Arbeitszeitreduzierung: Sind nur sechs Stunden Arbeit pro Tag möglich?

  26 September 2015    Gelesen: 1064
Arbeitszeitreduzierung: Sind nur sechs Stunden Arbeit pro Tag möglich?
Statt 8 Stunden nur 6 Stunden täglich arbeiten - und das bei gleichem Gehalt? In der schwedischen Stadt Göteborg ist dieses Modell Realität. Das Ergebnis: glücklichere und gesündere Arbeitnehmer.
Um 8 Uhr mit der Arbeit anfangen, um 12 Uhr eine Stunde Mittagspause, und um 15 Uhr schon wieder Feierabend – so ein Arbeitsrythmus wäre der Traum für viele Arbeitnehmer in Deutschland. 30 Stunden Wochenarbeitszeit statt 40 Stunden bei gleichem Gehalt – das könnte aus Sicht der Arbeitnehmer der Schlüssel zu einer besseren Balance zwischen Arbeit und Privatleben sein.

Fakt ist: Heute verbringen deutsche Arbeiter viel mehr Zeit mit ihren Kollegen, als mit ihrer Familie und ihren Freunden. Sie arbeiten durchschnittlich 41,5 Stunden pro Woche und häufen jede Woche 2,7 Überstunden an. Vollzeitarbeiter verbringen also mindestens acht Stunden pro Tag bei ihrem Arbeitnehmer. Danach bleiben wenig Zeit und Energie für die privaten Dinge, die unser Leben erst lebenswert machen.

Die Folge der hohen Arbeitsbelastung ist in Deutschland deutlich spürbar: Jedes Jahr steigt die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen. Das Statistik-Portal Statista berichtet anhand des Beispiels der AOK: „Die Gesundheitsberichterstattung der Krankenkassen zeigt, dass Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen vor allem seit dem Jahr 2006 kontinuierlich ansteigen: innerhalb der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) hat die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen zwischen 2000 und 2011 um gut 50 Prozent und die der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) um rund 56 Prozent zugenommen.“

Gestresste Arbeitnehmer sind nicht produktiv

Die Arbeitnehmer stehen unter Dauer-Strom und sind permanent überlastet. Entspannung, Erholung, Ruhe? Gehören kaum noch zum regulären Tagesablauf. Dementsprechend werden die acht Stunden am Arbeitsplatz auch nicht ausschließlich produktiv genutzt. Genervte und gestresste Mitarbeiter neigen dazu, sich Ablenkung und Ruhephasen zu suchen. In der Kaffeeküche wird etwas länger gequatscht, die Raucherpause dauert gerne mal 15 statt 5 Minuten, am PC wird immer wieder Facebook gecheckt oder nach den privaten Mails geschaut. Konzentration und Produktivität sieht anders aus.

In Göteborg wird nur sechs Stunden gearbeitet

Die schwedische Stadt Göteborg wollte diesem unglücklichen Zustand ein Ende setzen und hat zum April 2014 die Arbeitszeit der städtischen Mitarbeiter reduziert. Sechs Stunden statt acht Stunden pro Tag – für die Mitarbeiter der Stadt Göteborg ist das nun Realität. Das Ziel der Aktion: Glücklichere Mitarbeiter, die produktiver arbeiten und seltener krank werden – wodurch wiederum Kosten für Krankheitstage gespart werden können.

Das Konzept zeigte schnell Erfolg, wie am Beispiel eines Pflegeheims in Göteborg deutlich wird. Die Leiterin des Pflegeheims erklärte zur 8-Stunden-Zeit: „Viele Mitarbeiter im Pflegesektor sind krank, leiden an Depressionen. Es gab keine Balance zwischen Arbeit und Leben, das ist nicht gut für alle Beteiligten.“ Ein Jahr später berichtete sie von ersten Erfolgen der reduzierten Arbeitszeit. Die Qualität der Arbeit und die Stimmung der Mitarbeiter hätten sich deutlich verbessert. Eine Krankenschwester erzählte der Zeitung Göteborg Daily: „Früher bin ich nach Hause gekommen und direkt aufs Sofa gefallen. Heute bin ich viel aktiver, habe mehr Energie für meinen Job und meine Familie.“

Besteht Hoffnung, dass das 6-Stunden-System bald für Deutschland übernommen wird? Derzeit sieht es da schwierig aus, denn das schwedische Modell ist teuer. Bei einer reduzierten Arbeitszeit steigen zwar Qualität und Produktivität, aber es müssen auch mehr Mitarbeiter eingestellt werden, um den gesamten Arbeitszeitraum abzudecken. Im Pflegeheim müssten beispielsweise für einen 24-Stunden-Tag, den vorher drei Krankenschwestern mit acht Stunden abgedeckt haben, im Sechs-Stunden-System vier Krankenschwestern eingestellt werden.

Höhere Personalkosten werden keinen Arbeitgeber zu Jubel veranlassen. Dennoch werden die Arbeitgeber sich dem Druck der ständig steigenden Krankheitstage nicht ewig verschließen können. Bisher ist eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei tariflich gebundenen Unternehmen allerdings nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten möglich – und dann auch nur in Verbindung mit einer Reduzierung der Gehälter.

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