Mehr Arbeiterklasse als "Roseanne" ging nicht. Die Titelheldin der Sitcom aus den achtziger und neunziger Jahren war eine prollige, übergewichtige und ordinär lachende Frau, die laut schimpft und sich trotzdem liebevoll um die Ihren kümmert. Trotz der Witze und der eingespielten Lacher zeigten Roseanne Conner und ihre Familie, wie die da unten zurechtkommen - ohne große Hilfe von denen da oben.
Die letzte Folge von "Roseanne" lief vor 21 Jahren. Bill Clinton hatte gerade seine zweite Amtszeit begonnen und Donald Trump war noch Bauunternehmer in New York. Jetzt ist die Show zurück: Am Dienstag liefen in den USA die ersten zwei Folgen der zehnten Staffel. Finanzielle Probleme begleiten die Conners weiterhin: Die längst erwachsene Tochter Darlene zieht mit ihren zwei Kindern zurück zu ihren Eltern, nachdem sie ihren Job verloren hat.
Die Einschaltquoten des Comebacks waren hervorragend: Mehr als 18 Millionen Amerikaner sahen zu, wie Roseanne und ihre Schwester Jackie über Politik stritten. Seit einer Folge von "Big Bang Theory" im Herbst 2014 hatte keine Sitcom so viele Zuschauer. Trump war so beeindruckt vom Erfolg der Sendung, dass er Roseanne-Darstellerin Roseanne Barr anrief, um ihr zu gratulieren.
Zumindest in Teilen dürfte der Präsident sich auch über den Inhalt der Show gefreut haben: Beide Roseannes, die Schauspielerin und die Figur, sind erklärte Trump-Anhängerinnen - die echte Roseanne noch stärker als ihre Rolle. Eine Trump-Show ist "Roseanne" dennoch nicht geworden.
Gespalten wie die USA - und am Ende versöhnt
Familie Conner ist genauso gespalten wie die USA: Roseanne und ihre Schwester Jackie haben seit der Präsidentschaftswahl 2016 nicht miteinander gesprochen. Bei ihrem ersten Treffen beschimpfen sie sich als "Schneeflocke" (so nennen konservative Amerikaner ihre liberalen Landsleute) und als "kläglich" (den Ausdruck "deplorable" verwendete Hillary Clinton für Trump-Anhänger). Damit es wirklich jeder versteht, trägt Jackie ein pinkfarbenes T-Shirt, auf dem "Nasty Woman" steht - Trump hatte seine Konkurrentin Hillary Clinton in einem der TV-Duelle als "ungezogene Frau" bezeichnet. Dazu trägt Jackie eine pinkfarbene Mütze. Diese "Pussyhats" waren bei Demonstrationen vor einem Jahr ein Symbol gegen Trump.
"Ich habe immer versucht, ein realistisches Bild der Amerikaner und der amerikanischen Arbeiter zu zeichnen", sagte Barr Anfang des Jahres über ihre Arbeit. "Und es waren Leute aus der Arbeiterklasse, die Trump gewählt haben." Tatsächlich kamen die meisten Trump-Wähler zwar eher aus der Mittelschicht. Aber richtig ist, dass Trump die Wahl in Bundesstaaten des Rust-Belt gewonnen hat, die früher von Stahl und Kohle dominiert waren und vier Jahre zuvor noch demokratisch gewählt hatten.
Besser geworden ist das Leben der Conners unter Trump übrigens nicht. Nicht nur ist ihre Tochter arbeitslos geworden, auch die Krankenversicherung deckt nicht mehr alle Tabletten ab, die Roseanne und ihr Mann Dan brauchen. Die radikal rechte Internetseite Breitbart war trotzdem begeistert: Trumps Amerika sei glücklich, die Conners wiederzusehen, heißt es dort in einer Kritik. Die konservative Moderatorin Laura Ingraham lobte "Roseanne" ebenfalls. Bei Fox News sagte sie, die Show zeige, dass Trump-Wähler keine Monster, nicht "kläglich" und nicht dumm seien.
Positive Bewertungen gab es auch von Medien auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Ein Kritiker bei CNN lobte den Start der neuen Staffel als "verdammt gut", wenngleich er einschränkte, dies liege nicht an Roseanne Barr. Dem "New Yorker" gefielen die ersten Folgen ebenfalls - wobei das liberale Magazin eine etwas andere Lehre zog als Breitbart oder Fox News: "Für die Conners sieht die Trump-Ära fast genauso aus wie die Obama-Ära, die fast genauso aussah wie die Bush-Ära."
So viel Übereinstimmung ist selten zwischen dem konservativen und dem liberalen Amerika. Es passt zur Sendung: Nachdem sie sich beschimpft haben, schließen auch die Schwestern Jackie und Roseanne einen Waffenstillstand. Anders hätte die Show auch nicht funktioniert: Auf Dauer ist politischer Streit einfach zu langweilig.
n-tv
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