Roger Federer hat das Australian Open erneut gewonnen, zum sechsten Mal in seiner Karriere. Er zieht damit mit den Rekordsiegern Roy Emerson und Novak Djokovic gleich. Gleichzeitig holte er den 20. Major-Titel und erreicht eine Marke, die selbst für ihn bis vor kurzem ausser Reichweite schien. Und das alles im Alter von 36 Jahren und 173 Tagen.
Als Federer nach seiner halbjährigen Verletzungspause vor einem guten Jahr nach Melbourne kam und sein Comeback gab, wäre er schon mehr als zufrieden gewesen, wenn er seinen damals 17 Major-Titeln wenigsten einen weiteren hätte hinzufügen können. Nun hat er drei der vier Grand-Slam-Turniere gewonnen, an denen er teilgenommen hatte. Bei der einzigen Niederlage im vergangenen September am US Open wurde er weniger von seinem Gegner Juan Martin Del Potro als vom Rücken gestoppt, der zweieinhalb Wochen zuvor blockiert hatte.
Federer stand bereits vor dem diesjährigen Australian Open auf einer eigenen Stufe, und er tut es jetzt natürlich noch mehr. Der Amerikaner Jim Courier, der selber einmal die Nummer 1 der Welt war und unter anderem zweimal in Melbourne gewonnen hatte, sagte nach dem Final: «Er ist nicht Gott, aber er zumindest wenn es um Tennis geht, kommt er ihm nahe.» Rod Laver, der einzige Spieler, der gleich zweimal alle vier Major-Turniere in einem Kalenderjahr gewonnen hat, machte bei der Siegerehrung von der Tribüne herunter eine Foto von Federer. Welch grössere Ehre kann einem Tennisspieler zuteil werden?
Federer liegt im Ranking vom Montag noch 155 Punkte hinter Rafael Nadal. Sollte er Ende Februar wie üblich in Dubai antreten, dann winkt ihm die Chance, an die Weltranglistenspitze zurückzukehren. Federer hat zwar wiederholt gesagt, dass ihn das Ranking an diesem Punkt der Karriere nicht mehr interessiere. Trotzdem wäre es die Krönung.
Doch was sagt das über den Zustand des Männer-Tennis aus? Federer selber hat vor dem Australian Open gesagt, ein 36-Jähriger sollte nicht der Topfavorit an einem Grand-Slam-Turnier sein. Doch die meisten seiner langjährigen Konkurrenten kämpfen mit Verletzungen: Bei Novak Djokovic ist es der Ellbogen, bei Andy Murray die Hüfte, bei Stan Wawrinka das Knie, bei Rafael Nadal momentan der Hüftbeugemuskel. Der Spanier sagte vor seiner Abreise, die ATP sollte sich ernsthaft Gedanken über die Häufung der Verletzungen machen. Es gebe ein Leben nach dem Tennis.
Federers gespielte und gewonnene Major-Finals
Federer hat bei seinem Comeback davon profitiert. Gleichzeitig scheint es ihm besser als allen anderen zu gelingen, die Einsätze zu dosieren und dem Körper die Pausen zu geben, die er braucht, um konkurrenzfähig zu bleiben. Für ein Jahr, für zwei Jahre, für drei? Noch vor kurzem schien das Ende seiner Karriere nahe. Mittlerweile ist der Gedanke nicht mehr abwegig, dass Federer auch als 40-Jähriger noch Tennis spielt. So lange er die Freude am Spiel nicht verliert, so lange er weiter um grosse Titel spielt, gibt es für ihn keinen Grund, zurückzutreten. Auch in Wimbledon wird Federer wieder der Topfavorit sein.
Quelle: nzz
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