In der Tiefgarage des MI6 ist noch Platz, doch da James Bond seine Dienstwagen gewöhnlich ohne viel Aufhebens verschrottet, sollte man ihm dieses geschmeidig gezeichnete Faltdach-Mobil lieber nicht anvertrauen. Das Modell DB11 kennen viele nur als V12-Boliden, der mit gewaltigem Getöse und mehr als 600 PS auf sich aufmerksam macht. Die offene Version kommt ohne Aufschneiderei aus, bedient sich eines V8-Motors, der freilich ebenso von zwei Turboladern befeuert wird wie der große und geschlossene Bruder.
Satte 510 PS springen dabei heraus, das sind 255 pro Passagier, denn die hinteren Sitzmulden haben eher einen statistischen denn einen Nutzwert. Gäbe es eine Goldmedaille für die platzsparenste Interpretation des "2+2"-Sitzkonzepts – auch bei diesem Wettbewerb hätte der DB11 Volante Siegchancen. Viel interessanter noch als die Leistung des von Mercedes gelieferten Motors ist sein Drehmoment, das an das Niveau großvolumiger Dieselaggregate heran reicht: 675 Newtonmeter und das zwischen 2000 und 5000 Umdrehungen, also praktisch im kompletten fahr-relevanten Bereich. Der 5,2-Liter-V12 presst nur 25 Newtonmeter mehr an die Kurbelwelle. Da hindern auch knapp 1900 Kilogramm Eigengewicht nicht daran, in knapp mehr als vier Sekunden über die 100-km/h-Marke zu sprinten.
Reminiszenz an einen Klassiker
Fragen nach einen V12-Cabrio wehrt man bei Aston Martin derzeit elegant ab. Dies sei nicht geplant, heißt es. Das hat unter anderem mit dem chinesischen Markt zu tun, wo großvolumige Motoren mit einer Extra-Steuer belegt werden. Große Limousinen fahren dort zum Teil mit Vierzylinder. Kein Dach über dem Kopf zu haben, ist beim DB11 ohnehin schon kostspielig genug. 199.000 Euro ruft der Hersteller für den Volante auf, und wer 200.000 als Prestige-Schwelle ansieht, hat alle Möglichkeiten, den Preis anzuheben. Zum Beispiel, indem er die neuen 20-Zoll-Felgen im Y-Design ordert oder ein Windschott, das leider nicht zum Standard-Lieferumfang gehört.
Optisch auf dicke Hose zu machen, fällt englischen Landadeligen offenkundig schwer. Alles ist irgendwie nötig, sinnvoll und emotionsfrei begründbar, gewollt oder gekünstelt wirkt nichts. Ein Haifischmaul am Kühlergrill braucht es, um den immensen Luftbedarf des Vierliter-Motors zufrieden zu stellen, die elend lange Haube dafür, den Motor zwecks einer optimierten Gewichtsverteilung hinter der Vorderachse platzieren zu können. Sie überlappt übrigens beiderseits die Vorderräder und öffnet in Fahrtrichtung, was Klassiker-Freunde sogleich an den Jaguar E-Type erinnert. Die tiefe Sitzposition brauchen die Insassen, um vor Zugluft bestmöglich geschützt zu sein. Mehr als zwei Auspuff-Endrohre benötigt hingegen niemand, deshalb hat der Volante auch nur zwei davon.
Zwischen ihnen und dem Kennzeichenträger an der Front liegen 4,75 Meter automobile Eleganz, die selbst dann, wenn man die achtlagige Stoffhaube binnen 16 Sekunden zuklappt, nicht leidet. Viel Mühe hat man in Gaydon darauf verwendet, die weiche Linie zu halten und den Verdeckkasten so zu konstruieren, dass die Schlechtwetter-Mütze in sichtbarem wie unsichtbaren Zustand die Ästhetik nicht beeinträchtigt. Die großen, aber extrem leichtgängig gelagerten Türen schwingen wie üblich in einem Winkel von 16 Grad nach oben und die Lederschlaufen an den Schultern der Sitze bewegen die Sessel sanft nach vorne. Wenn schon niemand hinten sitzen möchte, kann man die Mulden ja für leichtes Handgepäck nutzen. Die größeren Stücke verlädt man unter dem Deckel fürs Verdeck wobei der Zugang zum 206 Liter großen Kofferraum 62 Zentimeter über dem Boden liegt, was jedem Kombi Ehre machen würde.
