Sticht der BMW X2 mit der Design-Karte?

  08 Februar 2018    Gelesen: 1595
Sticht der BMW X2 mit der Design-Karte?
Die Ziffer "2" gehört eindeutig zwischen 1 und 3, mit mathematischer Logik hat der Start des neuesten BMW jedoch nichts zu tun. Eher mit der Einsicht, dass dem X1 etwas Wichtiges fehlt: junge Käufer. Die soll ab März der X2 einsammeln.  

Eigentlich hat BMW keinen Grund, mit seinem 2009 aufgelegten Kompakt-SUV unzufrieden zu sein. Inzwischen ist der X1 zum zweitbeliebtesten Modell der Marke überhaupt geworden. Mehr als 286.600 Kunden wollten im vergangenen Jahr genau so ein Auto haben, darunter waren rund 50.000 in China produzierte Exemplare mit verlängertem Radstand. Übertroffen wird das Verkaufsvolumen des X1 nur noch vom 5er-BMW - und das mit minimalem Abstand.

Umso mehr erstaunt es, dass den Verantwortlichen in München dieser Erfolg nicht zu reichen scheint. Auf gleicher technischer Basis soll der X2 auf Kundenfang gehen. In ihm steckt ein bisschen SUV, ein bisschen Coupé, ein bisschen Koketterie mit der Tradition und mit ihren Brüchen. Das scheint nicht ohne Risiko. Wenn es nämlich stimmt, dass Design eines der wichtigsten Entscheidungsgründe für den Autokauf geworden ist, könnten sich Kunden in Scharen vom X1 abwenden und zum X2 überlaufen. "Kannibalisierung" wird dieser Effekt in der Autobranche genannt.

Plötzlich macht die Niere Kopfstand

Mit "dynamisch, maskulin und extrovertiert" beschreibt Projektleiter Dr. Julius Schluppkotten die Formensprache des X2. Der Neuling ist gegenüber dem eher hausbacken daherkommenden X1 ohne Zweifel das auffälligere, modernere und extravagantere Auto. "Ich bin mit ihm seit zwei Monaten unterwegs und noch nie so oft auf ein Fahrzeug angesprochen worden", sagt Schluppkotten. Doch an die Gefahr einer Kannibalisierung glaubt er nicht. "Der X2 spricht eine ganz andere Kundschaft an", lautet seine Begründung. Potenzielle Käufer eines X2 seien in der Regel jünger, verfolgten einen aktiven Lebensstil und würden, so die Hoffnung der BMW-Vertriebsabteilung, von anderen Marken abgeworben. Im Fokus stehen bisherige Fahrer von Range Rover Evoque oder Mercedes GLA.

Mit 4,36 Metern ist der X2 rund acht Zentimeter kürzer als der X1, gleichzeitig sieben Zentimeter flacher. Bei gleicher Bodenfreiheit (182 mm) sitzen Fahrer oder Fahrerin 20 Millimeter tiefer. Die Karosserie bietet verblüffende Nuancen gegenüber anderen Modellreihen. Die für die Identifizierung als BMW unverzichtbare Doppelniere an der Front bricht eiskalt mit der Tradition und präsentiert sich um 180 Grad gedreht, so dass der breitere Teile des Rahmens nach unten weist. An der C-Säule wird eine lange verschüttete Tradition wieder belebt: Das Markenlogo mit dem weiß-blauen Propeller kehrt dorthin zurück, wo es die Coupés der 1970er trugen.

Einem massigen Unterkörper mit unlackierten Schwellern, angedeuteten Ecken in den Radausschnitten (Jeep lässt grüßen) und wuchtigen Endrohren unter der Heckklappe steht ein wie geduckt flaches Greenhouse gegenüber, dessen Seitenscheiben sich nach hinten noch verjüngen. Auch das Heckfenster ist schmal gehalten. Die Sitzprobe führt denn auch fast zwangsläufig die Erkenntnis zutage, dass die Rundumsicht und die nach schräg hinten eher kläglich sind. Aber wozu gibt es Rückfahrkameras mit extremem Weitwinkelblick? Für 400 Euro sind sie als Sonderausstattung zu haben. Ihre prägnante Optik beziehen die Präsentation-Testwagen nicht zuletzt aus der Tatsache, dass 19-Zoll-große Leichtmetallfelgen montiert sind. Sogar 20-Zöller führt BMW in der Preisliste – aufpreisfrei sind 17-Zöller.

