Warum die AfD recht bekommen dürfte

  27 Februar 2018    Gelesen: 1100
Warum die AfD recht bekommen dürfte

"Rote Karte für die AfD", heißt es während der Flüchtlingskrise auf der Internetseite des Bildungsministeriums. Ministerin Johanna Wanka kritisiert die Partei in der Mitteilung scharf. Die AfD klagt - und dürfte nun recht bekommen.

 

Wie weit dürfen Amtsträger in ihrer Kritik an politischen Parteien gehen? Bereits zwei Mal hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in dieser Frage eine Entscheidung getroffen. Heute wird voraussichtlich ein drittes Urteil hinzukommen. Die AfD hat die scheidende Bundesbildungsministerin Johanna Wanka verklagt. Die Verfassungsrichter wollen heute ein Urteil fällen.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise bläst Bundeskanzlerin Angela Merkel ein scharfer Wind entgegen. Mit ihrer Entscheidung, das Dublin-Abkommen außer Kraft zu setzen, die Grenzen für Hunderttausende Flüchtlinge zu öffnen, fängt sich Merkel viel Kritik ein - auch aus den eigenen Reihen. Unvergessen bleibt der Vorwurf des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, sie betreibe eine "Herrschaft des Unrechts". Vor allem aber im Umfeld der AfD regt sich massiver Protest gegen die Entscheidung. Im November 2015 ruft die Partei unter dem Motto "Rote Karte für Merkel! Asyl braucht Grenzen!" zu einer Demonstration auf.

Eine, die der Kanzlerin damals beispringt, ist Bundesbildungsministerin Wanka. Auf der Internetseite ihres Ministeriums veröffentlicht sie eine Pressemitteilung unter dem Titel "Rote Karte für die AfD". Darin erklärt sie, Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betrieben, erhielten durch AfD-Politiker wie Björn Höcke Vorschub. Dies sei eine "unerträgliche Unterstützung", die für eine Radikalisierung der Gesellschaft sorge. Dagegen klagt die AfD. Die Ministerin habe ihre Pflicht zur Neutralität im politischen Meinungskampf verletzt, indem sie die Neutralität ihres Amtes eingesetzt habe. Ein Mittel, das ihre Mitbewerber nicht hätten.

Schwesig und Gauck kritisierten NPD


Es ist nicht der erste Fall dieser Art am Verfassungsgericht und doch liegt er anders. Im August 2013 bezeichnete der damalige Bundespräsident Joachim Gauck die Anhänger der rechtsextremen NPD vor einer Gruppe Berufsschüler als "Spinner". Im Juni 2014 sagte die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl über die Partei: "Ziel Nummer eins muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt."

Im Fall von Gauck und der ehemaligen Familienministerin urteilte das Gericht damals in beiden Fällen gegen den Kläger, die NPD. Im Schwesig-Urteil etwa heißt es, den Inhabern von Regierungsämtern sei es grundsätzlich gestattet, am politischen Meinungskampf teilzunehmen  - jedoch ohne Rückgriff auf die mit ihrem Amt verbundene Autorität.  Amtsautorität, so heißt es in dem Urteil wörtlich, seien "amtliche Verlautbarungen etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder auf offiziellen Internetseiten des Geschäftsbereiches".

Vereinfacht formuliert: Eine Ministerin darf sagen, dass sie die NPD gefährlich findet. Das in einer Pressemitteilung auf der Internetseite ihres Ministeriums mitzuteilen, ist ihr jedoch nicht gestattet. Weil es sich um ein Mittel handelt, das die anderen nicht haben. Oder, in den Worten von Verfassungsrichter Peter Müller: Die Willensbildung in Deutschland führt von unten nach oben, nicht von oben nach unten. Die Parteien können nicht daran mitwirken, wenn von oben - etwa aus einem Ministerium - eingegriffen wird.

Richter stören sich an der Form


Der entscheidende Unterschied ist also: Gauck und Schwesig haben sich verbal negativ über die NPD geäußert. Wanka hat sich negativ über die AfD geäußert - jedoch im offiziellen Bereich ihres Ministeriums. Und knapp ein Jahr bevor sie das tat, hatte das Bundesverfassungsgericht im Schwesig-Urteil zu der Frage, ob ein Minister eben das dürfe, bereits ganz klar Stellung bezogen. Die Chancen, dass Wanka durchkommt, stehen also schlecht.

Entscheiden die Richter gegen Wanka, folgen sie einer Linie, die sich bereits im Vorfeld der Urteilsverkündung abgezeichnet hatte. Im Eilverfahren hatte die AfD bereits im November 2015 gewonnen, Wanka musste die Pressemitteilung von der Internetseite des Ministeriums entfernen lassen. Die Antragsgegnerin, also Wanka,  habe "mit der Verbreitung dieser Erklärung über die Homepage des von ihr geführten Ministeriums Ressourcen in Anspruch genommen, die den politischen Wettbewerbern verschlossen sind", erklärten die Karlsruher Richter damals.

Auch in der Anhörung der Prozessbevollmächtigten im Mai 2017 zeichnete sich ab, dass die Richter sich an der Form der Erklärung erheblich stören. Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle fragte damals Wankas Bevollmächtigten Joachim Wieland, warum die Ministerin sich ausgerechnet in einer Mitteilung auf der Ministeriumsseite äußern musste. Sie hätte das ja auch in einer Talkshow oder in einem Interview machen können. In der Wahrnehmung der Bevölkerung wäre der Unterschied gering gewesen. Wieland argumentierte, Wanka habe in Zeiten moderner Kommunikationsmittel schnell reagieren müssen. Das wollten die Richter nicht gelten lassen. Verfassungsrichter Müller entgegnete damals: "Heißt das, in der digitalen Demokratie ist die Rechtsbindung geringer als früher?"

Quelle: n-tv.de


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