Europa hat sich führungslos in München gezeigt – DRF-Experte Rahr

  20 Februar 2018    Gelesen: 1678
Europa hat sich führungslos in München gezeigt – DRF-Experte Rahr
Die westlichen Führungseliten sind nicht bereit, anzuerkennen, dass unser Modell der liberalen Wirtschaft und unser politisches System für andere Kulturen nicht hinnehmbar sind, meinte Alexander Rahr, Programmdirektor des Deutsch-Russischen Forums (DRF) während einer Video-Konferenz in der Nachrichtenagentur „Rossija Segodnja“ zur MSK.

„Andere Nationen haben ihre eigenen Demokratien und ihre eigene Entwicklung“, so Rahr. „Zum Beispiel Nordkorea: Die Amerikaner haben vor der Münchener Sicherheitskonferenz klar erklärt, dass sie einen nuklearen nordkoreanischen Staat niemals akzeptieren werden. Das heißt, sie werden nicht nur größten Druck auf Nordkorea ausüben, sondern auch auf Russland und China, damit die Sanktionen gegen Nordkorea aufrechterhalten und verstärkt werden.“

Der Politologe fährt fort: „Russland und China möchten das vielleicht gar nicht. Sie wollen eine diplomatische Lösung haben. Oder der Nahe Osten. Er zerfällt, und das ist keine Floskel mehr. Dies ist nicht mehr aufzuhalten. Wir erleben eine höchst dramatische und höchst gefährliche Phase, wo wir Kriege zwischen Akteuren haben, die normalerweise in Syrien nichts zu tun haben.

Die Türken seien in das Gebiet der Kurden einmarschiert, so Alexander Rahr, „die sich jetzt mit dem Assad-Regime verbünden. Die Israelis wollen auf syrischem Territorium gegen den Iran Krieg führen. Russland ist dort als Schutzmacht Assads weiterhin präsent und wird natürlich nicht zulassen, dass seine Ordnungsforderung in Frage gestellt wird. Und die Amerikaner wollen mit Russland nicht zusammenarbeiten, sondern suchen weiterhin die Konsultation, um dort ihren Sieg einfahren zu können.“

Die Europäische Union sei Zaungast des Ganzen, ist sich der Experte sicher.

„Geredet wird viel, aber getan wird nichts, weil wir hier keine Position bezogen haben. Das hat man auch in München gesehen: Als Europäer sind wir führungslos. Deutschland hat seit September keine funktionsfähige Regierung, eine Art Regierung, wo sich die Politiker um die Posten schlagen. Wir haben auch einen französischen Präsidenten, der gewählt worden ist, aber seine Partei inzwischen aufgelöst ist, und man nicht weiß, ob man seinen Phrasen von einem schönen Europa nun Glauben schenken kann. Die Engländer, haben noch nicht entschieden, ob sie wirklich austreten oder bleiben. Es ist eine dramatische Entwicklung.“

Die jetzigen Politiker im Westen seien mit dieser Situation völlig überfordert, stellt der DRF-Programmdirektor fest. „Die anderen sind weniger überfordert: Netanjahu weiß, was er tut, Putin weiß, was er tut, Xi weiß, was er tut. Und auch Trump hat seine Ideen umzusetzen. Aber wir sind führungslos, konzeptlos, inhaltslos, und das macht mir Angst.“

Die Europäer seien nur die Zuschauer dieses Spiels, so Rahr, „in dem die Amerikaner eigene Politik egoistisch betreiben wollen, America first. Viele meinen, Trump sei ein Betriebsunfall. Francis Fukuyama hat das vor 30 Jahren genial beschrieben: Wir sehen uns am Ende der Geschichte. Und wenn jemand mit einer Alternative zu unserem liberalen System wie Russland oder China hinkommt, dann lächelt man zuerst diesen Konkurrenten müde an, und wenn er dann zu frech wird, dann wird er in die Ecke gestellt oder geplündert. Mit Sanktionen oder mit anderen Dingen, auch irgendwann dann noch militärisch.“

Der Politologe plädiert dafür, dass Russland und der Westen sich unterhalten müssten. „Aber es geht nicht, weil die Europäer auf dem Standpunkt stehen, wir haben die ultimative Wahrheit. Und alles, was von drüben kommt, aus Russland, China oder Indien, ist reinstes Mittelalter, ist Barbarei. Mit diesen Eliten können wir uns überhaupt nicht unterhalten, solange sie nicht auf unserem Niveau stehen.“

Eine existenzielle Frage für Alexander Rahr ist die Frage der künftigen Sicherheitsarchitektur. „Wir müssen mit Russland über alles reden. Nur so kriegen wir den Frieden in Europa und einen Ausgleich mit dem wichtigsten Flächenstaat auf dem Kontinent Europa hin.“ Der Russland-Experte bedauert aber das herrschende Denken, die drüben im Osten sind schwach. „Sie sind vielleicht temporär ein bisschen stärker geworden, aber im Grunde genommen sind sie schwach. Das sind alles Mächte, die zerfallen. Sie haben nicht das Niveau, das wir besitzen. Und deshalb reden wir nicht mit ihnen. Auch über eine Korrektur unserer jetzigen Sicherheitsarchitektur nicht.“

Rahr bezeichnet das als eine Katastrophe, „weil Russland eine weitere Nato-Osterweiterung und eine EU-Assoziierungspartnerschaft mit Ländern wie Georgien, der Ukraine oder Weißrussland, wo es um Sicherheitspolitik gegen Russland gehen wird, dem wird Russland niemals zustimmen, und dann wird Russland militaristisch werden. Russland wird dagegen schlagen, was man in Georgien, Ukraine, auf der Krim schon gesehen hat.

Der Politologe führt ein Beispiel mit der Ostukraine an. „Russland will den Konflikt eindämmen und einfrieren, wie in Transnistrien. Und dann schauen, wie sich die Region weiterentwickelt, und vor allen Dingen in der Hoffnung, dass eine autonomisierte Region sich dann selbständig mit Kiew unterhalten wird. Der Westen steht auf dem ganz anderen Standpunkt. Er will eine Kosovo-Lösung haben, eine große, starke multinationale UN-Truppe soll rein, die Separatisten entwaffnen, die Kontrolle über die administrativen Strukturen dort übernehmen und dann die Region mit Kiew zusammenführen.“

Das werde Moskau nie unterstützen, ist sich der Russland-Experte sicher. „Dies zeigt, dass wir noch weit davon entfernt sind, uns gegenseitig ernst zu nehmen und eine Balance herzustellen“, schlussfolgert Alexander Rahr.

sputniknews


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