Da behaupte noch einer, Volkswagen komme immer zu spät: Nein, schon 1990 versuchte der Branchenprimus, aus einem Golf einen Geländewagen-Ableger zu basteln, also gut ein Vierteljahrhundert vor der Zeit, als der SUV-Boom so richtig Fahrt aufnahm. Zwar hielt sich die Variante keine zwei Jahre im Angebot, doch heute ist wieder ein Golf die Basis für ein höher gelegtes Allradmobil. Nur heißt es jetzt nicht mehr Golf Country, sondern T-Roc und ist bemüht, sich vom Kompakt-Bestseller zu unterscheiden.
Auffällig ist, dass nur rund ein Sechstel der deutschen T-Roc-Flotte mit einem Dieselmotor unterwegs ist. Das Nutzerverhalten für Kompakt-SUV ist ein anderes als bei den größeren Kalibern und bekanntlich ist das Vertrauen in Selbstzünder aus dem Hause VW nachhaltig erschüttert. n-tv.de entschied sich beim Testwagen für den stärksten Benziner, er ist serienmäßig mit Allradantrieb ausgestattet und kostet mit 30.800 Euro fast 10.500 Euro mehr als die Einstiegsversion. Eine Hybrid-Variante ist (noch) nicht am Start.
Kürzer als der Technik-Spender
Obwohl analog zum Golf (und anderen Konzernprodukten) der modulare Querbaukasten die technische Basis für den T-Roc liefert, orientiert sich das Styling eindeutig an den größeren Konzept-Brüdern Tiguan und Touareg. Drei Zentimeter weniger Außenlänge und zwei Zentimeter geringerer Radstand bei gleichzeitig mehr Höhe lassen ihn bulliger und präsenter erscheinen als den Golf. Ausgestellte Radhäuser, trendige Blechfalten und ein angedeuteter Unterfahrschutz sind modebewusste Details. Dazu gehören auch die vermeintlichen Auspufföffnungen beiderseits des Kennzeichenträgers am Heck, die jedoch keine technische Funktion haben: Die Abgase werden konventionell unterhalb der Heckschürze aus nur einem Endrohr ins Freie entlassen.
Der aufgeladene Zweiliter-Vierzylinder gibt 190 PS ab. Das ist gut eingeschenkt für einen knapp 1500 Kilo schweren Fünftürer. Sein Drehmoment-Maximum von 320 Newtonmetern erreicht der Motor schon bei 1500 Umdrehungen und hält es bis knapp über 4000 Touren. Da ist druckvolle Beschleunigung drin, die Gangwechsel übernimmt serienmäßig ein siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe. Nach dem Test auf dem Rollenprüfstand errechnete der Hersteller einen Verbrauchswert von 6,8 Litern je 100 Kilometer.
Der Spitzen T-Roc wird ausschließlich in der Ausstattungsvariante "Sport" angeboten, was ihn ab Werk mit 17-Zoll-Alufelgen, Nebelscheinwerfern, Sportfahrwerk, und Sportsitzen, Bergan- und –abfahrassistent, Müdigkeitserkennung, Edelstahlpedale sowie Multifunktionslenkrad mit Schaltwippen ausstattet. Schon ab der Basis gibt es Klimaanlage, Spurhalteassistent, Fußgängererkennung und Start-Stopp-System. Für die Segnungen eines hochgerüsteten Testwagens mit Adaptiver Fahrwerksregelung (+ 1045 Euro), LED-Scheinwerfern (+1085 €), Einpark-Assistent (+795 €), Navigationssystem (+565 €) und Verkehrszeichenerkennung (+320 €) muss man noch etwas tiefer in die Tasche greifen. Auf Wunsch gibt es Zweifarb-Lackierungen außen und Color-Applikationen im Innenraum in der Hauptfarbe.
