Der kritische Olympiasieger

  12 Februar 2018    Gelesen: 949
Der kritische Olympiasieger
Arnd Peiffer ist ein nachdenklicher Mensch. Den Gigantismus der Olympischen Spiele sieht der deutsche Biathlet sehr skeptisch, ebenso das IOC und dessen Entscheidungen. Doch ausgerechnet bei den Spielen macht er sich zur Legende.
 

Die Olympischen Spiele, die sind schon etwas Besonderes. Da will Arnd Peiffer keine Missverständnisse aufkommen lassen. Die vielen Sportler, die vielen verschiedenen Disziplinen, die gemeinsame Zeit, all das sind Werte, die dem deutschen Biathleten wichtig sind. Es ist das "kleine" Olympia, das er mag. Nicht das große, pompöse, "das von außen Generierte, die Wahnsinnskampagnen, die da gefahren werden." Das hat er der "FAZ" kurz vor Pyeongchang verraten. Nun aber, nach seinem ersten Wettbewerb, steht er plötzlich selbst auf der großen Bühne. Als Olympiasieger. Als plötzliche Legende seines Sports. Auf einem Überraschungspodium mit dem Tschechen Michal Krcmar und dem Italiener Dominik Windisch. Verdient durch einen mutigen Auftritt im Sprint, begünstigt durch die fatalen Ausrutscher der Favoriten.

Das perfekte Ende eines Tages, der eigentlich denkbar schlecht vergangen war - bis zu dem Moment, als Peiffer um 20.26 Uhr in die Lopie gelassen wurde. "Irgendwie lief bis dahin nicht alles ideal. Mir ist eine halbe Stunde vor dem Start der Schlagbolzen gebrochen. Dann bin ist aus dem Wachs-Truck heraus fast die Treppe runtergefallen und habe mir dermaßen den Ellenbogen gestoßen. Aber im Rennen habe ich es geschafft." Anders als die Favoriten Martin Fourcade aus Frankreich und der Norweger Johannes Thingnes Bo. Bereits im Liegendschießen semmelte das Dominatoren-Duo jeweils drei Schüsse an den Scheiben vorbei. Bo holte sich stehend noch einen weiteren Fehler ab. Ein unglaubliches Debakel - am Ende auf den Rängen 8 und 31.

Peiffers Mut wird belohnt


Ein Debakel, das aber offenbar ganz leicht zu vermeiden war. Mit simplen Korrekturen in der Schussvorbereitung. Durch Drehen am Diopter, der Visiereinrichtung zum Zielen. Peiffer hatte nämlich anders als Bo und Fourcarde auf den veränderten Wind nach dem Anschießen reagiert und sehr mutig nachjustiert - vier Rasten (für die Experten). Ein souveränes, wenn auch langsames Schießen. Dann der zweite Anschlag, auf Stand 30, dem windgeschütztesten Ort. Plötzlich setzte das Grübeln ein: "Stehend war ich schon ziemlich aufgeregt, aber dann habe ich es geschafft, die Null zu bringen. Dann bin ich losgelaufen und wusste, heute könnte was gehen."

Es ging. Verdammt gut sogar. Bestzeit im Ziel. Mit Nummer 22, mit jener Nummer, mit der sein Coach Mark Kirchner 1991 Weltmeister geworden war. Dann aber das lange Warten, 64 Athleten waren noch unterwegs (oder gar noch in der Startvorbereitung). Aber einer nach dem anderen patzte. Wieder und wieder beim Schießen. Bei der Disziplin, bei der auch Peiffer in dieser Saison, trotz eines starken fünften Platzes im Gesamtweltcup, schon häufiger Podestplätze vergeigt hatte. Geschichte. Ausgerechnet an jenem Ort, wo er 2009 unter widrigen Bedingungen mit WM-Bronze in Mixed- und Männer-Staffel erstmals große Medaillen für sich erkämpfte: auf dem Golfplatz von Pyeongchang.

"Das führt in eine Sackgasse"

Ein Ort, den er bei aller sportlichen Zuneigung als reflektierter Mensch kritisch betrachtet - nicht wegen des Ortes selbst. Sondern wegen des rücksichtslosen olympischen Gigantismus, wegen der lächerlich geringen Nachhaltigkeit des IOC. "Es geht doch darum, die Spiele an Orte zu vergeben, die geographisch, klimatisch und vom Interesse her besser geeignet sind", so sagte er der "FAZ", "alles muss immer größer werden, noch pompöser. Das führt meines Erachtens in eine Sackgasse." Und es wird ja nicht besser: Peking in vier Jahren "dürfte noch schlechter geeignet sein als Pyeongchang."

Die Bedingungen im Sprint waren wie in den vergangenen Tagen extrem: Windige Böen und Eiseskälte um die -12 Grad. Es sind aber offenbar deutsche Bedingungen. Denn wie Peiffer hatten sich am Samstag bereits Teamkollegin Laura Dahlmeier und Skispringer Andreas Wellinger ihre Olympiasiege im koreanischen Kältekrampf mutig erkämpft. Und auch bei der Wahl der Belohnung gibt's offenbar bereits eine deutsche Leitidee: "Ich werde auf jeden Fall ein Bierchen trinken, das lasse ich mich mir nicht nehmen", so Peiffer. In kleiner Runde. Mit den Trainer, mit den Technikern, den Teamkollegen. So wie er's mag. Wie er sein Olympia mag.

Quelle: n-tv.de


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