Wann lernt der X2 das Stromern?

Der X2 werde das bayerische Modellprogramm "auf Jahre hin bereichern", ist sich Schluppkotten sicher. Und wie er das tut, ist jetzt schon zu ahnen: Die umgedrehte Niere, die den Kühlergrill aggressiver und selbstbewusster macht, dürfte diverse künftige Modelle inspirieren. Was derzeit zum Beispiel vom großen Coupé, dem 8er-BMW, bekannt ist, deutet in diese Richtung. Und auch vom nächsten X3, der als erstes voll-elektrisches Modell aus München für das Jahr 2020 avisiert ist, darf man eine derartige Frontoptik erwarten.

Bis auf das Basismodell 18i, das einen Dreizylinder-Benziner als Antrieb nutzt, werden alle X2 von aufgeladenen Vierzylindern angetrieben. Bis auf den sDrive 18i können alle Varianten mit Allradantrieb bestellt werden. Drei Benziner und vier Diesel sieht das derzeit gültige Modellprogramm vor, die Leistungsbandbreite reicht von 140 bis 231 PS. Für die Übertragung der Motorkraft sind Automatiken zuständig, wobei der bekannten Achtgang-Box noch ein neues Doppelkupplungs-Getriebe mit sieben Stufen zur Seite gestellt wurde. Es ersetzt auch in anderen Modellreihen die bisherige Sechsstufen-Automatik. Alternative Antriebe sucht man im bisherigen Varianten-Tableau vergeblich, doch wer sich die Fahrzeugarchitektur genau ansieht, kann die Chance auf einen umgekehrten i8 darin erkennen: Dreizylinder-Benziner vorn, Elektromaschine hinten.

Kein Leichtgewicht, aber agil

Die Ausfahrt mit 190 PS-Diesel und Allradantrieb blieb erwartungsgemäß frei von Überraschungen. Ein leistungswilliger Selbstzünder, der 400 Newtonmeter Drehmoment mobilisiert und auf rund 1600 Kilogramm Fahrzeuggewicht trifft, sollte gehobene Dynamikansprüche zufriedenstellen können. Druckvoll schiebt der X2 gen Horizont, auch die Soundkulisse passt zum herzhaften Antritt. Die sportlich-straffe Fahrwerksauslegung erlaubt zügige Richtungswechsel ohne spürbare Neigung des Aufbaus und die direkte Lenkung vermittelt guten Kontakt zur Straße. Obwohl die Karosserie insgesamt kürzer ist, sind die Radstände von X1 und X2 jedoch identisch, so dass ein Agilitätsgewinn aufgrund enger zusammenstehender Räder nicht zu erwarten ist.

Was den Alltagsnutzen angeht, fällt der X2 gegenüber dem Erstgeborenen kaum zurück, denn einerseits sind Kopf- und Beinfreiheit in der zweiten Reihe durchaus anerkennenswert, andererseits fällt die Einbuße von 35 Litern Gepäckraum unerwartet gering aus. Wer seine Koffer über eine 76 Zentimeter hohe Ladekante hievt, kann 470 bis maximal 1355 Liter Volumen nutzen. Allerdings ist die Rückbank nicht verschiebbar, so dass als Variationsmöglichkeit nur der bewegliche Ladeboden und das Unterfach für kleine Utensilien in Betracht kommen.

Nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist es, dass Pkw in der Praxis mehr Kraftstoff konsumieren, als das offizielle Datenblatt es vorsieht. 7,2 Liter auf 100 km (gegenüber 4,8 nach EU-Norm) kann man in diesem Falle aber nicht nur forscher Fahrweise zuschreiben, sondern auch der Tatsache, dass zwei reale Insassen nebst Gepäck in den EU-Prüfrichtlinien nicht vorgesehen sind. Was die Hersteller gerade begonnen haben, wäre auch für Kunden ratsam: Sich auf die künftige WLTP-Norm einzustellen. Sie soll zwar mehr Praxisbezug in die Prüfrichtlinien bringen, wird aber auch dazu führen, dass die Werte in den Datenblättern ansteigen.

Quelle: n-tv.de


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