Donald Trumps ständige Verbalattacken gegen Amazon zeigen zwei Dinge: Bei dem Online-Riesen kennt er keine Gnade und er kennt keine Einsicht. Erst am Vortag feuert er eine weitere Twitter-Salve gegen den Onlinehändler ab. Er habe recht, gibt sich der US-Präsident bereits am frühen Morgen angriffslustig. Das Unternehmen koste "die US-Post Unmengen an Geld, weil sie den 'Pizza-Lieferanten' für Amazon spielt".
Auch auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen, arbeitet sich der US-Präsident mittlerweile täglich an Amazon ab. Die Anschuldigungen sind dabei immer die gleichen: Der Handelsriese profitiere von der US-Post, und andere Einzelhändler würden unter Amazons Marktmacht leiden. "Wir bezuschussen Amazon", kritisierte der US-Präsident bereits in einem anderen Tweet. Das Bild vom Postangestellten als Amazon-"Pizzabote" bemühte Trump schon vor vier Tagen.
Gleichzeitig wird der Ton rauer. Nicht nur die Taktung seiner Attacken wird schneller, auch die jüngsten Medienberichte bestätigen: Trump ist es offenbar ernst mit seinem Feldzug gegen den Handelsriesen. Auch wenn viele seiner Vorwürfe haltlos und irrational sind.
Trump sei von Amazon "besessen", zitiert das Internet-Portal Axios Quellen aus dem Umfeld des Präsidenten. Trump wolle sich den Onlinehändler vorknöpfen und, wenn möglich, wettbewerbsrechtlich gegen ihn vorgehen. Er wolle Amazon schaden, schreibt auch das US-Magazin "Vanity Fair" unter Berufung auf Insider. Seine Wut auf Amazon-Chef Jeff Bezos sei komplett "außer Kontrolle". "Das ist Krieg", zitiert das Blatt weiter.
Ist die US-Post Amazons Melkkuh?
In Rage schreibt sich Trump, weil Amazon angeblich den staatlichen Postdienst bei der sogenannten Last-Mile-Zustellung ausbeutet. Die US-Post ist gesetzlich verpflichtet, Briefe und Pakete bis an die Haustür zu liefern. Amazon gibt die Sendungen bei der örtlichen Poststelle ab, von da ab ist der staatliche Postbote zuständig. Das Problem ist: Trump hält den Preis, den Amazon für diese Wegstrecke zahlt, für deutlich zu niedrig. Der Betrug mit dem Postdienst müsse aufhören, verkündete er.
Dass seine Behauptung, Amazon sei für die Miesen in Milliardenhöhe der US-Post verantwortlich, einem Faktencheck nicht standhält, schert ihn wenig. Laut der US-Bank Citigroup müssen beim Zustellungspreis Pensions- und Gesundheitskosten berücksichtigt werden. Ohne diese Rücklagen, zu der die Post vor der Finanzkrise von Washington angewiesen wurde, würde sie Gewinn mit dem Amazon-Geschäft machen. Umgekehrt bedeutet das: Die Post würde noch deutlich mehr Miese ohne Amazon machen.
Seiner eigenen Logik folgend schlägt Trump vor, die Versandkosten für Amazon zu erhöhen. Seitdem geistert an der Wall Street die Angst vor Portoerhöhungen oder gar einer Zerschlagung von Amazon herum. Und das schlägt sich auf den Aktienkurs nieder. Seit den ersten Angriffen von Trump vor einer Woche verlor das Papier bereits 73 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung.
Portoerhöhungen oder gar eine Zerschlagung von Amazon sind dabei gar nicht absehbar. Eine Erhöhung der Zustellgebühren kann die Post und Trump nur mit Zustimmung des Kongresses bewirken. Auch kartellrechtlich hat das Unternehmen wegen seiner Niedrigpreispolitik wenig zu befürchten. Sogar auf die Marktmacht des Onlinehändlers gibt es zwei Sichtweisen: Laut der Marktforscher eMarketer kontrolliert Amazon 43 Prozent des Onlinehandels in den USA, im gesamten Einzelhandel beträgt der Marktanteil aber nur vier Prozent. Auch die Beschuldigungen, Amazon zahle kaum Steuern, ist lange überholt.
Krieg gegen Bezos: "Post" als "politische Waffe"
Trump geht es möglicherweise um etwas ganz anderes. Nicht Steuern, Portogebühren oder notleidende Einzelhändler stehen für den US-Präsidenten im Fokus, sondern die Macht, die Amazon-Chef Bezos als Besitzer der "Washington Post" innehat. Im Juni 2017 hetzte Trump: "Die #AmazonWashingtonPost, die manchmal als Wächter von Amazon bezeichnet wird und keine Internet-Steuern bezahlt (was sie tun sollten), ist FAKE NEWS!".
"Trump mag die die 'New York Times' nicht, aber er verehrt sie, weil es die Zeitung seiner Heimatstadt ist. Vor der 'Washington Post' hat er keinerlei Respekt", zitiert "Vanity Fairs" einen Republikaner aus dem Umfeld des Präsidenten. Trump ist laut seinen Beratern überzeugt, dass der Amazon-Chef die "Post" als "politische Waffe" nutzt.
Wiederholt hat sich Trump in Tweets über die kritische Berichterstattung der Zeitung beklagt. Darüber hinaus unterstellt er dem Blatt, Lobbyarbeit für Amazon zu betreiben. Martin Baron, der Herausgeber der "Washington Post", die für ihre kritische Trump-Berichterstattung im vergangenen Jahr einen Pulitzer-Preis gewann, weist die Vorwürfe zurück. Sie seien "komplett erfunden", sagt er der "New York Times". Niemand werde von Amazon bezahlt. Und Bezos habe sich redaktionell noch nie eingemischt.
Der Besitzer der Zeitung melde sich alle zwei Wochen in einer Telefonkonferenz zu Wort, um die Geschäftsstrategie der Zeitung zu besprechen, zitiert das Blatt den Herausgeber weiter. Er habe nie eine Geschichte kritisiert, er habe nie eine Geschichte unterdrückt. "Ehrlich gesagt, wenn das in einer Redaktion von 800 Journalisten passiert wäre, garantiere ich Ihnen, Sie hätten davon gehört", fügt Baron hinzu.
Auch wenn die Anschuldigungen gegen Amazon, Bezos und die "Washington Post" haltlos sind, für Trump sind alle offenbar untrennbar miteinander verbunden: Häufig würden die Sperrfeuer gegen Amazon durch kritische Artikel über den Präsidenten ausgelöst, schreibt die "New York Times" unter Berufung auf Berater im Weißen Haus. Trump würde nichts lieber tun, als Bezos die Flügel zu stutzen. Er habe nur keine Ahnung, wie ihm das glücken könne, schreibt Axios. Was regiert, ist nackte Wut. Der Ton mag lauter werden. Biss, im Sinne einer Handhabe gegen Amazon, hat Trump aber nicht.
Das räumt sogar das Weiße Haus ein. Die stellvertretende Sprecherin, Lindsay Walters, erklärte vergangene Woche vor Reportern, der Präsident habe "seine Bedenken mit Amazon ausgedrückt". Sie fügte hinzu: Es seien keine Aktionen geplant. Twitter-Tiraden natürlich ausgeschlossen.
Quelle: n-tv.de
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