Paul Ryan, der mächtige Sprecher des US-Repräsentantenhauses, hat zusammen mit Donald Trump schon so manche Krise durchgestanden. Meistens bemühte sich der Republikaner, seinen Präsidenten vor Kritikern in Schutz zu nehmen. Etwa dann, wenn es um rassistische Äußerungen ging oder um die Russlandaffäre. Doch nun verweigert der treue Ryan dem Mann im Oval Office die Gefolgschaft.
Und nicht nur er: Etliche Republikaner im Kongress machen gegen den Plan des Präsidenten mobil, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Ryan und seine Mitstreiter warnen Trump vor einem neuen "Handelskrieg" mit unabsehbaren Folgen. "Wir fordern das Weiße Haus dringend dazu auf, die Pläne nicht weiter zu verfolgen", ließ Ryan mitteilen.
Es ist ein bemerkenswerter Akt der Rebellion. Trump will Ende dieser Woche, spätestens nächste Woche seinen konkreten Pläne für Strafzölle vorstellen. Seine Ideen stoßen weltweit auf Kritik, die EU und andere Handelspartner haben Trump mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Und nun fallen ihm auch noch die eigenen Leute in den Rücken.
Warum die Republikaner entsetzt sind
Grundsätzlich hat der Präsident die Möglichkeit, Strafzölle ohne Zustimmung des Kongresses zu verhängen. Allerdings könnten die Parlamentarier seine Pläne mit einem Gesetz aufheben oder blockieren. Die Frage ist, ob Ryan und die anderen Republikaner am Ende tatsächlich so weit gehen würden.
Fest steht: Viele Republikaner im Kongress sind entsetzt über Trumps Pläne. Sie wollen nicht nur einen Konflikt mit wichtigen Verbündeten wie Kanada, Südkorea oder Deutschland verhindern, sondern sorgen sich generell um das Wirtschaftswachstum in den USA. Wie viele Experten fürchten auch Ryan und Co. negative Auswirkungen auf die US-Konjunktur, sollten sich bestimmte Importe verteuern. Dies würde, so ihre Sorge, die positiven Effekte der gerade verabschiedeten Steuerreform zunichtemachen.
Außerdem entspricht ein neuer Protektionismus grundsätzlich nicht der Weltsicht von Republikanern wie Ryan. Er und andere vom Wirtschaftsflügel der Partei haben sich im Gegensatz zu Trump stets für freien Welthandel und eine Ausweitung der Globalisierung eingesetzt.
Hinzu kommt, dass in den Wahlkreisen etlicher Abgeordneter Firmen beheimatet sind, die ebenfalls unter einem Handelskrieg leiden würden. Vor den wichtigen Midterm-Wahlen im Herbst wollen diese Abgeordneten alles verhindern, was die Wählerschaft an der Basis in Aufruhr versetzen könnte. In Republikaner-Hochburgen wie Tennessee oder South Carolina sitzen Autobauer wie Volkswagen oder BMW, die viele Tausend Menschen beschäftigen. In Florida sorgen sich die Farmer, dass die Europäische Union als Vergeltungsmaßnahme die Zölle auf Orangen erhöhen könnte.
Was Harley Davidson und Bourbon-Whiskey mit dem Fall zu tun haben
Besonders heikel: In Paul Ryans Heimatstaat Wisconsin werden Harley-Davidson-Motorräder für den weltweiten Markt hergestellt. Und in Kentucky, Heimatstaat des republikanischen Senatsmehrheitsführers Mitch McConell, brauen sie den berühmten Bourbon-Whiskey. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte gedroht, dass Brüssel sowohl den Whiskey als auch die Motorräder aus Amerika mit eigenen Strafzöllen belegen könnte. Ganz zufällig wird Juncker die beiden Produkte also nicht ausgesucht haben.
Ob Trump sich von dem Aufstand der eigenen Leute noch beeindrucken lässt, ist offen. Bislang tut er zumindest so, als wolle er bei seiner harten Linie bleiben. "Unser Land ist beim Handel von praktisch jedem Land der Welt abgezockt worden", sagte er am Montag und verschärfte erneut den Ton. Sollte die EU Gegenmaßnahmen verhängen, würden die USA europäische Auto-Importe besteuern.
Das soll martialisch klingen. Doch einige Republikaner meinen, erste Zeichen des Einlenkens bei Trump erkennen zu können. Zumindest setzen sie wohl auf eine Art Kompromiss mit dem Präsidenten, also auf eine abgespeckte Version der Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Orrin Hatch, republikanischer Senator aus Utah, gibt sich optimistisch: "Ich denke, Trump überdenkt das noch mal", sagt er. "Wir werden sehen."
Und dann ist da noch die Sache mit der Wahl in Pennsylvania. Am kommenden Dienstag findet im Westen des Bundestaates eine Nachwahl für einen umkämpften Sitz im Repräsentantenhaus statt. Diese Gegend nahe der alten Stahlstadt Pittsburgh gilt als "Trumpland". Der Präsident wolle dort unbedingt einen Sieg für den Kandidaten der Republikaner erreichen, um seinen Ruf als Held der Arbeiterschaft im "Rust Belt" zu verteidigen, heißt es.
Manch einer in Washington glaubt, dass Trump auch deshalb gerade jetzt den Wirbel um die Stahlzölle veranstaltet. Die alten protektionistischen Sprüche aus dem Präsidentschaftswahlkampf sollen die eigenen Anhänger mobilisieren.
Mit anderen Worten: Ist die Wahl dort erst mal gelaufen, könnte Trump sehr schnell wieder das Interesse an dem Thema Strafzölle verlieren. Das würde Paul Ryan sicherlich freuen.
Quelle : spiegel.de
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