Fahrmodi per Drehknopf
Im klar gegliederten Cockpit ist VW der Linie treu geblieben, dass Umsteiger aus anderen Baureihen sich auf Anhieb "zuhause" fühlen sollen. Dass hier und da auch Hartplastik angetroffen wird, ist anscheinend unvermeidlich, immerhin kann man sich damit trösten, dass es robust und leicht zu reinigen ist. Der V-förmige Zuschnitt der Bildschirm-Einfassung nebst Mittelkonsole ist ein gelungenes Strukturelement der Inneneinrichtung. Die unterhalb der Klimaregelung liegenden USB-Ports sind etwas unhandlich angebracht, zwischen Schalthebel und Getränkehalter liegt der zentrale Drehknopf für die Fahrprogramme. Dort kann man die Fahrzeug-Parameter auf winterliche oder asphaltfreie Bedingungen einstellen. Die große Touchscreen-Bedienfläche des Infotainment-Systems ist zwar von edler Anmutung, nur so empfindlich, dass zum Beispiel bei Benutzung des Lautstärke-Drehknopfs durch zufällige Berührung ungewollte Funktionen aktiviert werden. Eine haptische Rückmeldung der Bedienkacheln fehlt.
Die Sportsitze sind bequem und seitenstabil, an der Bewegungsfreiheit der vorderen Insassen gibt es nichts zu tadeln. Sehr nützlich kann der umlegbare Beifahrersitz sein, der allerdings mit 190 Euro extra zu vergüten ist. Hinten geht es nicht ganz so geräumig zu, vor allem dann nicht, wenn man es mit langbeinigen Frontpassagieren zu tun hat. Nur um die Frisur braucht sich dort niemand zu sorgen, auch ein Hut passt dank der ordentlichen Dachhöhe mit hinein. Die teilbare Rücksitzlehne gehört bei der "Sport"-Ausstattung zum Lieferumfang. Zwischen 392 und 1237 Liter Volumen gehen ins Gepäckfach, bei den Frontantriebsmodellen sind es rund 50 Liter mehr. Bis zur Lehne der Vordersitze kann man 1,55 Meter tief laden, die Ladekante ist 78 Zentimeter hoch.
Aufschlag für sportliche Fahrer
Das Fahrverhalten des T-Roc ist unkompliziert und die Karosserie übersichtlich. Mit der serienmäßigen Progressivlenkung, die mit guter Rückmeldung arbeitet, wird das Auto sicher manövriert. Der Federungskomfort ist dem robusten SUV-Konzept angemessen, könnte aber von behaglichkeits-orientierten Kunden als etwas hart empfunden werden. Die Seitenneigung in schnellen Kurven fällt mäßig aus, auf holperiger Strecke gibt es keine Knirsch- oder anderen Verwindungsgeräusche, was für gute Verarbeitung spricht. Die LED-Scheinwerfer empfehlen sich durch ausgezeichnete Leuchtweite.
Der Sound des Motors ist dagegen durchaus herzhaft, in höheren Drehzahlbereichen klingt er manchmal etwas angestrengt, vor allem, wenn man im Sportmodus das frühe Hochschalten des Siebengang-Getriebes unterbindet. In 7,2 Sekunden sprintet der große T-Rock auf 100 km/h, sein Maximum erreicht er bei 216 km/h. Ab etwa 150 km/h ist mit erheblichen Windgeräuschen zu rechnen. Während der Testphase konsumierte das Fahrzeug 8,3 Liter Super je 100 Kilometer, was der üblichen Praxis-Überschreitung des Normwertes entspricht. Wer die sportlich-dynamische Gangart schätzt und deshalb den entsprechenden Modus für den Dauerbetrieb nutzt, muss jedoch mit einem ordentlichen Aufschlag rechnen.
Fazit: Höher sitzen, bequem ein- und aussteigen – das ist das Geheimnis des SUV-Booms. Vielleicht kommt mal jemand auf die Idee, den Zusammenhang von steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung und wachsender Nachfrage in dieser Pkw-Kategorie zu erforschen. Bei den Kompakten ist VW jetzt mit einem authentischen und eigenständigen Vertreter dabei. Er ist weit mehr als ein höher gelegter Golf und hat mit knapp 160 Millimeter Bodenfreiheit ein gewisses Geländepotenzial – auch wenn bisher nur rund die Hälfte der deutschen Kunden Allradantrieb bestellte.
Quelle: n-tv.de
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