Die Mercedes G-Klasse ist ein Phänomen. Keine Modellreihe mit dem Stern wurde länger mit dem gleichem Blechkleid gebaut. Und wenngleich sich der burschikose Geländewagen optisch nahezu überhaupt nicht verändert hat, fallen die fast 40 Jahre währenden Entwicklungen des in Graz gefertigten Modells doch drastisch aus. Angetreten ist die G-Klasse einst, um beim Militär zu dienen und jene Kunden glücklich zu machen, die weniger Wert auf Antriebskomfort oder Luxus legen, sondern vielmehr darauf, auch dann noch weiterzukommen, wenn hartnäckige Felsen, tiefer Schlamm oder heftige Steigungen die Bahn des Fahrers queren.
So verfügt jedes Basisexemplar des Wahl-Österreichers über drei mechanische Differenzial-Sperren, aber im Gegenzug bieten die spartanisch ausgerüsteten Urmodelle eben wenig Dämmung und dürre Stühlchen, auf denen lange Strecken zur Herausforderung werden. Und vom Arbeitsplatz vorn links schaut man auf das kaum attraktive LKW-Cockpit. Mit der elf Jahre später, also im Jahr 1990, eingeführten Baureihe W463 zog erstmals ein Hauch von Luxus in den G ein. Das ungleich hübschere Cockpit aus den PKW-Baureihen (wurde im Laufe der Jahre immer aktualisiert) sowie der optionale Einsatz von kultivierten Achtzylinder-Benzinern markieren den Beginn des langsamen Wandels der G-Klasse vom eher unbequemen Nutztier zum angesehenen Lifestyler.
Der 330 GD
Doch gönnen wir uns zunächst eine Portion Ur-G und steigen in den 300 GD von Ralf Woopen. Der überzeugte G-Klasse-Fahrer nutzt sein Cabrio nicht nur auf dem Aachener Asphalt, sondern treibt den betagten Selbstzünder manchmal auch durch die Sahara Nordafrikas. Wir bleiben aber heute auf lieber befestigtem Terrain und lassen den drei Liter großen Fünfzylinder wirken, der in ähnlicher Form auch schon unsere Großväter im Strichacht überzeugt hat. Geschaltet wird per manuellem Vierganggetriebe, und die Box fühlt sich so herrlich knochig an, wie das bei Mercedes in den Siebzigern und Achtzigern eben war.
Schwergängig rastet der Hebel allerdings nicht – ganz im Gegensatz zum kleinen Schaltknüppel darunter, mit dem man unter anderem die Geländeuntersetzung aktiviert. In den frühen G-Klassen war Handarbeit angesagt – der einzige Luxus beschränkt sich auf den Lifestyle-Faktor der Baureihe und die damit verbundenen, respektzollenden Blicke der Passanten, wenn man mit dem Gelände-Benz an ihnen vorbeirauscht. Kurbelfenster, laute Dieselgeräusche und LKW-Flair herrschen vor – immerhin gibt es eine Servolenkung, damit der 1,9-Tonner halbwegs rangierbar bleibt. Und wenn der lediglich 88 PS starke Fünfzylinder am Berg auch ein bisschen in die Knie geht, die Coolness des roten Cabrios wiegt dieses Defizit locker auf.
Mögen sämtliche G-Klasse-Fahrer ein verbindendes Element schätzen, beispielsweise den Kult, der von der Baureihe inzwischen ausgeht – sie sind doch grundverschieden. Ralfs Frau Heike, ebenfalls dem G verfallen und mit einem bereits deutlich moderneren G 320 dabei, erklärt, dass die G-Klasse-Clubber den modernen Ausführungen nicht so zugetan seien. Mag sein, und so kann man betuchte Frauen auf den Flaniermeilen großer Städte beobachten, wie sie mit den G 63 AMG dieser Welt vor Designermode-Läden anhalten. Aber wir müssen diesen Kontrast auch einmal erfahren, um zu verstehen, wie man mehr als 145.000 Euro für so ein rustikales Auto ausgeben kann.
Der G 63
Im neuzeitlichen G 63 regieren natürlich Elektronik für die Unterhaltung sowie Servomotoren für alles nur erdenklich Bewegliche im Innenraum. Üppige E-Sessel sollen dafür sorgen, dass man auch lange Strecken stressfrei zurücklegen kann, das Infotainment ist zeitgemäß, und die Antriebstechnik ist es auch. Statt wie der Diesel bescheiden zu nageln, bollert der 63er so energisch aus seinen Sidepipes, dass nicht nur den Passagieren, sondern auch den Zuschauern des Spektakels draußen ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Man fragt sich, wie das Auto, das in den Grundzügen noch immer auf der 1979er-Konstruktion basiert, eine Leistung von fast 600 PS überhaupt vertragen kann.
Muss es auch gar nicht wirklich können, denn richtig schnell fährt eine G-Klasse – wenn überhaupt – sowieso nur geradeaus, etwas anderes erwartet man hier nicht. Der turbobeatmete und 5,5 Liter große Achtzylinder schiebt den G der Neuzeit in Tateinheit mit der siebenstufigen AMG-Automatik derart brachial und gleichzeitig hämmernd gen Horizont, dass selbst Sportwagen-Fahrer ihre Augenbrauen hochziehen. In Zahlen bedeutet das 5,4 Sekunden bis Landstraßentempo und 210 km/h Höchstgeschwindigkeit. Doch mehr noch als die reine Längs-Performance ist es natürlich der Sound und so ein bisschen auch die Sucht nach dem Unvernünftigen, warum man den AMG anziehend findet und bei entsprechendem Kontostand glatt zugreifen würde.
Während sich die Woopens mit ihrem Ur-G auf unwegsames Terrain wagen, hat man doch irgendwie Respekt davor, mit dem schick hergerichteten G 63 AMG samt 19-Zöllern auf unzivilisierte Pisten zu fahren und auch ein bisschen Angst, sich die Sidepipes zu verschrammen. Doch nur keine Hemmungen, auch der feine Herr aus Affalterbach besitzt die berühmten drei Sperrtasten für die Differenziale, einen massiven Unterfahrschutz sowie eine Anhängevorrichtung für gröberen Arbeitseinsatz. In Kürze wird der G übrigens wieder einmal moderner, dann auch mit Einzelradaufhängung vorn und etwas breiterem Chassis. Am Grundcharakter der G-Klasse wird das aber nicht rütteln. Und so wird man sich voraussichtlich noch viele Jahre über das typische Geräusch freuen dürfen, wenn die Türen mit dumpfem Klang ins Schloss fallen. Das klingt nämlich noch immer wie beim 1979er Ur-G.
Quelle: n-tv.de
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