Putins erfolgreiches Jahr

  28 Dezember 2017    Gelesen: 737
Putins erfolgreiches Jahr
Wladimir Putin kann mit Genugtuung auf das Jahr 2017 zurückblicken. Russland gewinnt international an Einfluss. Mit US-Präsident Trump sieht sich Putin auf Augenhöhe. Die Weichen für seine Wiederwahl am 18. März 2018 sind gestellt.
Wladimir Putin ist dankbar und tut dies auch kund. Adressat seines telefonischen Lobes ist sein US-Kollege Donald Trump. Schließlich hat die CIA mit Informationen dazu beigetragen, dass Terroranschläge in Putins Heimatstadt Sankt Petersburg und in der Tatarenmetropole Kasan verhindert werden konnten. Aller sonstigen russisch-amerikanischen Dissonanzen zum Trotz: Für den ehemaligen Geheimdienstmann Putin sind solche Fakten ein Beleg dafür, dass der heiße Draht zwischen Moskau und Washington auch in Zeiten wachsender politischer Spannungen funktioniert.

Der politische Wille auf beiden Seiten, garniert mit diplomatischer Kunst, macht es möglich, dass schrille Töne zwischen beiden Mächten einher gehen mit fruchtbarer Zusammenarbeit vor und hinter den Kulissen. Putin macht das deutlich, wenn er seinen Sprecher Dmitri Peskow mitteilen lässt, dass Russland ein "Gefühl von Dankbarkeit" gegenüber den USA verspüre. Die CIA-Informationen seien ein "mustergültiges Beispiel der bilateralen Zusammenarbeit", verlautet geradezu überschwänglich aus Moskau. Ähnlich äußert sich der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow.

Dass Trump kurz darauf bei der Vorstellung seiner Sicherheitsstrategie verbal gegen Russland und China zu Felde zieht - geschenkt. Zwar wird dem Kremlchef nicht sehr gefallen haben, dass der krawallige New Yorker ihn beschuldigt, die Sicherheit und den Wohlstand der Vereinigten Staaten untergraben zu wollen. Allerdings versteht der Russe das Vorgehen seines diplomatisch unerfahrenen Gegenübers, der schließlich mit einer "America first"-Strategie ins Weiße Haus gekommen ist. Gerade diese Strategie ist es ja, die Putin außenpolitisch mehr Spielraum verschafft und es ihm ermöglicht, sein Land machtpolitisch in einem besseren Licht dastehen zu lassen.

Zeit der Demütigungen ist vorbei

Der außenpolitisch kleingeistig agierende US-Präsident lässt den nationalkonservativen Putin geradezu als Verfechter der Globalisierung erscheinen. Dabei macht der 65-Jährige eigentlich auch nicht anderes als "Russia first"-Politik, allerdings eleganter und geschmeidiger als sein Kollege westlich des Atlantiks.

Ob im Nahen und Mittleren Osten, in Asien oder Europa: Russland nutzt das durch Trumps Rückzugspolitik entstandene Vakuum und springt in die Bresche. Aus Sicht Putins nimmt sein Land nun den Platz in der Weltpolitik ein, der ihm aufgrund seiner Größe auch zusteht. Der Staatschef zieht im Jahr 2017 endgültig einen Schlussstrich unter die Ära seines Vorgängers Boris Jelzin, die aus Putins Sicht eine der Demütigungen und Zumutungen für Russland war.

Denn politisch und militärisch gesehen erlebt Russland unter Putin ein Comeback als Großmacht. Er will in Krisenregionen Fuß fassen, aus denen sich die USA zurückziehen. Im syrischen Bürgerkrieg sorgt er für eine Entscheidung zugunsten des dortigen Machthabers Baschar al-Assad. Aber Putin erreicht noch mehr: Er zeigt den USA in dieser Region ihre Grenzen auf und erweitert den russischen Einfluss beträchtlich. Das Ergebnis: Eine politische Nachkriegslösung für Syrien ist ohne Russland nicht machbar. Mit der Türkei hat er dabei ein wichtiges Nato-Land auf seiner Seite. Putin spielt nunmehr im Syrien-Stück die Hauptrolle, Trump hat - freiwillig - eine Nebenrolle angenommen.

Nicht in Putins Interesse können dagegen die Schwierigkeiten sein, die der US-Präsident wegen einer angeblichen Zusammenarbeit seines Wahlkampfteams mit Russland hat. Wenn dem so ist, dass Putin mit Agentenmethoden Einfluss auf die US-Präsidentenwahl im November 2016 nahm, dann hat er sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Denn dem wegen dieser Frage in Bedrängnis geratenen Trump ist es unter diesen Bedingungen nicht möglich, die bilateralen Beziehungen zu Russland gravierend zu verbessern und "Deals" mit Moskau zu machen. Der politische Fuchs Putin weiß das und hat sich bereits darauf eingestellt.

Offensiv bei Europa, defensiv bei Nordkorea

So in Europa: Russland will Einfluss auf Osteuropa zurückgewinnen und geht dabei auf Konfrontation zu den USA, der Europäischen Union und der Nato. Das Großmanöver "Sapad" (Westen) vom September unterstreicht den expansiven Charakter seiner Politik. Putin macht vor allem den baltischen Staaten Angst, die Anfang der 1990er-Jahre aus dem sowjetischen Staatsverband ausgetreten waren. Sie fordern mehr Nato-Einheiten in ihren Ländern. Natürlich greift Russland das Baltikum nicht an und zieht nach dem Manöver seine Einheiten wieder aus Weißrussland ab, aber die ständigen Drohungen des übermächtigen Nachbarn sorgen in Vilnius, Riga und Tallinn für Verunsicherung. Putin kommt das gelegen, hat er doch damit Klarheit geschaffen, dass eine Ausweitung des Nordatlantikpaktes auf die Ukraine auf absehbare Zeit nicht stattfinden wird.

