Die europäische Stahlbranche kann sich erst einmal zurücklehnen. Seit Freitag erheben die USA Strafzölle auf Aluminium und Stahl. Die 28 EU-Staaten wurden von den Abgaben noch kurzfristig ausgenommen – ebenso wie Kanada, Mexiko, Australien, Argentinien und Südkorea. Die Ausnahme ist aber bis zum 1. Mai befristet.
Warum die EU und einige andere Staaten von den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium vorerst verschont blieben, kann der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft des ifo-Instituts, Prof. Dr. Gabriel Felbermayr, vorerst nur mutmaßen: „Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier würde sagen: Wir haben gute Argumente vorgebracht. Die Europäer sind Verbündete. Außerdem ist es so, dass viele europäische Unternehmen in den USA tätig sind und amerikanischen Stahl dort nachfragen. Zwei Drittel des Stahls, den BMW verbaut, kommen aus den USA.“
Wenn es allerdings so wäre, warum wurde dann nicht auch Japan von den Zöllen ausgenommen? Die Japaner zählen auch zu Verbündeten der Vereinigten Staaten und haben ebenso Produktionsstätten in den USA. Wenn es nicht die Kraft der guten Argumente ist, ist da vielleicht etwas anderes im Spiel? „Wenn es nicht ein großer Deal ist, dann doch die Erklärung, sich gemeinsam um China zu kümmern. Eigentlich ist nicht zu sehr die europäische Stahlindustrie das Problem. Das Problem sind die chinesischen Überkapazitäten. So wollen die EU und die USA bei dem Vorgehen gegen China stärker zusammengehen. Das ist wahrscheinlich der Deal, der da in Washington gelaufen ist“, vermutet Felbermayr.
Das eigentliche Problem der USA
Dabei exportiert das von den Zöllen vorerst ausgenommene Kanada den meisten Stahl in sein Nachbarland. Ganze 17 Prozent betrugen die kanadischen Stahlausfuhren in die USA im Jahr 2017 gefolgt von Brasilien (14 Prozent) und Südkorea (zehn Prozent). Dagegen wirkt China mit gerade mal zwei Prozent wie ein Exportwinzling. Sogar Deutschlands Stahlexporte in die USA (vier Prozent) überwiegen die chinesischen Ausfuhren um satte zwei Prozent. Stärker würden die US-Strafmaßnahmen Russland und die Türkei treffen, machte Felbermayr deutlich. Mit acht Prozent war Russland 2017 der fünftgrößte Stahlexporteur in die Vereinigten Staaten. Gefolgt von der Türkei mit sechs Prozent.
Doch auch die höheren US-Zölle würden an Importüberschüssen nichts ändern, bemerkt der Wirtschaftsforscher. „Die Amerikaner konsumieren viel mehr als sie produzieren. Das äußert sich in hohen Leistungsbilanzdefiziten. Das heißt, die Amerikaner leben über ihre Verhältnisse. Und wenn sich das nicht ändert, dann werden die amerikanischen Defizite gegenüber Deutschland, China und anderen Ländern nicht verschwinden. Da sind die Zölle eigentlich ungeeignet“, erklärt Professor Felbermayr.
Warum dann die ganze Aufregung rund um China?
Die eingeführten Strafzölle seien populistischer Natur, sagt der Experte: „Das ist nichts Neues. In vielen Ländern wird das so gehandhabt, dass die wirklichen sozialpolitischen Probleme so dargestellt werden, dass sie von anderen verursacht werden. Von den Chinesen oder den Immigranten. Oder von irgendeiner anonymen amorphen Macht. Das ist ein typischer Spielzug von Populisten und das sehen wir auch in den USA.“
Was die Konjunktur, das Wirtschaftswachstum und sogar die Beschäftigung angehe, seien die USA in einer sehr guten Position. Da müsse nicht etwas dringend geändert werden, erklärt der Forscher: „Die Notenbank normalisiert jetzt die Geldpolitik. Es ist ein massiver Impuls da durch die Steuerreform. Das wird das Wachstum in den USA stärken.“ Das seien eher strukturelle Probleme, an denen Amerika leidet. „Da gehört vor allem dazu, dass die Vorteile von Globalisierung, die Vorteile des technologischen Wandels nur einer kleinen Elite zugutekommen und viele Menschen abgehängt sind“, so Felbermayr.
Was also tun?
Was müssten die Amerikaner eigentlich tun, um die Menschen am Reichtum und an den „Effekten der Globalisierung“ teilhaben zu lassen? „Sie müssten die innenpolitischen Parameter ändern. Dann braucht es eine andere Steuerreform, die den Mittelstand und die unteren Einkommen entlastet. Da bräuchte es eine Reform des Gesundheitswesens und nicht eine Rückabwicklung von ‚Obama Care‘. Da bräuchte es endlich eine vernünftige regionale Wirtschaftspolitik“, betont der ifo-Ökonom.
Felbermayr wünscht sich vor allem eine Rückkehr zu einem „kooperativen Stil“ auf allen Bühnen. „Wir müssen zurück an den Verhandlungstisch. Das gilt auch zwischen Europa und Russland, aber auch zwischen Europa und den USA. Eine Handelspolitik, die vor allem über Konflikte gespielt wird, ist eine, die am Ende des Tages nur Verlierer bringt.“
Chinas Vizepremier Liu He warnte vor einer Eskalation. Das Vorgehen der USA würde gegen internationale Handelsregeln verstoßen. China sei „bereit und in der Lage“, in einem möglichen Handelskrieg „seine nationalen Interessen zu schützen“, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua in einem Telefonat mit US-Finanzminister Steven Mnuchin.
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