Klangliche Vielfalt aus vier Litern
Eine originelle und optisch ansprechende Idee ist es, die Rückseiten der Sitze oben mit dem gleichen Holz zu vertäfeln, welches sich auch im Cockpit befindet. Dass die Ablagemulde zwischen den sportlich geschnittenen Lederfauteuils elektrisch aufsurrt, bietet zwar keinen praktischen Mehrwert, passt aber zum Anspruch, den Insassen höchsten Komfort zu bieten. Unmittelbar davor liegt die Taste für die Verdeckfunktion, eher unscheinbar, wenn man bedenkt, dass das Wichtigste an einem Cabrio das bewegliche Dach ist. Nicht ganz so stilsicher wirken die Düsen für die Frischluft an den äußeren Enden des Armaturenbretts, deren schräg gestellte Einfassungen und Plastikeinsätze nicht so ganz zum Edel-Ambiente passen wollen.
Von 3982 Kubikzentimetern Hubraum orchestriert und der Abgasanlage akustisch aufbereitet, gibt sich der Motor zunächst zurückhaltend. Erst der Gashebel weckt, in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus, seine klangliche Vielfalt. Drei Modi stehen zur Verfügung, die außer auf Gasannahme und Geräuschentwicklung auch auf das Dämpfersystem wirken. Von würdevollem Brabbeln bis zum bedrohlichen Fauchen beherrscht er alle Variationen, wobei in "S+" auch dem Spieltrieb mancher Zeitgenossen Genüge getan wird: Jede Pause in der Gaszufuhr wird mit lustvollem Sprötzeln quittiert. Die Karbon-Antriebswelle sitzt in einer Aluminiumhülse und schickt die Antriebskraft zum an der Hinterachse sitzenden Achtgang-Getriebe. Die so genannte Transaxle-Bauweise ermöglicht die fast ideale Gewichtverteilung von 47:53.
Komfort hat auch bei Sport Priorität
Eine Neigung zum Übersteuern ist bei diesen Bedingungen kaum zu provozieren, willig folgt das Cabrio dem mit der leichtgängigen Lenkung vorgegebenen Kurs. Das ZF-Getriebe gönnt sich im GT-(Normal)-Modus zwar kleine Bedenkzeiten, ist in den anderen beiden Modi aber hellwach und sportlich aufgelegt. Gibt man die Schaltbefehle mit den fest an der Lenksäule montierten Paddeln, bleibt es stoisch im manuellen Modus, bis ein Druck auf die D-Taste an der Mittelkonsole signalisiert, dass man die Gangwechsel nun wieder der Elektronik überlassen möchte. Ungewöhnlich, aber lobenswert ist, dass auf die Start-Stopp-Funktion nicht verzichtet wurde.
Unter idealen Bedingungen soll der 78-Liter-Tank für eine Reichweite von 780 Kilometern gut sein. Realistischer ist jedoch ein Verbrauch von 13 bis 15 Litern, besonders dann wenn man durch Öffnen des Daches den cw-Wert verschlechtert und der Versuchung nachgibt, das reichlich bemessene Potenzial für Längs- und Querdynamik auszunutzen. Auch in "harten" Dämpfereinstellung fehlt es nicht an Komfort und dank der ausgefeilten Aerodynamik ist ein Freiluftvergnügen jenseits der Sommermonate lediglich eine Frage angemessener Kleidung.
Was nun macht den DB11 Volante zum Wintersportgerät? Ganz einfach: Die Lenkradheizung. Erstmals wird dieses Ausstattungsdetail in einem Fahrzeug der Marke angeboten. Das ist auch gut so, da inzwischen selbst Kleinwagen, die für ein Zehntel des Anschaffungspreises zu haben sind, damit reüssieren können. Und wenn schon keine Goldmedaille in Reichweite sein sollte: Ein Goldenes Lenkrad hat der DB11 schon gewonnen – für die Schönheit.
Quelle: n-tv.de
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