George W. Bush liebte die große Pose. Auf einem Flugzeugträger inmitten von Tausenden Soldaten verkündete er das Ende der Kampfeinsätze im Irak. Hinter ihm prangten die Worte "Mission accomplished" auf einem Banner - Mission erfüllt. Das war im Jahr 2003, als noch keiner die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kannte. Die Inszenierung des US-Präsidenten erwies sich als voreilig: Es dauerte noch mehr als sieben Jahre, bis die letzten regulären US-Kampftruppen 2010 den Irak verließen. Heute noch sind US-Soldaten im Irak stationiert, wie viele andere Nationen auch. Das Land liegt am Boden, Anschläge sind immer noch an der Tagesordnung. Mission erfüllt?
Der Rückzug aus Militärmissionen ist heikel. "Es ist immer schwieriger, Kriege zu beenden als sie zu beginnen", sagte Bushs Nachfolger Barack Obama 2014 - und verkündete seinen Abzugsplan für Afghanistan. Ein schwerer Fehler, sagen Militärstrategen. Damit konnten sich die Taliban zurücklehnen und nur noch auf den Abzug des Gegners warten. Politische Entscheidungen müssen nicht militärisch sinnvoll sein. In Afghanistan herrscht weiter Terror und Gewalt. Auch die Bundeswehr sollte längst nicht mehr am Hindukusch sein - nun soll die deutsche Truppe dort wieder aufgestockt werden.
Rund 4000 deutsche Soldaten beteiligen sich derzeit an 14 Einsätzen weltweit. Sie schützen die Zivilbevölkerung im Südsudan, retten Flüchtlinge im Mittelmeer, sind aktiv gegen Waffenschmuggler vor der libanesischen und gegen Piraten vor der somalischen Küste. Auf die Truppe kommen seit Jahren immer mehr Aufgaben zu, dafür fallen nur wenige weg. Und wenn eine Mission beendet wird, dann nicht zwangsläufig erfolgreich. Beispiel Somalia: Wegen Schwierigkeiten bei der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte verlässt die Bundeswehr nach einem achtjährigen Einsatz das nach wie vor von Islamisten terrorisierte Land.
Der IS ist besiegt, aber nicht verschwunden
CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mahnt bei Truppenbesuchen regelmäßig zu langem Atem und Durchhaltevermögen. Der Bundestag verlängert Jahr für Jahr die Mandate für die Missionen. Am Donnerstag debattieren die Abgeordneten erneut über die wichtigsten, größten und gefährlichsten Einsätze der Truppe. Ein Abzug aus Afghanistan, Mali und dem Irak ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die wichtigsten Einsätze sollen ausgeweitet werden.
In Afghanistan läuft der verlustreichste Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr seit 16 Jahren - inzwischen nur noch als Ausbildungsmission. Kein anderer Einsatz prägte die Bundeswehr so sehr wie die Mission am Hindukusch. Nun soll die Truppe aufgestockt werden, von 980 auf 1300 Soldaten. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, selbst für Sicherheit zu sorgen. Klar, dem "Patienten" gehe es nicht gut, hört man in Militärkreisen. Aber bevor man ihn aufgebe und sich vom Operationstisch abwende, wolle man lieber weiter herumdoktern. Bei einem Abzug fürchtet man ein Machtvakuum, in das die Taliban oder der IS stoßen.
Mit Afghanistan verglichen wird manchmal Mali. Der UN-Einsatz in dem westafrikanischen Land gilt als gefährlichster der Bundeswehr. Mehr als 100 Blauhelmsoldaten wurden bereits getötet und deutsche Soldaten beschossen. Seit 2013 beteiligt sich die Truppe, eine Abzugsperspektive gibt es auch hier nicht. Der Versöhnungsprozess zwischen den Konfliktparteien stockt. Immer wieder verüben islamistische Rebellen Anschläge - vor allem im Norden, wo die Bundeswehr stationiert ist. Statt bisher höchstens 1000 sollen sich nun bis zu 1100 Soldaten an der Stabilisierung des Landes beteiligen.
Der IS ist in der Fläche besiegt. Verschwunden ist er nicht. Im Irak konzentriert sich die Bundeswehr seit 2014 auf die Ausbildung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer im Norden. Künftig will man stärker auch die Armee der irakischen Zentralregierung unterstützen. Die genaue Truppenstärke ist noch unklar, zudem werden im Kampf gegen den IS die Aufklärungsflüge deutscher "Tornados" von Jordanien aus fortgesetzt. Auch an den Nato-Aufklärungsflügen mit "Awacs"-Maschinen vom türkischen Konya aus werden sich weiter deutsche Soldaten beteiligen. Auch für die Region gilt: Die Bundeswehr ist gekommen, um zu bleiben.
"Geopolitischer Fußabdruck"
Je länger ein Einsatz laufe, desto schwieriger sei es, die Reißleine zu ziehen, kritisiert der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu. Er vergleicht das mit einem süchtigen Spieler, der nicht aussteigen wolle. "Man hat so viel investiert, dass man alles verlieren würde, was man reingesteckt hat - Menschenleben, Geld." Die Bundesregierung betreibe mit der dauerhaften Präsenz Großmachtpolitik. Es gehe etwa im Irak und Syrien um einen "geopolitischen Fußabdruck" in der Region. "Mitreden kann man nur, wenn man militärisch präsent ist."
Es gibt aber auch Positivbeispiele. Fragt man Militärs und Verteidigungsexperten nach erfolgreich abgeschlossenen Einsätzen, folgt erstmal angestrengtes Grübeln. Dann hört man häufig ein Wort: Bosnien. Nach dem blutigen Gemetzel zwischen Serben, Kroaten und muslimischen Bosniaken beteiligte sich die Bundeswehr 17 Jahre an der Friedenssicherung. 2012 holten die letzten deutschen Soldaten in Sarajevo die deutsche Fahne ein und beendeten den längsten Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Die schweren Waffen der Kriegsparteien wurden vernichtet, die Truppen demobilisiert, heimische Sicherheitskräfte ausgebildet. Das Land ist militärisch befriedet, wenn auch durch meist tief in Korruption verwickelte Politiker weiter ein politischer Krisenherd. Doch diese Probleme sind militärisch nur schwer zu lösen.
Quelle: n-tv.de
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