Wer hätte gedacht, dass man irgendwann einen AMG als Gentleman bezeichnen würde? Doch tatsächlich gibt sich der CLS 53 als solcher. Schuld an den guten Manieren, die so gar nichts mehr von Bodybuilder-Macho haben, ist der neue Reihen-Sechszylinder. Statt wie ein Tier zu brüllen, die Auspuffklappen mit harten Schüssen zu öffnen und zu schließen, ist es eher ein lineares Aufwallen des Sounds. Das Ganze wirkt trotz der leichten Salven aus den doppelten Endrohren sehr gesittet. Auch im Innenraum wird es nie laut. Flüsterleise rauscht der Kraftmeier über die Straßen und selbst bei Tempo 160 können sich die Insassen im Flüsterton verständigen.
Dabei geht der Affalterbacher nicht nur mit dem neuen Motor, sondern auch dank seiner 48-Volt-Technologie ordentlich zur Sache. Um das in Daten zu fassen: Aus 3.0 Liter Hubraum schöpft der AMG 435 PS und drückt 520 Newtonmeter an alle vier Räder. Zusätzlich liefert der EQ-Boost-Startergenerator über das 48-Volt-Bordnetz kurzzeitig zusätzlich 22 PS und 250 Newtonmeter Drehmoment. In Summe schmeißt die wunderbar weich schaltende 9-Gang-Automatik also 750 Newtonmeter auf die Achsen. Eine aussagefähige Angabe zum Verbrauch konnte bei den ersten Ausritten nicht gemacht werden. Im Datenblatt sind jedenfalls im Drittelmix 8,7 Liter vermerkt, was nicht AMG-typisch, aber sehr sparsam wäre. AMG-typisch hingegen bleibt die Kraftverteilung von 40 Prozent an der Vorder- und 60 Prozent an der Hinterachse.
Nur in Momenten erfahren
Wie sich das fahrtechnisch in Extrembereichen darstellt, wann das ESP regelt und wie sich der momentan sportlichste CLS um die Kurve schlenzen lässt, kann an dieser Stelle allerdings auch nicht gesagt werden. Das Wetter in und um Barcelona schlug während der Testfahrten Kapriolen. Schnee, Regen, Temperaturen um den Gefrierpunkt. Auf den Straßen aufgeregte Spanier mit Fahrzeugen auf Sommerreifen, gesperrte Bergstraßen, die der Schnee fest im Griff hatte. Deshalb nur so viel, dass das Ansprechverhalten enorm ist. Jeder Gaspedalbefehl wird dank der elektrischen Zusatzverdichtung ohne jedes Zögern befolgt und wer das Gaspedal richtig durchwalkt, hat mit dem CLS 53 nach 4,5 Sekunden Landstraßentempo erreicht.
Das Luftfahrwerk lässt - soweit das in flott durchfahrenen Kreisverkehren und Kehren festzustellen war - keinen Zweifel aufkommen, dass man hier in einem AMG sitzt. Sportliche Härte paart sich mit einem Abrollkomfort, der böse Schläge sauber abfängt. Auch die Wankbewegung in Kurven oder bei heftigen Bremsmanövern wird durch eine Verhärtung der Federrate wirkungsvoll reduziert. Was allerdings unangenehm aufstieß, waren die weit ausgestellten Seitenwangen der AMG-Sportsitze. Nicht, weil sie unbequem waren oder etwa keinen Seitenhalt boten. Mitnichten! Alles super! Blöd war, dass bei engen Rechtskurven der Ellbogen zwischen Seitenwange und Mittelkonsole eingeklemmt wurde.
Beeindruckender Teenager
Ein Umstand, der bei Fahrzeugen ohne AMG-Sitze nicht zu verzeichnen war. Und das ist auch die Überleitung zu einer Motorisierung, die es so schon im E-Klasse Coupé gibt, die mit dem CLS aber erst im Herbst dieses Jahres in Form des CLS 350 nachgereicht wird. Der Einstiegsmotor schöpft seine Kraft aus einem 2,0-Liter-Vierzylinder. Ja, auch Mercedes ist nicht frei vom Downsizing. Allerdings leistet der Vierender aus dem Stand 299 PS. Ebenfalls mit 48-Volt-Bordnetz versehen werden beim spontanen Leistungsabruf weitere 14 PS zur Verfügung gestellt. Das maximale Drehmoment liegt bei 400 Newtonmetern plus der elektrisch nachgereichten 150 Newtonmeter. So befeuert hat der Vierzylinder wirklich kein Problem mit den 1775 Kilogramm Eigengewicht, die er laut Datenblatt bis auf 250 km/h beschleunigen soll.
