt Karl Binder. Für den Senioren ist der Alex genau der richtige Platz für einen solchen Bau. Auch eine andere Passantin, die ihren Namen nicht nennen möchte, ist froh über den Neubau. "Mein Mann ist Polizist und musste hier bisher immer Streife fahren, nun muss er das nicht mehr." Sie prognostiziert aber, dass die Kriminalität künftig trotzdem nicht sinken werde, sondern sich in Richtung Fernsehturm verlagere.

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