Es ist ein Albtraum für EU-Politiker: China verhält sich auf seiner Einkaufstour quer durch die europäische Wirtschaft wie ein Kaufsüchtiger mit unbegrenztem Dispo. Wenn die Chinesen doch nur Immobilien und Fußballklubs kaufen würden – aber sie haben es auf Technologiefirmen abgesehen. Das kann die Wettbewerbsvorteile Europas in diesem strategisch wichtigen Wirtschaftsbereich künftig schmälern.
Was die Kanzlerin Merkel zusätzlich beunruhigt, ist Chinas vermutete Neigung, seine umfangreichen Investitionen dafür zu nutzen, politische Ziele durchzusetzen – besonders in den Ländern, die ja vorrangig zu Brüssels Einflusssphäre zählen. In Afrika, Europas Hinterhof, ist China ebenso geschäftig wie auch vor der Haustür der EU, auf dem Balkan. Ihren Ärger darüber kann die europäische Führung nur schlecht verbergen.
Da hat Kanzlerin Merkel ihren mazedonischen Amtskollegen Zaev kürzlich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in harschem Ton zur Ordnung gerufen: Es entspreche ja wohl nicht dem Geist des Freihandels, wenn Investitionen als Instrument für politischen Einfluss benutzt würden, sagte sie, nachdem der mazedonische Regierungschef mit chinesischen Investitionen in den Straßenbau seines Landes geprahlt hatte.
Recht hat die deutsche Kanzlerin mit ihrem Einwand schon. Nur muss man anmerken, dass Peking den politischen Einfluss im Gegenzug für konkrete Investitionen erhält, während Brüssel solche Investitionen nur verspricht, um seine Politik zu ertrotzen – wie in der Ukraine etwa mit der Forderung, das räuberische Assoziationsabkommen zu unterzeichnen.
Jetzt fordern zahlreiche EU-Abgeordnete, chinesisches Geld in der Europäischen Union in die Schranken zu weisen. Eine solche Eskalation im Verhältnis mit Peking würden die europäischen Politiker wahrscheinlich nicht riskieren, wären da nicht die spektakulären Beteiligungen chinesischer Investoren bei deutschen Konzernen.
Die EU steht zwar am Rande eines Handelskrieges mit den USA, und in dieser Situation ist es nicht die ratsamste Strategie, sich mit einem potentiellen Verbündeten anzulegen. Als aber die chinesische Geely plötzlich zu Daimlers größtem Einzeleigner aufgestiegen ist, haben europäische Politiker offenbar die Nerven verloren.
Kritiker verwerfen den lahmen europäischen Bürokraten vor, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben: Maßnahmen seien damals schon nötig gewesen, noch bevor chinesische Anleger die Kuka AG, den größten deutschen Hersteller von Industrierobotern, übernommen haben.
Nun gehen Fachleute davon aus, dass die EU-Spitzen das Engagement der Chinesen in Europa mit aller Härte angehen werden: Die Notwendigkeit, Chinas Einfluss in Mittel- und Osteuropa zurückdrängen, sei für Kanzlerin Merkel ein dringenderes Problem als die EU-Reform oder die Flüchtlingskrise, sagte Pepijn Bergsen, Analyst beim einflussreichen Think Tank Economist Intelligence Unit, in einem Zeitungsinterview.
Der französische EU-Abgeordnete Franck Proust sagt, das gesamteuropäische Gesetz zur Einschränkung chinesischer Investitionen habe alle Chancen, bis Ende dieses Jahres verabschiedet zu werden. Dieser Gesetzentwurf ist von der EU-Kommission initiiert worden und soll Brüssel ein Veto-Recht zusichern, wenn außereuropäische Firmen in der Europäischen Union investieren wollen.
Theoretisch soll Brüssel sein Veto nur dann einlegen dürfen, wenn die Investition oder der Zukauf europäische Sicherheitsinteressen bedrohen würde. In der Praxis wird das Gesetz aber höchstwahrscheinlich dazu führen, dass alle größeren Geschäfte mit ausländischer Beteiligung einer politischen Betrachtung unterzogen würden – die Entscheidung für oder gegen das Geschäft würde dann jedenfalls von Eurobürokraten je nach der jeweiligen geopolitischen Großwetterlage getroffen.
Und auch wenn dieses Gesetz gemäß den Verlautbarungen der EU-Abgeordneten ausschließlich gegen China gerichtet sein soll, ist es höchst unwahrscheinlich, dass es nur zur Einschränkung chinesischen Einflusses eingesetzt werden wird. Sehr viel naheliegender ist die Annahme, dass die Eurobürokraten es als protektionistische Barriere nutzen werden, um chinesischen, amerikanischen oder russischen Firmen den Zugang zu europäischen Konzernen zu versperren.
Am schwersten würden unter dem Brüsseler Gesetz die „jungen“ EU-Mitglieder Osteuropas leiden, die doch so sehr gehofft haben, im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ massive Investitionen an Berlin und Paris vorbei zu bekommen. Wenn das EU-Parlament das Schrankengesetz erst einmal verabschiedet hat, wird man diese Länder unverzüglich daran erinnern, wer im großen europäischen Haus das Sagen hat, wie unabhängig die jungen „Familienmitglieder“ wirklich sind, und wo die osteuropäischen Knechte um die Erlaubnis betteln dürfen, ausländisches Geld anzunehmen.
Tritt das Gesetz in Kraft, wird man feststellen dürfen, dass die klassische Idee des Freihandels ein für alle Mal auf der Müllkippe der Geschichte entsorgt wurde. Der Westen zeigt sein wahres Gesicht und kehrt in die Zeit des guten alten wirtschaftlichen Nationalismus und Protektionismus zurück.
Der Westen sagt ganz klar, dass nationale Interessen und das Zurückdrängen geopolitischer Konkurrenten sehr viel wichtiger sind als alle Regeln und Grundsätze der globalen Wirtschaft und der internationalen Verträge zusammen. Dies ist einer der seltenen Fälle, wo eine westliche Position nicht nur richtig, sondern auch dafür brauchbar ist, gegen die westlichen Länder selbst eingesetzt zu werden.
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