Von Abschiebung bedrohte russische Pianistin darf in Berlin bleiben

  06 Februar 2018    Gelesen: 2092
Von Abschiebung bedrohte russische Pianistin darf in Berlin bleiben
Die russische Konzertpianistin Annastassiya Dranchuk darf nun doch in Berlin bleiben. Ihr hat gedroht, dass sie nach siebzehn Jahren in Deutschland abgeschoben wird. Eine Härtefallkommission hat sich für ihren Aufenthalt ausgesprochen. Nun hat auch Berlins Innensenator grünes Licht gegeben. Die Pianistin zeigt sich im Sputnik-Interview erleichtert.

Annastassiya Dranchuk fällt ein Stein vom Herzen. Endlich kann sie sich wieder ihrer Arbeit als Konzertpianistin widmen und muss nicht mehr um ihren Aufenthalt in Deutschland bangen. Das war vor ein paar Wochen noch anders. Bis letzten Freitag drohte der in Kasachstan geborenen 29jährigen Russin noch, abgeschoben zu werden. Im Dezember 2017 bekam sie kurz vor Weihnachten ein Schreiben von der Ausländerbehörde, das sie aufforderte, Deutschland bis zum 31. Januar 2018 zu verlassen. Daraufhin wandte sich die Pianistin an die Medien. Damit löste sie eine Welle der Solidarität aus. Die Künstlerin zeigt sich im Sputnik-Interview gerührt:

„Das Interesse war sehr groß. Die Geschichte interessiert die Menschen und alle machen sich Sorgen. Das freut mich sehr und ich fühl mich sehr geehrt, dass es so ein Feedback gab in der Gesellschaft.“

Nicht nur empörte Bürger wandten sich an die Ausländerbehörde und an die Stadt Berlin, sondern auch prominente Musiker und Politiker. „Jetzt wissen alle davon“, so Dranchuk. „Viele Kollegen haben sich bei mir gemeldet und auch die Kanzlei meines Anwalts wird überschüttet mit Briefen und Anrufen. Alle sind sehr froh, dass ich jetzt wieder aktiv sein kann.“

„Herr Geisel hat es mir persönlich über Facebook mitgeteilt“

Die Konzertpianistin kam im Alter von zwölf Jahren als sogenanntes Wunderkind auf Einladung der Musikhochschule „Hanns Eisler“ zum Studium nach Berlin. Während ihre Eltern, die ihre minderjährige Tochter ursprünglich nur nach Deutschland begleitet haben, inzwischen eingebürgert sind und einen deutschen Pass besitzen, hatte Dranchuk es versäumt, sich rechtzeitig um eine Einbürgerung zu bemühen.

Da sie zum Studium nach Berlin kam, war ihre Aufenthaltserlaubnis an die Immatrikulation gebunden. Aufgrund vieler Konzerte im In- und Ausland verpasste sie einige Vorlesungen und wurde exmatrikuliert. Mit dem Abbruch des Studiums erlosch auch ihre Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.

Im Herbst 2016 wurde der jungen Künstlerin ihr kasachischer Pass abgenommen und eine sogenannte Residenzpflicht ausgesprochen – sie durfte Berlin und Brandenburg nicht verlassen. 14 Monate wusste die Künstlerin nicht, wie es weitergeht und war zum Nichtstun verdammt. Ende vergangenen Jahres kam es dann hart auf hart und die Ausländerbehörde drohte mit der Abschiebung nach Kasachstan. Erst dann machte die Pianistin ihren Fall öffentlich.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bekam Wind von der Sache und versprach, sich persönlich einzusetzen – mit Erfolg. Zuvor musste jedoch der gesetzliche Weg eingehalten werden. Eine Härtefallkommission hatte über das Schicksal des  Ausnahmetalentes zu richten. Als diese sich nun Ende Januar für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung der Wahl-Berlinerin aussprach, stimmte Innensenator Geisel dem sofort zu und teilte Dranchuk die Neuigkeiten selbst mit. „Am Freitag hat mir Herr Geisel persönlich über Facebook mitgeteilt, dass alles gut ausgegangen ist“, berichtete sie. „So wusste ich davon noch früher als mein Anwalt.“

„Es geht nicht, alle Fälle nach demselben Maß zu behandeln.“

Ausschlaggebend für den positiven Bescheid war laut Berliner Innenverwaltung, dass die Pianistin die längste Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht hat, gut integriert ist und ein eigenes Einkommen erwirtschaftet. Der Druck aus der Öffentlichkeit dürfte auch eine Rolle gespielt haben.

Auch wenn ihr persönliches Schicksal nun eine glückliche Wendung zu nehmen scheint, wünscht sich die Künstlerin, dass die Behörden genauer hinschauen: „Die Ausländerbehörde möchte sich doch bitte die Einzelfälle genau anschauen. Es geht nicht, alle Fälle nach demselben Maß zu behandeln. Klar ist die Behörde unterbesetzt, aber ich würde mir schon wünschen, dass sie Ausnahmen erkennen.“

Noch in dieser Woche soll Dranchuk ihren kasachischen Pass wiederbekommen und kann somit wieder internationale Konzerteinladungen annehmen. Nach Beendigung Ihres Studiums strebt die Pianistin eine sogenannte Ermessenseinbürgerung an, um endlich einen deutschen Pass zu bekommen. „Meine Heimat ist hier, ich habe keine andere außer Deutschland“, so Dranchuk, die seit 17 Jahren in Berlin lebt.

„Es war eine gute Idee, an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Die Künstlerin erhofft sich von dem Medienrummel auch einen Karriereschub: „Diese Geschichte hat mich im Sinne der Karriere auf ein neues Level gebracht. Ich habe jetzt so viele tolle Engagements und Anfragen bekommen. Es war eine gute Idee, an die Öffentlichkeit zu gehen, um zu erklären, warum ich zwei Jahre nirgendwo zu hören war.“

Allerdings hat Dranchuk auch einiges aufzuholen. Fast zwei Jahre Pause sind eine lange Zeit im internationalen Konzertzirkus. Gerade in den entscheidenden Jahren des internationalen Durchbruchs ist dies ein hoher Preis, den die Künstlerin aufgrund einer kleiner Nachlässigkeit gezahlt hat. Nun scheint die Pianistin aber umso mehr durchzustarten:

„Ab Anfang März wird es wieder Konzerte geben. Da bin ich erst einmal in Deutschland unterwegs, in Bremen und Münster. Und dann fliege ich nach Kopenhagen, in die Schweiz und nach Luxembourg. Der März ist schon ausgebucht.“

Die Pianistin plant ein Dankeskonzert für ihre zahlreichen Unterstützer. Der Berliner Innensenator, der inzwischen schon Fan der Künstlerin zu sein scheint, wird sich diese Gelegenheit bestimmt nicht entgehen lassen.

Das komplette Interview mit Annastassiya Dranchuk zum Nachhören:


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