Auch das konnte nicht wirklich auf der Straße ermittelt werden. Was aber festzustellen war, war ein ungeahnt kerniger Sound. Tief aus dem Unterleib grummelte der Vierzylinder streckenweise wie ein V8. Die gefühlte Beschleunigung verbreitete nicht weniger Fahrspaß als im AMG und das Fahrverhalten ließ auf den gefahrenen Routen auch keine Fragen aufkommen. Im Vergleich mit dem AMG kommt der Tester zu einem unerwarteten Schluss: Während sich der AMG wie ein Gentleman im Maßanzug mit sehr guten Manieren anfühlte, spielt der CLS 350 das Pubertier. Ein bisschen ruppig, ein bisschen knurrig, schnell, ja fast ein wenig ungehalten, wenn er nicht gefordert wird. Und der Ellbogen des Fahrers kollidierte auch nicht mit den Seitenwangen der Sportsitze, die sich in jeder Kurve sanft in die Seite des Piloten drückten.
Für die vorgehaltenen Teststrecken im winterlichen Barcelona machte sich der 350er am Ende besser als der dicke AMG. Nicht weil die geringe Leistung - wir sprechen hier von maximal 313 PS - fahrbarer war oder weil er weniger verbraucht hat. Nein, wie gesagt, der Vierzylinder fühlte sich am Ende so rotzig an wie die V8-Modelle von AMG mit dem Kürzel 63 am Bürzel. Zudem begeisterte diese gefühlte Unbekümmertheit eines Teenagers, der so unangepasst daherkommen kann, wie er will, sich keine Gedanken macht, ob er den einen oder anderen anpöbelt oder ob er ihm nett und freundlich gegenübertritt. Preislich trennen den AMG und den CLS 350 satte 20.000 Euro. Während das muskulöse Luxuscoupé ab dem 17. März mit knapp 80.000 Euro startet, kostet der kleine Benziner etwa 60.000 Euro.
Nicht zum Nulltarif
Allerdings sind diese Preise ausstattungsbereinigt. Wer also nicht das Komfort-Stahlfahrwerk, sondern das Dynamic-Body-Control- oder Air-Body-Control-Fahrwerk haben möchte, der muss nachzahlen. Auch die neuesten Fahrassistenzsysteme schlagen zusätzlich zu Buche. Im Angebot ist zum Beispiel ein Paket mit streckenbasierter Unterstützung des Fahrers. Was nichts anderes heißt, als dass der aktive Abstands-Assistent und der aktive Lenk-Assistent nicht nur beim Lenken und Halten des Abstands zum Vordermann helfen, sondern auch die Geschwindigkeit in Kurven, vor Kreisverkehren oder an Kreuzungen anpassen. Auch die sogenannte Energizing Komfortsteuerung mit ihren speziellen Wellness-Programmen gibt es nicht zum Nulltarif. Im Zusammenspiel von Klimaanlage, Heizung, Beduftung und Massagefunktion der Sitze soll der Wagen zu einer wahren Wohlfühloase werden.
Zum Marktstart im März werden auch zwei neue Sechszylinder-Diesel mit 286 PS und 340 PS an den Start gehen. Beide erfüllen selbstredend die EU6-d-Temp-Norm und sind so vor drohenden Fahrverboten in Städten gefeit. Genau wie der Benziner mit 48-Volt-Technik, der im Boost 389 PS bereitstellt. Ebenfalls für alle gleich ist eine zweite Reihe, auf der man ausreichend Kniefreiheit findet, aber selbst als kleiner Mensch den Kopf locker an die fallende Dachlinie anlehnen kann. Ein Umstand, den man bemängeln kann, der aber bei einem Coupé nicht anders zu erwarten ist.
Dafür gibt es einen Kofferraum, dessen Volumen das Datenblatt mit 520 Litern beziffert und der über eine ebenfalls baubedingte hohe Ladekante so einiges wegsteckt. Zur Serienausstattung gehören übrigens auch LED-Scheinwerfer, 18-Zoll-Leichtmetallräder mit Mischbereifung, Spurhalte-Assistent, Geschwindigkeits-Assistent, ein 12,3 Zoll großes Display für das Multimediasystems, Ambiente-Licht inklusive beleuchteter Belüftungsdüsen, WLAN und Mercedes-me-connect-Dienste.
Quelle: n-tv.de
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