Was gerade in Katalonien passiert, ist ein bisschen wie im Western. Barcelona ist dabei die Stadt, in der sich der Sheriff mit seinen Helfern verschanzt und auf den Rebellen wartet, der erst die Stadt, dann das Land drumherum zurückerobern will. Der Rebell war vor der Kavallerie geflohen und wird zwar nicht um 12 Uhr mittags, aber am Dienstag wieder in der Stadt erwartet. Nun blicken alle mit halb zusammengekniffenen Augen zum Horizont. Kommt er? Kommt er nicht?
Der Rebell heißt Carles Puigdemont und war einst katalanischer Regionalpräsident, bis Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ihn im vergangenen Herbst erst absetzte, dann suchen ließ – da war er aber schon nach Brüssel geflohen. Katalonien ist nicht Texas, schon klar. Aber spannend ist es trotzdem.
Die spanische Polizei lauert seit Tagen auf eine Einreise des noch immer aufmüpfigen Politikers. Die Sicherheitsbehörden arbeiteten zurzeit "sehr intensiv", damit der Separatist "weder im Hubschrauber noch per Schiff oder im Kofferraum versteckt" einreist, sagte Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido vergangene Woche. Puigdemont hatte angekündigt, sich noch einmal zum Regionalpräsidenten wählen lassen zu wollen. Obwohl er per Haftbefehl gesucht wird – die spanische Justiz will ihn wegen des verfassungswidrigen Unabhängigkeitsreferendums Anfang Oktober zur Rechenschaft ziehen.
Puigdemont muss persönlich da sein
Daher hatte er zunächst die Idee, einfach nicht persönlich nach Barcelona zu kommen und sich per Skype von seiner eigenen Liste "Zusammen für Katalonien" (PdeCat/JuntsxCat), der "Republikanischen Linken Kataloniens" (ERC) und der "Kandidatur der Volkseinheit" (CUP) wählen zu lassen. Die spanische Regierung sperrte sich dagegen und rief schließlich das Verfassungsgericht des Königreichs an. Das traf dann am Samstag eine Entscheidung, die Puigdemonts Hoffnungen dahinwelken ließen. Die Richter verfügten, dass der 55-Jährige persönlich bei der für Dienstag geplanten Wahl des Regionalpräsidenten anwesend sein müsse. Und nicht nur das, er müsse vorher auch persönlich bei Gericht eine Teilnahme an der Sitzung beantragen.
Die konservative Zeitung "El Mundo", stets stramm gegen einen eigenen katalanischen Staat, sieht damit den Weg zurück ins Amt verbaut. Denn, so heißt es in einem Artikel, Puigdemont würde ja sogleich festgenommen, wenn er vor Gericht erscheint. Seine Anhänger hoffen allerdings darauf, dass er als gewählter Abgeordneter des Parlaments gar nicht verhaftet werden darf. Seine Immunität solle ihn schützen. Doch das hinderte die Justiz auch nicht daran, andere katalanische Parlamentarier festzunehmen und zu inhaftieren. Und wenn Puigdemont selbst daran glaubte, würde er wohl kaum im belgischen Exil schmoren.
Selbst wenn es dem Katalanen gelänge, sich zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, dürfte er nicht weit kommen. Die spanische Zentralregierung hat bereits angekündigt, in dem Falle die Region weiter selbst zu verwalten. Auf legalem Wege hat Puigdemont also nur äußerst geringe Chancen, wieder ins Amt zu kommen. Die Zeitung "El País" zitiert einen anonymen Funktionär der ERC so: "In der ERC wissen wir alle, dass Puigdemont nicht Präsident sein kann und auch in der PDeCat wissen es viele, aber wir werden das öffentlich nicht sagen, das müssen sie selbst tun." Die Alternative wäre die Wahl eines anderen Kandidaten – es steht bislang allerdings niemand zur Vefügung. Möglich wären auch Neuwahlen. Dazu müsste aber zunächst eine Wahl abgehalten werden, bei der dann niemand die Mehrheit erlangen dürfte.
Hauptsache großer Auftritt?
Diese Aussichten müssen Puigdemont aber nicht stoppen. Es war ihm schon einmal egal, dass er die Paragraphen nicht auf seiner Seite hatte. Im vergangenen Jahr erklärte er gemeinsam mit dem Parlament die Unabhängigkeit Kataloniens, woraufhin Ministerpräsident Rajoy ihn absetzte und die Verwaltung der Region nach Madrid holte. Sein Ziel ist es nicht nur, noch einmal gewählt zu werden. Es geht ihm ums große Ganze – die Unabhängigkeit. Deren Flamme will er am Leben halten. Ein großer Auftritt in Barcelona, möglicherweise mit Festnahme, könnte sie wieder hochzüngeln lassen. Puigdemont könnte wieder die gleiche Story erzählen wie beim letzten Mal: Dass der spanische Staat den demokratischen Willen der Katalanen mit Polizeigewalt unterbindet. Dass die Katalanen in Spanien nur unterdrückt werden. Diesmal wäre er sogar ein Stückchen glaubwürdiger – denn es ist eine Tatsache, dass die Separatisten bei den eilig anberaumten Neuwahlen am 21. Dezember die Mehrheit der Stimmen erlangten. Und es war allen Wählern klar, wen sie da wählten.
All das wäre für Puigdemont Anreiz genug, es einfach mal zu probieren. Er durchlebt die spannendsten Monate seines politischen Lebens. Vielleicht will er auch den Makel loswerden, beim letzten Mal einfach abgehauen zu sein: Die Chancen, nun doch noch zum Märtyrer für das freie Katalonien zu werden, sind jedenfalls groß. Und was wäre die Alternative? Weiter in Brüssel sitzen und heroische Tweets absetzen? Dann doch lieber noch einmal das spanische Gebälk ächzen lassen. Das könnte ihm allemal gelingen.
Quelle: n-tv.de
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