Hinsichtlich der ehemaligen Sowjetrepublik bleibt Putin bei seiner harten Haltung. Nach wie vor gehört die Ukraine für ihn zum russischen Einflussbereich. Dementsprechend dosiert er seinen Druck auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Mit Wohlwollen wird Putin auch zur Kenntnis genommen haben, dass die Stimmen, die die russische Annexion der Halbinsel Krim verurteilen, deutlich leiser geworden sind. Die Fakten, die Putin geschaffen hat, sind langfristiger Natur. Dass die Krim einmal zurück an die Ukraine gehen könnte, ist derzeit unvorstellbar. Dass sich in Kiew mit Präsident Petro Poroschenko und dem ehemaligen georgischen Staatschef Michail Saakaschwili zwei Putin-Gegner bekämpfen, spielt dem Russen auch in die Hände.

Viel zurückhaltender agiert Putin Tausende Kilometer weiter östlich in der Nordkorea-Krise. Seinen Außenminister Sergej Lawrow lässt er die USA verbal attackieren. Es sei die "egoistische und zynische" Politik Washingtons, die für die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verantwortlich sei, sagte der Chefdiplomat. Putin agiert mehr im Hintergrund, wohl wissend, dass Russland trotz einer 19 Kilometer langen gemeinsamen Grenze mit Nordkorea nicht der erste Ansprechpartner für den mit Atomraketen hantierenden Diktator Kim Jong Un ist. In einem Telefonat mit Trump gibt er lieber den Schiedsrichter und weist den USA und China die Hauptrolle zu. Für Russland sind Atom-Verhandlungen mit dem stalinistischen Nordkorea das einzige probate Mittel zur Entschärfung der Krise.

Wichtiger Handelspartner China

Putin widmet sich lieber den Beziehungen zu China. Der russische Präsident wird nicht müde, die Bedeutung der strategischen Partnerschaft seines Landes mit dem wirtschaftlichen starken Reich der Mitte zu betonen. Russland werde die weitere Beteiligung Chinas an russischen Projekten unterstützen, sagte Putin auf seiner Jahres-Pressekonferenz. Der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern wächst. Zu Chinas erstem Mann Xi Jinping hat Putin einen guten Draht aufgebaut. Und für den Kommunisten Xi lässt sich der Ex-Kommunist Putin auch nicht lumpen: Die höchste russische Auszeichnung, den Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen, bekam der Chinese im Juli ans Revers geheftet.

Es sind vor allem ökonomische Gründe, die Putin dazu zwingen, Xi zu umgarnen. Politisch und militärisch ist Russland ein Riese, wirtschaftlich dagegen ist es für seine Größe schwach. Russland stellt die nur zwölftgrößte Volkswirtschaft der Erde und hat nach wie vor mit gravierenden Problemen zu kämpfen, die unter anderem durch die westlichen Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise verschärft werden. Der niedrige Ölpreis machen dem Rohstofflieferanten Russland zu schaffen. Die Industrie ist im Verhältnis zu den USA, China, Japan oder Deutschland kaum wettbewerbsfähig.

Weitere sechs Jahre an Russlands Spitze

Putin wäre nicht Putin, wenn er nicht auch daraus eine Erfolgsmeldung machen würde. Um 75 Prozent sei das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit seinem Amtsantritt als Präsident im Jahr 2000 gewachsen, sagt er bei seiner Jahresbilanz. Die jüngeren Daten sagen aber mehr über den Zustand der russischen Wirtschaft aus. Im zweiten Quartal dieses Jahres wuchs das BIP um 2,5 Prozent - so stark wie seit 2012 nicht mehr. Allerdings ging die Wachstumsrate bereits ein Quartal später auf 1,8 Prozent zurück. Obwohl sich Russland mühsam aus der Rezession befreien konnte, wuchs in diesem Jahr die Zahl der Firmenpleiten. Allein im dritten Quartal schlitterten 3227 russische Firmen in die Insolvenz, das sind rund drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Dennoch verspricht Putin den Russen Stabilität, und die Mehrheit des Volkes glaubt ihm. Nunmehr nimmt er seine vierte Amtszeit als Staatschef in Angriff. Gewinnt er die Präsidentenwahl am 18. März des kommenden Jahres, dann wird er bis 2024 Russlands starker Mann sein. Damit würde Putin fast ein Vierteljahrhundert Geschicke des Vielvölkerstaates bestimmen - 20 Jahre als Präsident und vier Jahre als Ministerpräsident.

Von einem Wahlsieg Putins ist auszugehen, die Frage ist eigentlich nur, wie hoch er ausfällt und wie viele Russen sich überhaupt an die Wahlurnen begeben. Im angelaufenen Wahlkampf präsentiert sich Putin als unabhängiger Kandidat, der über allem steht. Putins Selbstbewusstsein ist groß. Er kann sich das leisten. Schließlich verlief das Jahr 2017 größtenteils nach seinen Vorstellungen.

Quelle: n-tv.de

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